Leo - Wismeldas Rache. Eva Haring-Kappel

Leo - Wismeldas Rache - Eva Haring-Kappel


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Georg.

      „Vier, wenn’s hoch hergeht, die Mädchen zählen nicht“, erwiderte Franz, Jo nickte bestätigend und tippte auf seinem Mobiltelefon herum.

      Wendel, Benni und ich kramten schon in unseren Taschen nach etwas Geld, das wir diesen Räubern geben wollten, nur um unsere Ruhe zu haben und hier wegzukommen. Nicht so Georg, er pflegte wieder einmal die Tradition der geschliffenen Rede.

      „Vom Standpunkt der Logik ist euer Vorhaben von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Anna und Leo nicht in eure fragwürdige Berechnung mit einzubeziehen, weil sie Mädchen sind, ist nicht nur menschlich ein Fehler, sondern auch strategisch.“

      „Hä? Was soll die Klugscheißerei? Du hörst dich selbst so gerne reden, Georg, weißt du, das nervt ungeheuer! Lassen wir doch stattdessen unsere Fäuste sprechen, das ist viel mehr nach meinem Geschmack.“ Mit diesen Worten machte Franz einige schnelle Schritte nach vorne, holte mit der Rechten aus und traf ... ins Leere, denn Georg war geschickt ausgewichen.

      Franz ließ sich jedoch nicht verdrießen und holte erneut aus, diesmal war Georg nicht schnell genug, der Schlag traf ihn seitlich, oberhalb der Magengrube. Er keuchte erschrocken auf, um sich anschließend vor Schmerz zusammenzukrümmen. Wir anderen waren bis jetzt starr vor Schreck dumm herumgestanden und hatten uns nicht gerührt, aber nun kam Bewegung in unsere Beine, die scheinbar ein Eigenleben entwickelt hatten, und Benni, Wendel und ich rannten los. Wir dachten in diesem Augenblick nicht daran, wie feige das war, wie unfair und wie blöd. Es war einfach der Fluchtinstinkt, der uns loslaufen ließ. Erst als Prinz Edmund hinter der Friedhofsmauer hervortrottete und uns, wie ich fand, sehr vorwurfsvoll anblickte, wurde mir und meinen beiden Freunden bewusst, was zu tun wir da gerade im Begriff waren.

      Peinlich berührt blieben wir stehen. Der riesige schwarze Hund kam auf mich zu, hob seinen dicken, schweren Kopf und schnaubte in mein Ohr. Ich könnte schwören, es klang wie: „Schäm dich!“

      Wir machten auf dem Absatz kehrt und kamen keine Minute zu früh zurück. Der Kampf war in der Zwischenzeit weitergegangen, Georg lag am Boden, hielt sich den Bauch und heulte, Jo hielt Anna fest, indem er ihre Arme auf dem Rücken fixierte, und Leo und Franz führten ... ja, was war das eigentlich, was die beiden da aufführten? Es sah aus wie ein Volkstanz. Franz stellte das rechte Bein vor, Leo das linke, dann holte Franz aus und Leo duckte sich. Franz stellte das linke Bein vor und holte aus, Leo schob ihr rechtes Bein nach vorn und duckte sich von Neuem. Und so umtänzelten sich die beiden, ohne dass Franz einen Schlag landen konnte. Deshalb war er ziemlich wütend.

      Leo hingegen lachte fröhlich und rief: „Fang mich doch, wenn du kannst, aber dafür musst du anscheinend noch üben.“

      Anna fauchte Jo an: „Aua, du tust mir weh, lass mich los, damit ich dir eine scheuern kann!“ Aber ihr Aufpasser lachte nur und rührte sich nicht.

      Sie alle waren dermaßen abgelenkt, dass niemand uns kommen sah. Ich lief zu Georg und half ihm auf, Wendel und Benni packten Jo, sodass er Anna loslassen musste, die sich sofort lautstark beschwerte.

      „Na, das wurde aber auch Zeit! Ihr rennt einfach weg, hallo, geht’s noch?“

      Aber das Beste war, dass Franz, der immer noch verbissen versuchte, Leo zu verprügeln, zur Salzsäule erstarrte, als Prinz Edmund auf ihn zukam. Es gibt Menschen, die hatten noch nie ein Haustier oder sie mögen einfach keine Tiere. Sie haben Angst vor Hunden, Katzen, Pferden, Mäusen, Vögeln, allem, was läuft, fliegt, bellt, miaut und knurrt. Franz war offenbar so jemand. Er kannte Prinz Edmund nicht, hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen und ich muss zugeben, wenn man nicht weiß, wie lieb er ist, kommt er ganz schön Furcht einflößend rüber.

      Die große schwarze Dogge stand einfach nur da und schaute Franz an, ruhig und lange, seine Lefzen zitterten möglicherweise ein bisschen, vielleicht sah man seine großen, spitzen Reißzähne für einen kurzen Moment, vielleicht knurrte er ein wenig, was es auch war, es ging unheimlich schnell und zeigte Wirkung.

      Franz und Jo gaben Fersengeld. Sie sprinteten den Kirchhang hinunter, über die Fußballwiese auf den Wald zu und hinter ihnen lief langsam und majestätisch Prinz Edmund. Es war ein wunderbarer Anblick.

      ***

      Gwendolyn saß am Ufer des Baches und hielt ihre Hand ins Wasser. Ein Fisch schwamm neugierig heran, und erst als die Elfe ihre Finger bewegte, tauchte er ab und versteckte sich unter einem Stein.

      Rainer, der kleine Fuchs und Gwendolyns bester Freund, saß neben ihr und beobachtete die Szene. Eigentlich hatte er nach diesem Manöver des Fisches mit dem hellen Lachen seiner Freundin gerechnet, aber die Elfe schwieg und blickte ernst und gedankenverloren ins Wasser, so als hätte sie den Fisch gar nicht bemerkt. Zart stupste der Fuchs sie mit seiner Nase an. Als darauf keine Reaktion erfolgte, versuchte er es ein zweites Mal, nun ein wenig fester. Auch das schien Gwendolyn nicht zu bemerken. Rainer nahm einen kleinen Anlauf, und gerade als er zum Sprung ansetzte, erhob sich das Elfenmädchen. Der Fuchs konnte nicht mehr bremsen und landete mit einem lauten Platsch im Wasser. Prustend, spuckend und völlig durchnässt krabbelte er zurück ans Ufer.

      „Was ist denn mit dir los, Rainer? Ist es für ein Bad nicht ein wenig kühl?“, fragte Gwendolyn mit leiser, trauriger Stimme.

      Rainer seufzte. „Ja, meine Liebe, ein Bad war eigentlich auch nicht geplant. Ich wollte dich lediglich aus deinen düsteren Gedanken holen.“

      „Ach, Rainer, du bist lieb, aber du kannst mir nicht helfen. Geh nach Hause, ich muss nachdenken, dabei brauche ich meine Ruhe.“

      *

      3. Kapitel

      Das war also der Start ins Schuljahr mit meinen Freunden und mit Leo.

      Nach der kleinen Jagd mit Prinz Edmund über Wald und Wiese waren Franz und Jo übrigens eine Zeit lang ziemlich zahm. Wie lange jener Ausflug gedauert hat, haben wir leider nie erfahren, aber Leo meinte, ihr Prinz sei ein sehr ausdauernder Läufer.

      Leider hatte dieses Abenteuer auch eine Schattenseite. Bei Franz war eine große Wut auf diesen grässlichen schwarzen Köter, wie er Prinz Edmund nannte, entstanden. Sein Herz sann auf Rache und das Gefühl, in der Öffentlichkeit gedemütigt worden zu sein, konnte er nicht ertragen. So wuchs die Blume des Hasses langsam und stetig in seiner Seele und wurde größer und größer. Prinz Edmund aber, der wie wir davon nichts ahnte, begleitete uns arglos jeden Tag bis vor das Schultor und wartete dort, bis der Unterricht aus war, um dann neben uns her nach Hause zu trotten. Das war für mich eine große Erleichterung, denn wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, bin ich nicht besonders mutig. In Prinz Edmunds Begleitung fühlte ich mich viel sicherer und war froh, Ruhe vor den bösen Jungs zu haben.

      Als der Schulalltag dann so richtig eingekehrt war und unsere Freundin Leo festgestellt hatte, dass es im Unterricht mitunter ziemlich langweilig sein konnte, ertappte ich sie immer öfter dabei, wie sie aus dem Fenster guckte, ihre großen dunkelgrünen Augen in die Ferne richtete und mit ihren Gedanken offenbar ganz woanders war. Anna hatte Leo eingebläut, nicht so vorlaut zu sein und sich nicht durch Bemerkungen über Dinge, die kein Mensch wissen konnte, zu verraten.

      Aber natürlich konnte Leo ganz oft ihren Mund nicht halten und es kam immer wieder zu sehr schrägen Situationen. Besonders im Geschichtsunterricht wartete sie mit interessanten Details aus dem Leben längst verstorbener Monarchen und Feldherren auf oder sie berichtete von Personen, die in keinem Geschichtsbuch standen, laut Leo aber irgendwann gelebt haben sollen zu Zeiten, als ihre Eltern oder Großeltern noch kleine Elfchen gewesen waren. Das regte unseren alten Geschichtslehrer ziemlich auf.

      Herr Weixelbaum, so heißt er, ist nicht wie Frau Kleinschuster davon überzeugt, dass in jedem Kind und überhaupt in jedem Menschen ein guter Kern steckt, mag er auch noch so verborgen sein. Vielmehr ist er ein Mann, der sich selbst sehr ernst nimmt und das auch von seinen Schülern erwartet. Leos Bemerkungen waren für ihn daher immer ein Angriff auf seine Kompetenz und auf


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