Geh nie alleine essen! - Neuauflage. Keith Ferrazzi

Geh nie alleine essen! - Neuauflage - Keith Ferrazzi


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      Unterm Strich bedeutet dies, dass man Menschen, die man nicht mag, leichter entgehen kann als je zuvor. Wenn Ihnen die Interessen anderer nichts bedeuten, finden die Menschen das heute eher früher als später heraus. Unsere Kultur verlangt heutzutage mehr von uns. Sie verlangt, dass wir einander respektvoll behandeln. Sie verlangt, dass wir bei jeder Beziehung den gegenseitigen Nutzen beachten müssen.

      Wenn man auf ein Leben und auf eine Karriere zurückblickt, in deren Verlauf man anderen Menschen begegnet ist, will man ein Netz aus Freundschaften sehen, in das man sich fallen lassen kann – und nicht einen Scherbenhaufen gescheiterter Beziehungen. Hier nun ein paar Regeln, die ich aus eigener Erfahrung empfehlen kann und die verhindern, dass Sie jemals zur Networking-Nervensäge werden:

       1. Nicht schleimen

      Haben Sie etwas zu sagen und sagen Sie es mit Leidenschaft! Achten Sie darauf, dass Sie etwas zu bieten haben, wenn Sie etwas sagen, und bieten Sie es ernsthaft an. Die meisten Menschen überlegen sich nicht, dass es besser ist, mit weniger Menschen mehr Zeit zu verbringen; dass es besser ist, sich eine Stunde zusammenzusetzen und ein oder zwei bedeutsame Gespräche zu führen, als ständig nach etwas Besserem Ausschau zu halten und den Respekt der meisten Menschen zu verlieren, denen man begegnet. Ich bekomme dauernd E-Mails, in denen es heißt: „Lieber Keith, wie ich höre, sind Sie ein guter Networker. Ich auch. Treffen wir uns doch für eine Viertelstunde auf eine Tasse Kaffee.“ „Warum?“, frage ich mich da. Wieso in aller Welt erwarten die Menschen, dass ich auf eine solche Anfrage antworte? Sprechen sie mich emotional an? Sagen sie, dass sie mir helfen können? Haben sie irgendeine ansatzweise Gemeinsamkeit zwischen uns gesucht? Tut mir leid, aber Networking ist kein Geheimbund mit einem verklausulierten Händedruck, der schon von selbst einen Wert besitzt. Der Wert muss schon von uns kommen.

       2. Nehmen Sie Gerüchte nicht für bare Münze

      Selbstverständlich tut man sich mit Gerüchten leichter. Die meisten Menschen saugen solche Informationen begierig auf. Aber langfristig bringt das nichts. Irgendwann versiegen die Informationen, weil immer mehr Menschen begreifen, dass man Ihnen nicht trauen kann.

       3. Kommen Sie nicht mit leeren Händen zur Party

      Wer sind die Stars der heutigen digitalen Welt? Die Schreiber, Blogger und Online-Gurus, die am besten darin sind, einer Community von Gleichgesinnten Informationen zu bieten, kreativen Content, nützliche Links oder einfach nur Mitgefühl. Viele tun das kostenlos und werden dafür häufig durch eine treue Gefolgschaft von Menschen belohnt, die ihrerseits genauso viel geben wie sie nehmen. Das ist ein Kreislauf. Beim Connecting, egal ob online oder offline, ist man nur so gut wie das, was man hergibt.

       4. Behandeln Sie Personen, die unter Ihnen stehen, nicht schlecht

      Einige von ihnen werden früher oder später zu „Oberen“. In der Berufs- und Geschäftswelt ist die Nahrungskette vergänglich. Man muss die Menschen auf der Leiter über sich und unter sich respektvoll behandeln. Der legendäre Hollywood-Superagent Michael Ovitz galt als meisterhafter Networker. Vanity Fair brachte 2002 ein vernichtendes Porträt von ihm, in dem Dutzende anonymer und weniger anonymer Quellen ihn unter Beschuss nahmen – Ausdruck einer glänzenden Karriere, die irgendwie fürchterlich schiefgelaufen ist. Die Menschen fragten sich, was passiert war. Ovitz kann hervorragend mit Menschen umgehen, aber er hat seine Fähigkeiten nicht aufrichtig eingesetzt. Menschen, die er nicht mehr brauchte, behandelte er gleichgültig oder noch schlimmer. Ehemalige Freunde sagten, man konnte ihm nicht trauen und dass seine Beziehungen stets einseitig waren. Es überrascht nicht, dass sich diese Menschen seinen Fall nicht nur genossen, sondern wohl auch dazu beigetragen haben.

       5. Seien Sie transparent

      „Ich bin, wie ich bin“, sagte die Comicfigur Popeye immer. Im Informationszeitalter wird Offenheit – im Hinblick auf Ihre Absichten, auf die Informationen, die Sie bieten oder auf Ihre Bewunderung – zu einer zunehmend wertvollen und gesuchten Eigenschaft. Die Menschen reagieren mit Vertrauen, wenn sie wissen, dass Sie anständig mit ihnen umgehen. Wenn ich bei einer Veranstaltung jemandem begegne, den ich unbedingt einmal treffen wollte, verberge ich meine Begeisterung nicht. „Ich freue mich, dass ich Sie endlich einmal kennenlerne. Aus der Ferne bewundere ich Ihre Arbeit schon sehr lange und ich habe mir immer gedacht, wie schön es wäre, wenn wir uns einmal persönlich begegnen würden.“ Es mag angehen, dass man an der Bar den Schüchternen spielt, aber nicht, wenn man eine tiefere, bedeutsame Verbindung aufbauen will.

       6. Seien Sie nicht zu effizient

      Nichts wirkt unaufrichtiger als eine Massen-E-Mail mit einer langen Liste von Empfängern. Beim Kontakt zu anderen geht es nicht um Zahlen. Ziel ist es, echte Verbindungen zu Menschen aufzubauen, auf die man zählen kann.

      Es ist mir peinlich, wie ich diese Lektion gelernt habe. Ich hatte immer gehört, es sei eine gute Sache, Weihnachts- und Neujahrsgrüße zu versenden. Als ich das Studium in Yale abschloss, gewöhnte ich mir daher an, allen Menschen in meiner Kontaktdatenbank Weihnachtskarten zu schicken. Als ich bei Deloitte anfing, umfasste die Liste Tausende von Menschen und ich stellte eine Teilzeitkraft ein, die die Karten adressierte und sogar unterschrieb. Sie können sich wohl denken, was passierte. Die Sache erschien mir gut, bis ein Mitbewohner aus der Collegezeit spöttisch bemerkte, wie sehr er sich freue, dass er in diesem Jahr gleich drei Karten bekommen hatte … jede mit einer anderen Unterschrift. Es geht nicht um Masse, sondern um echte Verbindungen.

      Wenn Sie sich mit der Kontaktaufnahme keine Freunde machen, sollten Sie sich am besten damit abfinden, dass Sie es dann mit Menschen zu tun haben, denen es egal ist, was mit Ihnen passiert. Abneigung erstickt die Kontaktbemühungen, bevor man recht begonnen hat. Zuneigung hingegen kann zu der mächtigsten konstruktiven Kraft werden, mit der man geschäftliche Dinge erledigt.

       PORTRÄTS GROSSER „CONNECTORS“

       Katharine Graham (1917-2001)

       „Kultivieren Sie das Vertrauen in jeden.“

      Eine Tragödie machte Katharine Graham über Nacht von der Ehefrau zur Verlagsleiterin. Sie übernahm im Jahre 1963 nach dem Tode ihres Mannes Philip Graham die Washington Post. Ihre schüchterne, ruhige Art schien für die Anforderungen, die eine der bedeutendsten Zeitungen des Landes stellte, ungeeignet. Aber Mrs. Graham belehrte alle eines Besseren. Sie trug zum Aufbau einer der besten Zeitungen und eines der erfolgreichsten Unternehmen Amerikas bei. In ihrer Zeit veröffentlichte die Post die Pentagon-Papiere, konfrontierte Richard Nixon frontal mit Watergate und beherrschte die Washingtoner Politik- und Medienszene mit ihrem eigenen unnachahmlichen Stil.

      Dieser Stil ist Grahams dauerhaftestes Vermächtnis. Sie leitete die Post voller Mitgefühl, Freundlichkeit und Ernsthaftigkeit und wurde so zu einer mächtigen Figur. Grahams Einfluss verlieh ihr die Fähigkeit, andere Menschen – von den höchsten Rängen der Gesellschaft bis zu den niedrigsten – zu einem Gefühl der Würde und des Respekts zu befähigen.

      Richard Cohen, Redakteur der Washington Post, schrieb wenige Tage nach Grahams Beerdigung:

      „Vor ein paar Jahren kehrte ich an einem brütend heißen Julisonntag vom Strand nach Washington zurück und fuhr mit dem Taxi zu dem Parkplatz gegenüber der Washington Post, wo ich mein Auto abgestellt hatte. Auf dem Parkplatz der Post war ein Zelt aufgestellt worden. Der Anlass war ein Fest für die Menschen, deren Namen man nie erfährt – die nicht als Verfasser genannt werden, die nicht im Fernsehen auftreten, die Anzeigen annehmen oder die Zeitung ausliefern oder einfach das Gebäude reinigen. Ich sah, wie sich Katharine Graham in der Hitze in Richtung Party schleppte.


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