Recht für Pflegeberufe. Theo Kienzle
beginnt bereits ab dem 14. Lebensjahr2 und schließt sogar das Recht ein, die Therapie ganz zu verweigern.3
• Zusätzlich schützt bzw. verbietet das Selbstbestimmungsrecht aus der Menschenwürde sowohl die Sammlung von persönlichen Informationen und deren Weitergabe ohne Zustimmung des Betroffenen. Die Menschenwürde ist daher auch die verfassungsrechtliche Grundlage der Schweigepflicht (§ 203 StGB) und des Datenschutzes.
• Schließlich verpflichtet die Menschenwürde die Gesellschaft und insbesondere in Krankenhäusern, Heimen und Behinderteneinrichtungen tätige Personen, die Unterbringung psychisch kranker Menschen inklusive freiheitseinschränkender Maßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden bzw. Alternativen zu prüfen.4 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erst kürzlich betont, dass insbesondere 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen einen schweren Eingriff in die Menschenwürde darstellen.5
Ein weiteres Grundrecht schützt das Selbstbestimmungsrecht, nämlich
Art. 2 Abs. 1 GG – Persönlichkeits- und Freiheitsrecht
Jeder Mensch hat nach Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, seinen Lebensbereich selbst nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten, soweit er dadurch nicht andere in ihren Rechten verletzt:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Dieser Artikel garantiert das Recht auf Selbstbestimmung, auch des kranken, behinderten und alten Menschen in einer Einrichtung oder dem Krankenhaus. Zusammen mit der Menschenwürde schützt das Persönlichkeitsrecht das Recht jedes Patienten oder Heimbewohners,
• selbst über seine Therapie und Pflege zu bestimmen,
• über die Verwendung seiner persönlichen Informationen und Daten zu entscheiden sowie
• die Anwendung von FEM nur sofern unbedingt erforderlich.
• Das Persönlichkeitsrecht ist auch ein Freiheitsrecht.
Art. 2 Abs. 2 GG – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
Ergänzt wird das Persönlichkeits- bzw. Freiheitsrecht durch den Absatz 2, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG):
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. […]
Diese Rechtsgüter werden besonders geschützt, Einschränkungen sind nur aufgrund von Gesetzen und eines Richterspruchs möglich, dies allerdings nur in engen Grenzen. Aus diesem Grund muss für die Zwangsbehandlung eine gesetzliche Grundlage bestehen.6
Gerade die Verpflichtung der Pflegekräfte, Menschenrechte, Ethikkodizes sowie religiöse, kulturelle, ethnische und andere Gewohnheiten von zu pflegenden Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen zu beachten, macht es in der Praxis besonders wichtig, die Grundrechte stets als Grundlage der Tätigkeit zu respektieren.
1.2 Weitere Rechtsgrundlagen
Das Selbstbestimmungsrecht bzw. die sich daraus ergebenden Patientenrechte sind inzwischen auch in mehreren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Als kurzer Überblick sind als »vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag« (§ 630a BGB) zu nennen:
• die Pflicht zur Aufklärung (§ 630c Abs. 2 und § 630e BGB),
• die Notwendigkeit der Einwilligung durch den Patienten (§ 630d BGB),
• die Verpflichtung zur Dokumentation (§ 630f BGB),
• das Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Krankenakte (§ 630g BGB) und
• die Beweislast7 des Patienten und des »Behandlers« (§ 630h BGB)
Mit diesen Vorschriften wurde durch das Patientenrechtgesetz das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt und dabei die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte gesetzlich verankert.8
Weitere Vorschriften zum Selbstbestimmungsrecht der Patienten finden sich im ICN-Ethikkodex für Pflegende9 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
1.3 Einschränkung Selbstbestimmungsrecht
Fraglich ist, wie in der Praxis mit Patienten oder Heimbewohnern umgegangen wird, deren Selbstbestimmungsrecht aufgrund des Alters oder psychischer Erkrankungen oder geistiger Behinderung eingeschränkt ist.
Mit dem Selbstbestimmungsrecht ist die Einwilligungsfähigkeit verknüpft. Jedoch kann nur derjenige, der gewissermaßen im »Vollbesitz seiner geistigen Kräfte« ist, sinnvoll über sich selbst bzw. medizinische und pflegerische Maßnahmen bestimmen. Dazu sind drei Gruppen von Menschen zu unterscheiden:
• Trotz noch nicht vorhandener Geschäftsfähigkeit liegt in der Regel bereits ab dem 14. Lebensjahr die notwendige Einsichts- bzw. Einwilligungsfähigkeit vor, d. h. der jeweilige Jugendliche kann selbst, unter Umständen mithilfe des Familiengerichts, in medizinische Maßnahmen auch gegen den Willen der Eltern einwilligen oder diese verweigern. Bei medizinischen Maßnahmen können daher die Eltern ab dem 14. Lebensjahr nicht mehr allein »über den Kopf des Kindes/Jugendlichen hinweg« entscheiden. Davon zu unterscheiden sind allerdings nicht notwendige Eingriffe, wie Piercing, Tätowierung und Schönheitsoperationen. Hier entscheiden die Eltern mit.
• Bei Kindern vor der Vollendung des 14. Lebensjahres wird das Selbstbestimmungsrecht im Normalfall von den Eltern ausgeübt, d. h. diese entscheiden für das Kind. Entscheiden Eltern allerdings gegen medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme, unter Umständen dabei den Tod des Kindes in Kauf nehmend, verstößt die Ablehnung eindeutig gegen das Wohl des Kindes. Das Familiengericht kann deshalb das Sorgerecht (teilweise) entziehen und durch einen Vormund die Einwilligung in die medizinische Maßnahme, anstelle der Eltern, erteilen lassen.10
• Bei psychisch kranken oder geistig behinderten Menschen kann trotzdem noch eine (wirksame) Einwilligung erteilen werden, wenn noch die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit vorhanden ist. Er oder sie hat die notwendige Einwilligungsfähigkeit, sofern die beabsichtigten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen in groben Zügen, d. h. hinsichtlich der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, erfasst werden können.11 Die Geschäftsfähigkeit ist dazu nicht erforderlich. Für die Einwilligungsfähigkeit sind daher geringere geistige Fähigkeiten als für die Geschäftsfähigkeit notwendig.
• Liegt jedoch nicht einmal die natürliche Einsichtsfähigkeit vor, muss ein