Stehaufmenschen. Brigitte Gogl

Stehaufmenschen - Brigitte Gogl


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Die Kinder müssen schon früh am Hof mithelfen, am Feld das Heu einbringen, beim Dachdecken Handlanger sein, kleine Reparaturen bewerkstelligen. Jeder hat seine Aufgabe.

      Diese Ordnung wird zum ersten Mal jäh durchbrochen, als ein Bruder von Adi tödlich verunglückt, von einem Moment auf den anderen ist er nicht mehr da. Die Erinnerung an den Tod des Vaters kommt bei allen wieder hoch, die ganze Schar steht fassungslos am offenen Grab. Und eine Schwester, Maria, sagt: „Hermann, ich komm auch nach.“ Adi kann nicht glauben, was er hört, auch wenn ihm klar ist, dass irgendwann jeder da unten liegen wird. Nur Wochen später wird er diesen Satz von Maria als Vorahnung werten. Denn die Schwester wird von der Feldarbeit nicht mehr lebend zurückkommen – sie wird von einem Blitz getroffen und ist auf der Stelle tot.

      „Meine Mutter hat immer gesagt, man muss nicht verzweifeln, es kommt eine Hilfe von oben, es gibt eine höhere Gewalt, tuts nie aufgeben und glaubts daran, das Leben muss weitergehen, auch wenn es noch so tragisch ist“, erzählt Adi Spanninger. Er hat damals die Elektrikerlehre längst abgeschlossen und ist zum Arbeiten ins Ausland gegangen. „Natürlich hatten wir damals auch Träume. Und die Schweiz war gerade in der Nachkriegszeit ein Paradies, da gab es gut bezahlte Arbeit für alle, die etwas leisten wollten.“

      Viele sind nach ein paar Jahren mit einer schönen Summe ersparten Geldes aus der Schweiz in die Heimat zurückgekommen. Doch Adi verschlägt es woanders hin. Als der Zug einmal beim Heimfahren mit einem Defekt in Tirol hängenbleibt, bleibt auch Adi hängen – für immer. Er sieht, dass für ein riesiges Kraftwerksprojekt Mitarbeiter gesucht werden, und so arbeitet er künftig im Kaunertal und lernt hier auch seine spätere Frau kennen.

      „Ich bin ins Gasthaus ihrer Eltern gekommen, wo sie gearbeitet hat, und es war wirklich Liebe auf den ersten Blick“, erzählt Adi Spanninger mit einem Lächeln. „Meine Mutter war zwar traurig, dass ich nicht mehr in die alte Heimat zurückkehre, aber meinem Glück wollte sie auch nicht im Wege stehen.“ Adi und seine Lydia heiraten und gründen eine Familie, Sohn Günther und Tochter Manuela kommen zur Welt.

      „Wir hatten ein anstrengendes Leben. Der Hausbau, meine Arbeit als Werkmeister auf Großbaustellen in ganz Österreich, meine Frau hat inzwischen zu Hause die ganze Familie und die Zimmervermietung geschupft“, erzählt Adi Spanninger, „aber wir waren immer sehr glücklich und auch stolz darauf, was wir geschaffen hatten und wie gut sich die beiden Kinder entwickelten. Beide hatten dann gute Berufe, Günther hat sogar in einem internationalen Konzern Karriere gemacht und uns drei Enkel geschenkt.“

      Gleich zu Beginn seiner Pension renoviert Adi Spanninger eine alte, baufällige Kapelle nahe seines Wohnhauses. Es ist eine Dankbarkeitskapelle, in der man zum heiligen Martin betet, ihm dankt für alles, was gut gelaufen ist im Leben. Unzählige Arbeitsstunden hat Adi investiert und das Kleinod aus dem 17. Jahrhundert von Grund auf saniert. „Der heilige Martin ist mir wichtig, hier bin ich oft gesessen und hab danke gesagt, wenn ich wieder gesund heimgekommen bin oder wenn in der Familie alles gut war, ich weiß ja von früher, dass das alles nicht selbstverständlich ist.“

      Dann kommt der Tag, der Adi Spanninger vor die härteste Prüfung seines Lebens stellen sollte.

      Sohn Günther, mittlerweile 46 Jahre alt und wie er selbst ein begeisterter Wanderer, ist am Berg unterwegs, um für ein kirchliches Jubiläum ein Bergfeuer zu entzünden. Es zieht ein Gewitter auf und ist fast schon wieder weitergezogen, da geschieht das Unfassbare: Günther wird – wie einst Adis Schwester – von einem Blitz getroffen.

      Seine Stimme wird fast tonlos, wenn Adi davon erzählt, wie er den Hubschrauber kreisen sah da oben, wie die Schwiegertochter angerufen und gesagt hat, der Günther sei am Berg und sie könne ihn nicht erreichen, und wie schließlich die Notärztin zu Adi gesagt hat, der Blitz sei vom Nacken durch den ganzen Körper gefahren. Sein Günther war auf der Stelle tot, er hat nichts mehr gespürt. „Und ich musste dann nach Hause gehen und meiner Frau klarmachen, was mit unserem Sohn passiert ist, es war einfach schrecklich.“

      Acht Jahre ist das Unglück jetzt her, welches das ganze Tal erschüttert hat. Doch Adi und Lydia sind ihrem Sohn immer noch so nahe, als wäre er noch unter ihnen: „Wenn ich irgendetwas Elektrisches arbeite und nicht mehr weiterkomme, dann frag ich ihn, und der Günther hilft immer.“

      Fast erinnert es ein wenig daran, wie Adi sonst die Heiligen anruft, die er alle sehr verehrt, die heilige Barbara, den heiligen Martin, den heiligen Antonius, die Muttergottes von Kaltenbrunn.

      „Da oben ist es passiert, da auf diesem Bergrücken“, sagt Adi und zeigt hinauf. „Ein Blitz, fast wie aus heiterem Himmel.“ Von ihrer Küche aus sehen Adi und Lydia hinauf zu der Stelle, an der ihr Sohn sein Leben lassen musste – und sie schauen oft hinauf, jeden Tag, wenn der Schnee fällt, wenn die Sonne scheint und wenn es im Frühling wieder grün wird. „Ich war sicher schon hundert Mal oben und hab bei seinem Marterl eine Kerze angezündet. Solange ich gehen kann, werde ich das tun. Es tut mir gut, dort zu sein, wo er den letzten Atemzug getan hat“, sagt Adi Spanninger, der von vielen Menschen immer wieder dieselbe Frage gestellt bekommt: Wie es das gibt, dass er immer noch an den lieben, guten Gott glauben kann, bei all dem Leid, das über seine Familie gekommen ist. „Man fragt sich schon, ja hilft uns der Herrgott denn überhaupt nicht mehr, aber wenn ich denke, was ich selbst in meinem Leben für Glück gehabt habe im Untertagebau, da hätte jeden Tag etwas sein können. Oder wenn ich denke, was der Günther davor schon Glück gehabt hat, dass er nicht schon lange davor gestorben ist, das darf man alles nicht vergessen.“

      Auch wenn Günther schon Jahre tot ist – vergessen wird er nie sein. Gerade wurde sein Enkelkind geboren, der Urenkel von Lydia und Adi – und die beiden sind sich sicher: Auch da hat der Herrgott tatkräftig mitgewirkt.

      Von seinem Vater Adi hat Günther Spanninger (1/ 2) die Liebe zu den Bergen übernommen, und in den Bergen wurde er durch einen Blitzschlag getötet. In der Pension hat Adi Spanninger eine Kapelle aus dem 17. Jahrhundert renoviert (3). Kraft geben ihm Spaziergänge mit seiner Frau Lydia (4).

       Fotocredit: 4 TVB Tiroler Oberland-Kaunertal, Foto Martin Lugger

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