Geh nie alleine essen! - Neuauflage. Keith Ferrazzi

Geh nie alleine essen! - Neuauflage - Keith Ferrazzi


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teilte der A.M.A. in einem Brief mit, sie brauche nicht mehr zu suchen. Nach zwei Wochen hatte sie immer noch keine Antwort.

      „So ging das einfach nicht“, regt sie sich auf. „Ich schrieb noch einen Brief, direkt an den Präsidenten, und sagte darin mehr oder weniger, er solle Taten folgen lassen oder den Mund halten.“

      Nach zwei Tagen rief sie der Verbandspräsident an und sagte ihr, sie hätten sie für einen Vortrag eingeplant. DeAnne wurde die erste Frau, die für die A.M.A. sprach.

      Sie hat sich die Lektion aus diesen schicksalhaften Ereignissen gemerkt: Das Erfolgsrezept ist ein Mischmasch aus Selbstsicherheit, sturer Hartnäckigkeit und Unverfrorenheit respektive Wagemut. DeAnne lernte, dass wagemutige Begegnungen das Fundament erfolgreicher Karrieren sind. In den vielen Jahren, in denen sie anderen Menschen beigebracht hat, ihre Ängste zu überwinden, hat sie ein bewährtes „Drehbuch“ zusammengestellt, das jeder benutzen kann, wenn er jemandem zum ersten Mal begegnet.

      Ich fand dieses Skript hilfreich. Ich glaube, dass es auch vielen Lesern helfen kann und stelle es Ihnen hier dankbar vor:

      1.Beschreiben Sie die Situation. „Legen Sie direkt los und sagen Sie, wie Sie die Sache bei Tageslicht betrachtet sehen, ohne dabei zu hetzen oder zu dramatisieren“, so Rosenberg. Sie machte der A.M.A. klar, dass es a) falsch war, keine weiblichen Redner zu haben, und dass es b) ein Schritt in die richtige Richtung wäre, sie zu engagieren. Es ist logisch, dass man zuerst wissen muss, wo man steht, bevor man überzeugend sprechen kann – das heißt, bevor man leidenschaftlich und auf der Basis persönlicher Erfahrung sprechen kann.

      2.Teilen Sie Ihre Gefühle mit. Wir spielen die Auswirkung von Emotionen in unseren alltäglichen Kontakten, insbesondere im Berufsleben, herunter. Man sagt uns, Verletzlichkeit sei schlecht und wir sollten unsere Gefühle sorgsam verbergen. Aber wenn wir uns daran gewöhnen, im Gespräch mit anderen zu sagen „Ich habe das Gefühl, dass …“, gewinnen unsere Begegnungen Tiefe und Ernsthaftigkeit. Mit Ihren Gefühlen zeigen Sie Ihren Zuhörern, dass Sie sie respektieren und sie Ihnen wichtig sind.

      3.Sagen Sie, was Sache ist. Dies ist der Moment der Wahrheit, in dem Sie mit voller Deutlichkeit sagen, was Sie wollen. Wenn Sie Ihren Hals riskieren, sollten Sie wenigstens wissen, wofür. Die Wahrheit ist der schnellste Weg zur Lösung, aber bleiben Sie realistisch. Ich wusste, dass Phil Knight von Nike auf ein fünfminütiges Gespräch in einem Bus in Davos hin nichts kaufen würde, aber ich sicherte mir seine E-Mail-Adresse und sagte ihm, dass ich wieder auf ihn zukommen würde. Und das tat ich dann auch.

      4.Formulieren Sie eine Frage mit offener Antwort. Wenn Sie eine Frage so formulieren, dass man sie nicht mit Ja oder Nein beantworten kann, wirkt sie weniger bedrohlich. Was halten Sie davon? Wie können wir dieses Problem lösen? Das Thema ist angesprochen, die Gefühle sind geäußert und die Wünsche formuliert. Mit einem offenen Vorschlag oder einer offenen Frage laden Sie den anderen dazu ein, mit Ihnen an einer Lösung zu arbeiten. Ich verlangte von Phil keinen bestimmten Termin, an dem wir miteinander essen gehen würden. Ich ließ diese Frage offen, um unsere erste Begegnung nicht mit Verpflichtungen unnötig zu belasten.

       6

       Die Networking-Nervensäge

       „Ehrgeiz kann kriechen oder fliegen.“

       – Edmund Burke

      Da steht ein Mann oder eine Frau, den Martini in der einen Hand, die Visitenkarten in der anderen, und die auswendig gelernte Werbemasche stets bei der Hand. Er oder sie ist ein Meister im Einschleimen und bei jeder Veranstaltung mit gehetztem Blick auf der Suche nach einem noch dickeren Fisch, den man an Land ziehen kann. Er oder sie ist der unaufrichtige, skrupellos ehrgeizige und jeden überschwänglich begrüßende Typ, der Sie nicht werden wollen.

      Vielen Menschen drängt sich bei dem Wort „Networking“ das Bild einer solchen Nervensäge auf. Aber meiner Meinung nach entgehen dieser Sorte von hyperaktiven Kontaktknüpfern und Visitenkartenzählern die Feinheiten des authentischen Kontakts. Ihre Masche funktioniert nicht, weil sie keine Ahnung haben, wie man bedeutsame Beziehungen knüpft.

      Ich musste das auf die harte Tour lernen.

      Wenn Sie mich als jungen Mann gekannt hätten, hätten Sie mich vielleicht nicht gemocht. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich mich selbst mochte. Ich beging alle klassischen Fehler der Jugend und der Unsicherheit. Es ging mir meistens um mich. Mir stand der unersättliche Ehrgeiz ins Gesicht geschrieben. Ich befreundete mich mit Höherstehenden und ignorierte meinesgleichen. Allzu oft zeigen die Menschen ihren Untergebenen ein bestimmtes Gesicht, ihrem Chef ein anderes und ihren Freunden wieder ein anderes.

      Als ich bei Deloitte für das Marketing verantwortlich wurde, waren mir plötzlich viele Leute unterstellt. Ich hatte Großes vor – Dinge, die in der Beraterszene auf dem Gebiet des Marketings noch nie gemacht worden waren. Und jetzt hatte ich endlich eine Mannschaft, mit der ich dies umsetzen konnte. Aber anstatt meine Mitarbeiter als Partner zu sehen, die ich umwerben musste, damit meine und ihre langfristigen Ziele erreicht wurden, sah ich sie als ausführende Organe für meine Aufgaben.

      Bedenkt man dazu noch meine relative Jugend (ich war 20 Jahre jünger als alle anderen Topmanager), wird einem klar, wieso der Widerstand meines Teams uns alle ausbremste. Aufgaben, die meiner Meinung nach innerhalb von Stunden hätten erledigt sein können, dauerten mehrere Tage. Ich wusste, dass ich etwas tun musste, und wandte mich deshalb an die Management-Trainerin Nancy Badore, die schon als Coach für hochrangige CEOs arbeitete, als es den Begriff „Coaching“ dafür noch gar nicht gab.

      Als wir uns zum ersten Mal in meinem Büro trafen, hatten wir kaum die ersten Höflichkeiten ausgetauscht, als ich mit der Frage herausplatzte: „Was muss ich tun, um eine gute Führungskraft zu werden?“

      Sie sah sich eine Weile wortlos in meinem Büro um. Als sie schließlich etwas sagte, traf es mich bis ins Mark: „Keith, sehen Sie sich einmal die ganzen Bilder an der Wand an. Sie reden davon, eine tolle Führungskraft zu werden, und in Ihrem ganzen Büro gibt es kein einziges Bild, auf dem Sie nicht zu sehen sind: Sie mit anderen berühmten Menschen, Sie an berühmten Orten, Sie als Gewinner von Preisen. Hier hängt kein einziges Bild von Ihrem Team oder irgendetwas, das auf die Leistungen Ihres Teams hindeutet oder das jemandem wie mir sagen würde, dass Ihnen diese Menschen so wichtig sind wie Sie selbst. Ist Ihnen klar, dass die Leistungen Ihres Teams und alles, was es Ihretwegen tut – nicht was es für Sie tut –, Sie als guten Leader ausweisen?“

      Diese Frage machte mich sprachlos. Sie hatte absolut recht. Hatte ich gezeigt, dass ich echtes Interesse an dem Leben hatte, das meine Mitarbeiter außerhalb der Arbeit führten? Warum hatte ich mich nicht bemüht, sie an der Führung zu beteiligen? Mit meinen Vorgesetzten hatte ich das vom ersten Tag an getan. Damals begriff ich, dass mein langfristiger Erfolg von allen Menschen in meiner Umgebung abhing; davon, dass ich genauso für sie arbeitete, wie sie für mich arbeiteten!

      Die Politiker haben das viel besser begriffen als die meisten Führungskräfte: Wir wählen diejenigen Menschen, die wir mögen und respektieren. Großartige Unternehmen werden von CEOs aufgebaut, die Zuneigung und Bewunderung erwecken. In der heutigen Welt erreichen die bösen Jungs als letzte das Ziel.

      Von dem befreundeten Buchautor Tim Sanders habe ich gelernt, dass das Zeitalter der Gemeinheiten im Geschäftsleben aus zwei Gründen vorüber ist. Erstens leben wir in einem neuen „Überfluss der geschäftlichen Wahlmöglichkeiten“, und zwar sowohl im Hinblick auf Produkte als auch im Hinblick auf berufliche Laufbahnen. Wahlmöglichkeiten sind für schwierige Kollegen und Vorgesetzte das Todesurteil. „In einer Zeit, in der mehr von uns mehr Möglichkeiten denn je haben, gibt es keinen Grund mehr, sich mit einem Produkt oder einer Dienstleistung abzufinden, die nicht halten, was sie versprechen, mit einem Unternehmen, das man nicht mag oder mit einem Chef, den man nicht respektiert“, schreibt Sanders. Der zweite Grund ist das, was er den „neuen Telegrafen“ nennt. „Ein übles Produkt, ein schädliches Unternehmen oder eine miese Person können die traurige Realität kaum noch verheimlichen. Die


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