Geh nie alleine essen! - Neuauflage. Keith Ferrazzi
die einem sofort einfallen.
Ihr tatsächliches Netzwerk ist aber ein wuchernder Dschungel mit unendlich vielen vernachlässigten Plätzchen und Winkeln.
Ihr Verbindungspotenzial ist jetzt in diesem Augenblick weitaus größer, als Sie sich vorstellen können. Überall um Sie herum gibt es vielversprechende Gelegenheiten, Beziehungen zu Menschen, die Sie schon kennen, weiterzuentwickeln; diese kennen Menschen, die Sie nicht kennen, und die wiederum kennen noch mehr Menschen.
Sie können mehrere Dinge tun, um Ihr bereits existierendes Netzwerk zu nutzen. Sind Sie schon den Freunden und Bekannten Ihrer Eltern nachgegangen? Was ist mit Ihren Geschwistern? Mit Ihren Freunden vom College und von der Uni? Was ist mit der Kirche, dem Kegelklub, dem Fitnessstudio? Wie sieht es mit Ihrem Arzt, Ihrem Anwalt, Ihrem Immobilienmakler oder Ihrem Broker aus?
Unter Geschäftsleuten sagt man immer, die besten Kunden sind die jetzigen Kunden. Das heißt, die meisten erfolgreichen Geschäftsanbahnungen resultieren aus dem bereits erfolgten Umsatz. Die größten Erträge kommen nicht aus dem Neugeschäft; sie kommen zu dem etablierten Kundenstamm hinzu. Am einfachsten kommt man an Menschen heran, die zumindest am Rande zu Ihrem Netzwerk gehören.
Die größten Hürden beim Networking tauchen bei der Kaltakquise, beim Kennenlernen und bei allen Aktivitäten auf, die mit der Aktivierung Unbekannter zu tun haben. Aber der erste Schritt hat gar nichts mit Fremden zu tun; Sie sollten als Erstes mit Menschen Kontakt aufnehmen, die Sie schon kennen.
Konzentrieren Sie sich auf Ihr unmittelbares Netzwerk: Freunde von Freunden, Bekannte aus der Schulzeit, die Familie. Ich vermute, Sie haben noch nie Ihre Cousins und Cousinen, Ihre Brüder oder Schwäger gefragt, ob Sie jemanden kennen, mit dem sie Sie bekannt machen könnten, und die Ihnen beim Erreichen Ihrer Ziele helfen könnten.
Jedermann, von Ihrer Verwandtschaft bis hin zum Postboten, ist das Tor zu einer ganz neuen Gruppe von Menschen.
Gehen Sie also nicht erst dann auf andere zu, wenn Sie Ihren Job verloren haben oder auf sich alleine gestellt sind. Sie müssen eine Gemeinschaft von Kollegen und Freunden schaffen, bevor Sie sie brauchen. Die Menschen in Ihrer Umgebung helfen Ihnen mit größerer Wahrscheinlichkeit, wenn sie Sie schon kennen und Sie mögen. Fangen Sie jetzt an zu gärtnern. Sie werden es nicht glauben, welche Schätze Sie hinter Ihrem eigenen Haus finden können.
5
Das Genie der Kühnheit
„Ergreife den Augenblick! Was Du tun kannst oder glaubst zu können, fang nur an! Kühnheit hat Genie, Macht und Zauberkraft.“
– Johann Wolfgang von Goethe
Mein Vater Pete Ferrazzi war Amerikaner in der ersten Generation. Im Zweiten Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine gewesen und danach ein ungelernter Stahlarbeiter, dessen Welt aus harter Arbeit und niedrigem Lohn bestand. Er wollte, dass es mir, seinem Sohn, einmal besser geht. In meiner Jugend waren wir unzertrennlich (seine Freunde nannten mich „re-Pete“ [Wortspiel, gleichklingend mit „re-peat“ – „wiederholen/noch einmal“], weil er mich überallhin mitnahm). Er wusste, dass ich ein besseres Leben haben würde, wenn er für mich einen Weg aus der Arbeiterklasse finden würde, aus der wir stammten.
Aber mein Dad kannte die Ausgänge nicht. Er hatte nie ein College besucht. Von Country Clubs und Privatschulen hatte er keine Ahnung. Er kannte nur einen einzigen Mann, der die Macht haben könnte, mir zu helfen: seinen Boss. Genau genommen den Chef des Chefs des Chefs seines Chefs – Alex McKenna, den CEO von Kennametal, in dessen Fabrik mein Vater arbeitete.
Die beiden Männer waren sich nie begegnet. Aber Dad hatte einen klaren Blick dafür, wie die Welt funktioniert. Er hatte selbst von der Fabrikhalle aus die Beobachtung gemacht, dass Wagemut häufig das Einzige war, was zwei gleichermaßen begabte Menschen und ihre Berufsbezeichnungen voneinander unterschied. Also fragte er, ob er McKenna sprechen könne. McKenna war von dieser Anfrage derart verblüfft, dass er einen Termin ausmachte. Nach dem Gespräch war er bereit, mit mir zu sprechen – aber mehr nicht.
Es ergab sich, dass McKenna mich mochte – zum Teil wegen der Art, wie er auf mich aufmerksam gemacht wurde. Er gehörte dem Kuratorium einer privaten Grundschule in unserer Gegend namens Valley School of Ligonier an, wohin alle wohlhabenden Familien ihre Kinder hinschickten. Sie hatte den Ruf, eine der besten Schulen des Landes zu sein. Nachdem er ein paar Fäden gezogen hatte, verschaffte uns Mr. McKenna einen Termin bei Peter Messer, dem Rektor der Schule.
An dem Tag, an dem ich mich einem Stipendium an der Valley School einschrieb, wurde, betrat ich eine neue Welt, die mich auf einen ganz neuen Kurs brachte, und zwar genau wie mein Vater gehofft hatte. Ich bekam eine der besten Ausbildungen, die man in Amerika bekommen kann, erst an der Valley School, dann an der Kiski School, an der Yale University und schließlich an der HBS. Das wäre nie passiert, wenn sich mein Vater nicht gedacht hätte, dass Fragen nichts kostet.
Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, war diese Ausbildung das Wichtigste in meinem Leben. Außerdem hat die Lektion, die ich aus dem Handeln meines Vaters gelernt habe, alles beeinflusst, was ich seither getan habe.
Wenn es darum ging, die Bedürfnisse seiner Familie zu erfüllen, war meinem Vater einfach überhaupt nichts peinlich. Ich erinnere mich, dass wir einmal mit dem Auto nach Hause unterwegs waren und Dad im Sperrmüll vor einem Haus ein kaputtes Big-Wheel-Dreirad erspähte. Er hielt an, nahm es und klopfte an die Tür des Hauses, vor dem das weggeworfene Spielzeug darauf gewartet hatte, abgeholt zu werden.
„Ich habe in Ihrem Müll dieses Big Wheel gesehen“, sagte er zu der Besitzerin. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich es mitnehme? Ich glaube, ich kann es reparieren. Ich fände es wunderbar, wenn ich meinem Sohn so etwas schenken könnte.“
Was für ein Mut! Können Sie sich diesen stolzen Arbeiter vorstellen, wie er diese Frau anspricht und im Prinzip zugibt, so arm zu sein, dass er gern ihren Müll haben möchte?
Aber das ist ja noch nicht alles. Stellen Sie sich vor, wie sich diese Frau gefühlt hat, weil sie die Gelegenheit bekam, jemandem ein solches Geschenk zu machen. Das hat ihr auf jeden Fall den Tag versüßt.
„Selbstverständlich“, sagte sie überschwänglich. Sie erklärte, dass ihre Kinder schon groß waren und das Spielzeug seit Jahren nicht mehr benutzt worden war.
„Sie können gern auch noch das Fahrrad haben. Zum Wegwerfen war es mir einfach zu schade …“
Dann fuhren wir weiter. Ich hatte ein „neues“ Big Wheel, auf dem ich fahren konnte, und ein Fahrrad, in das ich hineinwachsen konnte. Sie hatte ein Lächeln und ein Herzklopfen, das nur Güte hervorbringt. Und Dad lehrte mich, dass Kühnheit etwas mit Genie und sogar mit Freundlichkeit zu tun hat.
Jedes Mal, wenn ich mir selbst Grenzen setze, was ich schaffen kann und was nicht, oder wenn sich Angst in mein Denken einschleicht, erinnere ich mich an das Big-Wheel-Dreirad. Ich erinnere mich selbst daran, dass Menschen mit geringer Risikotoleranz, deren Verhalten von Furcht geleitet wird, kaum einen Hang zum Erfolg haben.
Die Erinnerungen aus jener Zeit sind haften geblieben. Mein Vater brachte mir bei, dass das Schlimmste, was jemand sagen kann, höchsten ein „Nein“ ist. Wenn einem jemand nicht seine Zeit oder seine Hilfe gibt, ist das sein Pech.
Mir hat in meinem Leben nichts so viele Gelegenheiten gebracht wie die Bereitschaft, zu fragen, egal in welcher Situation. Als ich einmal als namenloser Besucher auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz in den Bus zum Hotel stieg, sah ich Phil Knight, den Gründer von Nike. Knight war für mich so etwas wie ein Rockstar, weil er so außerordentlich erfolgreich mit der Gründung und dem Aufbau von Nike war und weil er im Laufe der Zeit so viele Marketing-Innovationen eingeführt hatte. Ob ich nervös war? Darauf können Sie Gift nehmen. Aber ich ergriff die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, beim Schopf und machte mich auf den Weg zum Platz neben ihm. Später wurde er der erste Bluechip-Kunde von YaYa. Ich mache so etwas ständig, egal in welcher Situation.