Seewölfe Paket 33. Fred McMason

Seewölfe Paket 33 - Fred McMason


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solchen Umständen Gold und Silber in andere Länder. Es sei denn, er wollte den Reichtum vor seinen Gläubigern in Sicherheit wissen.

      Mit einer Verwünschung auf den Lippen setzte sich der Kapitän der „Nuestra Señora de lagrimas“ in der Koje auf. Er konnte die Sache drehen und wenden, wie er wollte, zu einem vernünftigen Ergebnis gelangte er nicht.

      Erst vor wenigen Stunden hatte der Generalkapitän einen Kurswechsel versucht. Die „Salvador“ wäre daraufhin um ein Haar von der Schebecke gerammt worden.

      Die Müdigkeit war endgültig verflogen. Alvaro Chincilla, der nie anders als in voller Kleidung schlief, schlüpfte in die Stiefel und schnallte sich den Waffengurt um. Haare und Bart brauchte er wegen der Kürze ihres Wuchses nicht zu bändigen.

      Ohne sonderliche Hast verließ er seine Kammer und trat durch den Niedergang aufs Achterdeck hinaus.

      Die sternenlose Schwärze der Nacht irritierte ihn. Wenn ihn seine Erfahrung nicht täuschte, und das hatte sie nie getan, mußte während der folgenden Tage mit widrigen Wetterverhältnissen gerechnet werden. Daß zur Zeit ein guter Wind wehte und die See sich wieder von ihrer angenehmen Seite zeigte, war nicht mehr als ein Zwischenspiel, ein Atemholen der Natur, die danach um so schlimmer zuschlagen würde.

      Auch deshalb war eine Umkehr nach Spanien zu erwägen. Die Winterstürme im Nordatlantik waren häufig genug von mörderischer Härte.

      Der Wachgänger auf dem Achterdeck trat auf den Kapitän zu.

      „Alles in Ordnung, Señor Capitán“, meldete Antonio Rojas. „Wir halten unverändert Kurs.“

      Die anderen Schiffe ebenfalls, wie sich Chinchilla mit einem schnellen Rundblick überzeugte. Nicht weit voraus tanzte die Hecklaterne der „Honestidad“ auf und ab, und vor ihr das Licht der „Reputacion“. Vorlich an Steuerbord, etwa um zehn Winkelgrade versetzt, das mußte die Schebecke sein.

      Der Anblick des Mittelmeerdreimasters weckte in Alvaro Chinchilla stets die Vorstellung von Piraten, weil er vor Jahren von einer Horde algerischer Schnapphähne bedrängt worden war, die ihm mit einer Schebecke schwer zugesetzt hatten. Was nicht hieß, daß er Don de Vilches und seine Männer mit Piraten gleichzusetzen gedachte. Das keinesfalls.

      Er verstand nur nicht, warum die Gold- und Silberladungen ausgerechnet nach Irland gehen sollten. Das hatte es noch nie gegeben, und dahinter steckte mit Sicherheit ein abgekartetes, hinterhältiges Spiel. Legten gewisse Adelskreise es darauf an, den König schon nach wenigen Wochen wieder zu stürzen? Oder ging es schlicht um Reichtum, Macht und Einflußnahme?

      „Bist du mit dem Kurs nach Irland einverstanden, Rojas?“ murmelte er gedankenverloren.

      Der Wachgänger blickte ihn verdutzt an und schluckte ein paarmal, zog es aber vor, zu schweigen.

      „Du darfst deine Meinung ehrlich sagen“, betonte der Kapitän. „Sie interessiert mich sogar.“

      „Sie werden wenig erbaut davon sein, Capitán.“

      „Zerbrich dir nicht meinen Kopf, Rojas. Also heraus mit der Sprache!“

      Antonio Rojas führ sich mit der Hand über den Mund. Dann gab er sich einen merklichen Ruck.

      „Etliche Männer murren“, sagte er. „Sie wollen nicht nach Irland, fürchten Piraten und vor allem die Engländer. Wir sind zu schlecht armiert, meinen sie, und selbst die Begleitschiffe sind zu schwach, um uns im Ernstfall zu schützen.“

      „Ist das alles?“

      „Ich habe gesagt, was ich weiß, Capitán. Verlangen Sie nicht, daß ich Namen preisgebe.“

      „Ach, Unsinn“, sagte Chinchilla schroff. „Warum sind die Männer unzufrieden? Fürchten sie wirklich nur die Engländer?“

      Endlich verstand Rojas, auf was der Kapitän abzielte. Ein flüchtiges, hoffnungsvolles Aufblitzen zeigte sich in seinen Augen.

      „Vordergründig, ja“, erwiderte er. „Niemand stirbt gern, ohne zu wissen, für was. Aber da ist auch noch die Frage, ob wir Spanien wirklich den Rücken wenden müssen. Das versteht niemand. Die Schätze wurden immer nur ins Mutterland verschifft.“

      „Und du?“ fragte Alvaro Chinchilla. „Liegt dir daran, nach Irland zu segeln?“

      Rojas schüttelte den Kopf.

      „Ich will deine Antwort hören!“ forderte der Kapitän.

      „Wenn es nach mir ginge, würde ich sofort Gegenkurs einschlagen“, sagte Rojas. „Gut die Hälfte der Mannschaft denkt so.“

      „Na also.“ Chinchilla fischte sein Spektiv aus dem Gürtel, zog es auseinander und blickte suchend vorlich nach Steuerbord. Sofort fand er die eine Laterne, an der ihm gelegen war.

      „Das ist die Schebecke. Sie paßt auf uns auf wie eine Glucke auf ihre Küken.“

      Verwirrt kaute Rojas auf seiner Unterlippe. Was den Kapitän bewegte, erschien ihm so ungeheuerlich, daß er sich selbst einen Narren schimpfte, Derartiges überhaupt in Erwägung zu ziehen.

      „Du segelst also lieber nach Spanien als nach Irland“, sagte Chinchilla in dem Moment. „Geh und wecke die Männer, die mit dir einer Meinung sind. Sie sollen an Deck erscheinen, aber jeden Lärm vermeiden.“

      Antonio Rojas hatte plötzlich das Gefühl, als ziehe ihm jemand die Planken unter den Füßen weg. Er begann verwirrt zu stammeln.

      „Was ist?“ fragte der Kapitän. „Willst du nicht in die Heimat zurück?“

      „Doch – aber …“

      Chinchilla lachte verhalten. „Was ist mit der Wache auf der Kuhl? Kann man dem Mann vertrauen?“

      „Jesús Cortès? Absolut. Er hat Frau und fünf Kinder zu Hause und wäre lieber heute als morgen in Bañeres.“ Rojas wunderte sich über sich selbst, wie leicht ihm die aufrührerischen Worte über die Lippen gingen.

      Aber wenn Alvaro Chinchilla befahl, wer wollte ihn daran hindern? Mit einemmal war er überzeugt davon, daß es keine günstigere Gelegenheit geben konnte als in dieser Nacht.

      Der Kapitän rief Jesús Cortès zu sich aufs Achterdeck. Der zur Fülle neigende, kleine Cortès zögerte nicht, als er aus Rojas’ Mund erfuhr, daß sie diese Nacht zur Flucht nutzen würden.

      „Ich bin dabei“, sagte er knapp, aber mit deutlicher Erleichterung in der Stimme. „Die Piraten hätten uns getötet.“

      „Welche Piraten?“

      „Die Iren, die uns auflauern. Sie werden uns in die Riffe treiben und die ‚Nuestra Señora de lagrimas‘ zu den Fischen schicken.“

      „Woher willst du das wissen?“

      „Ich hatte vorgestern und gestern einen Traum“, sagte Cortès bedeutungsvoll. „Und ich werde wohl auch heute wieder schweißnaß aufwachen.“

      Capitán Chinchilla lachte hart.

      „Du fürchtest deine eigenen Träume? Dabei sind sie nichts anderes als die Ängste des Tages, die du in den Schlaf mitnimmst. Weißt du, welche Riffe?“

      „An der Küste Irlands, wo sonst?“ Cortès zuckte mit den Schultern.

      „Du träumst nicht mehr davon“, versprach der Kapitän. „Geh und sorge dafür, daß die Hecklaterne langsam und flackernd erlischt. Für de Vilches und seine Leute soll es so aussehen, als hätten wir Schwierigkeiten mit dem Öl.“

      Jesús Cortès beeilte sich, den Befehl auszuführen, während Rojas unter Deck die halbe Mannschaft aus dem Schlaf purrte. Es gab große Augen und ungläubige Gesichter, als er mit knappen Worten erklärte, was Chinchilla plante.

      Nur wenige Männer zögerten. Es waren jene, die weder Familie noch Verwandte hatten, denen es letztlich egal sein konnte, welche Häfen ihr Schiff anlief. Sie hatten zwar vorher große Töne gespuckt und von Umkehr geredet, aber zwischen Wollen und Wirklich-Tun lag eben ein gewisser


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