Nebelmaschine. Elena Messner
komme, ist schon jeder gute Platz weg.
GUSTAV: Ah, bei uns ist kein guter Platz?
LINA: Er meint mich, nicht dich.
HANSI: Dabei sitzt man dann ohnehin noch zwölf Stunden. Wieso tut sie sich das an?
GUSTAV: Drei erfolgreiche Missionen in den letzten zwei Monaten, deswegen. Den Bonus kannst du dir ausrechnen. Sie kriegt bald ein eigenes Büro im siebzehnten Stock. Die Beste unter den Neuen. In Zagreb und Kiew hat sie drei Kreditinstituten an einem Tag fünf Anleihen angedreht. Schon heute eine Größe am internationalen Finanzparkett.
HANSI: Mit vierundzwanzig Jahren.
Die drei schauen sich nach Petra um. LINA pumpt weiter, die anderen beiden tippen dann wieder in ihre Laptops.
Tisch 20 und Tisch 12, an dem zwei Personen sitzen
PETRA (ins Telefon): Garantiert, sage ich, garantiert. Wir raten dringend zu einem Zusammensetzen, wirklich dringend. Wer? Mit dem auch, das kann ich gerne organisieren … Warten Sie kurz … (Sie nimmt ein anderes Telefon zur Hand, wählt. Am weit entfernten Tisch 12 hebt GERTSCHI ab): Gertschi, du, den Anlegeranwalt, der Kapschi, na weißt eh, Jörg Kapscher, den hast du drin in der Datenbank, oder?
GERTSCHI: Hab ich, was willst mit ihm?
PETRA: Kriegst du mir den dran, für ein Z’ammsetzen, morgen schon, ja, ein Sit-down mit denen aus Hamburg, hab die gerade dran, tust du mir das bestätigen … fein, rufst mich gleich z’rück, bitte jetzt noch die Sekunde, ja?
GERTSCHI: Schau ich dir gleich, ob der kann.
PETRA (greift wieder zum ersten Telefon): Ja? Sind Sie noch dran? … Sit-down mit Herrn Kapscher wird mir gleich bestätigt werden. Morgen ginge? … 16:00? Bei uns im Sky-Café, Dachgeschoss, Sie kennen sich aus?
GERTSCHI (telefoniert mit dem zweiten Telefon): Herr Kapscher? Schön, Sie dranzuhaben, danke … gut, gut, und Ihnen? Nur kurz: Morgen, hätten Sie Zeit? … Für ein Sitdown mit den Hamburgern? Ja? Das ist erfreulich. Warten Sie bitte kurz … (greift zum ersten Telefon)
PETRA (ins zweite Telefon): Gertschi, ja? … Bestätigt? Kann er, na superfein. Passt, sagst du’s ihm durch, morgen Sky-Café, 16:00. Die Hamburger kommen und wollen, dass er dabei ist.
GERTSCHI (ins zweite Telefon): Um vier Uhr geht bei Ihnen, Herr Kapscher? Danke, warten Sie mir bitte kurz … (ins erste Telefon): Passt ihm.
PETRA: Ist notiert. Aber weißt was, es ist nur ihr österreichischer Anlegeranwalt. Die bringen ihre eigenen Typen aus Hamburg mit, ist nur zur Sicherheit, denk ich, sagst ihm das, dass er versteht … und dass es nicht ungut wird morgen. Danke, Gertschi, ich bestätige ihm dann noch per Mail. (Legt auf, greift wieder zum ersten Telefon): Ja? Hallo? Sind Sie noch dran? Ja, wunderbar, wunderbar, ist alles bestätigt. 16:00, Sky-Café. Meine Nummern haben Sie? Ich maile Ihnen gleich noch die Bestätigung des Termins … Ja, an den Herrn Kapscher auch. Wir freuen uns, Sie bei uns begrüßen zu dürfen! Schön, schön, ja! Tschüss, tschüss, wiederschauen. (Sie legt auf, fängt an zu tippen).
Tisch 12, GERTSCHI mit seiner Kollegin RENATE, die Kollegin telefoniert ebenfalls, sonst hört sie Gertschi aufmerksam zu, reicht ihm ab und zu Blätter oder einen Kugelschreiber oder Wasser.
GERTSCHI (spricht noch immer in sein zweites Telefon): Wunderbar, dann morgen. Alles in Ordnung, die Kollegin Neuhaus schickt Ihnen gleich noch die Bestätigung des Termins. Sky-Café, bei uns im Dachgeschoss, kann man nicht verfehlen. Schönster Ausblick über die Stadt … Ja? In der Sache Rieger? Die Berichte sind schon raus, müssten Sie eigentlich gekriegt haben. Nein, das waren ausschließlich Fremdwährungskredite. Bleiben unbetroffen von der Entscheidung der Schweizer Notenbank. … Sollte kein Problem sein. Nein.
RENATE (ins Telefon): Welche Risikoposition für die Bank hast du errechnet? Gesamtvolumen der Investitionen und Risiken? … Und das Eigenkapital?
GERTSCHI (ins Telefon): Nein, hat er nicht. Ist im Bericht vermerkt, extra. Haben Sie den nicht gekriegt? Schicke ich nach, schicke ich sofort nach. Sofort, versprochen. Das betrifft ja die Wending-Sache und die Regio Real Bank auch. … Genau. Wegen der Wending-Sache. Ja, betrifft das auch. Soll ich nachschauen? Sofort? Sofort … (klickt, öffnet eine Datei am Laptop, RENATE reicht ihm rasch ein paar Blätter) Die Regio Real International, 13 Fremdwährungsanleihen mit einem Volumen von geschätzt 1,9 Milliarden. Das meiste in Schweizer Franken. Na, warten Sie, da ist auch was in Yen und US-Dollar. Aber ja, stimmt, hauptsächlich Franken. Die Schweiz, wegen der Grenznähe.
RENATE (ins Telefon): Würdest du das Zinsänderungsrisiko extra nennen?
GERTSCHI: Die Wending-Sache wird sich ausgehen, die Regio Real ist noch immer sauber aus allem raus. Wurde nicht als Spekulation kategorisiert in unserem Bericht, nein, nein, bitte machen Sie sich keine Sorgen, das war nur ein einziger Artikel gestern in der Zeitung, ich weiß, den habe ich auch gesehen, habe ihn aber nicht fertiggelesen.
RENATE (ins Telefon): Wechselkursrisiko ist minimal, klar, habe ich auch so drin, Schweizer Franken stabil, das erwähne ich, wirkt stabilisierend. Man tauscht die Zahlungen in unterschiedlichen Währungen aus, um wieder zurückzutauschen am Ende, unbedingt risikolos.
GERTSCHI (ins Telefon): Nein, ein absolut naiver Artikel und absolut naive Zeitung, das »Kritische Wirtschaftsforum«. Die Wending-Sache, na, die Regio-Real-Sache überhaupt, alles bestens abgesichert.
RENATE: Aber was kommt bei dir da als Maximalbelastung raus?
GERTSCHI: Nanana, da braucht man, steht im Bericht, sich nicht davor fürchten, dass was passiert. Die Garantien bei der Regio International und bei den Regio Reals, tadellos, garantiert, garantiert, Landeshaftungen. Nein, keine Angst, Russland ist weg vom Fenster, dazu raten wir gerade niemandem mehr. Aber sonst in Südosteuropa, alles easy-peasy.
RENATE: Danke, dann stimmt das überein. Ich übernehme die Maximalbelastung von dir, passt? Ja, schick ich dir dann zur Überprüfung. (legt auf, hört GERTSCHI zu)
GERTSCHI: Ja? Passt das? Schicke ich Ihnen also den Bericht, den Sie eigentlich schon haben sollten. Verstehe ich nicht, weshalb der noch nicht bei Ihnen angelangt ist. Und morgen ist fixiert, 16:00, Sky-Café. Danke, danke, selbst auch, auf Wiederschauen. (legt das Handy ab)
RENATE: Hab ihm den Regio-Bericht gestern geschickt. Er müsste ihn längst haben.
GERTSCHI: Er sagt, er hat ihn nicht erhalten.
RENATE: Vielleicht besser so. (tippt weiter) Ich habe den Bericht noch einmal direkt an ihn nachgeschickt, während du telefoniert hast.
II.
Die meisten aus der Gruppe werden sich noch daran erinnern, dass ich bereits am folgenden Tag wieder bei ihnen vorbeischaute, und sie werden sich auch daran erinnern, dass an diesem Tag die Wochenendausgabe der Regionalzeitung voll war mit Artikeln über sie. Es hatte sich in der Stadt herumgesprochen, was das »Theater auf Lager« war, was es sollte und versprach, wogegen es antrat, wie es zustande gekommen war. Es hatte sich zudem einiges andere herumgesprochen. In der Provinz sammeln sich Gerüchte und Falschinformationen, Verschwörungen und Geheimnisse rasch an, es wird enthüllt, wo es nichts zu enthüllen gibt, aufgedeckt, wo bereits aufgedeckt wurde, und zum Skandal erklärt, was keiner ist. Die Berichterstattung über das, was bei uns unter der Rubrik Kulturelles läuft, bleibt davon nicht verschont, und so wurde das neue Theaterensemble, dem von seiner Gründung an etwas Umstrittenes, Undurchsichtiges anhaftete, gerne besprochen. Außerdem war Magdas Solidaritätsbrief nicht der einzige, der erschienen war. Die intellektuelle Öffentlichkeit gab sich partnerschaftlich, es gab eine Welle an Unterstützung (in Worten, nicht in Taten oder Geld).
Als ich in der Lagerhalle ankam und die gleiche Anzahl der Biere, die ich am Vortag getrunken hatte, in den Kühlschrank stellte, wurde ich freundschaftlich begrüßt und von mehreren dazu