Ihr Kampf. Eva Kienholz
Bankverbindung über mehrere Monate auf der Website des Flügels als Spendenkonto angegeben. Die Gründe dafür kenne er nicht, ließ Pasemann mitteilen.
Und raus bist du
Die wachsende Radikalisierung der AfD durch den Flügel sorgte mitunter auch für Aussteiger aus der Partei. Verena Hartmann etwa, die im Januar 2020 die AfD verlassen hat, findet in ihrer Austrittserklärung klare Worte: »Doch da ist auch der rechte Flügel, der um jeden Preis nur nach Macht und Einflussnahme strebt und die ganze Fraktion mit seinen Grabenkämpfen vereinnahmt. Diejenigen, die sich gegen diese rechtsextreme Strömung wehren, werden gnadenlos aus der Partei gedrängt. Der Flügel will die AfD voll und ganz übernehmen, da sich mit diesem ›Etikett‹ mehr erreichen lässt als mit dem adäquateren NPD-Label.« Auch für die graue Eminenz der Partei, Alexander Gauland, den niemand aus der Partei zu kritisieren wagt, hat Hartmann nichts mehr übrig. Über ihn und Höcke schreibt sie: »Dr. Gauland erklärt ganz offen den Begründer des rechten Flügels, Herrn Höcke, der ›Mitte der Partei‹ zugehörig. Damit verschiebt sich die Mitte nach rechts und zwingt die gesamte Partei mitzugehen. Er unterstreicht einmal mehr, voll und ganz hinter Höcke zu stehen. Lieber verliert die Parteispitze viele gute Mitglieder, auch Mandatsträger, als einen Höcke. Der rechte Flügel konnte sich dadurch in den letzten Jahren frei entfalten, die Richtung ist vorgegeben und der Wandel der AfD damit besiegelt.«
Weiter in den Westen
Der Flügel hatte sein Kraftzentrum ganz klar im Osten Deutschlands, wo auch Höcke und Kalbitz dominieren. Um den Einfluss auch in den Westverbänden auszubauen, wo weitaus die meisten AfD-Mitglieder leben, wurden verschiedene Treffen ausgetragen, wie etwa das »Hermannstreffen« in Ostwestfalen. In Berlin hingegen fand das erste Flügeltreffen keine Wiederholung. Im Frühjahr 2018 trafen sich Flügelisten zum ersten »Wartenberger Fest« im Wartenberger Hof im gleichnamigen Neubaugebiet in Berlin-Hohenschönhausen – unter den Rednern waren Höcke, Kalbitz und Meuthen. »Auch in einem Landesverband wie Berlin gibt es eine starke Stimme des Flügels«, sagte Thorsten Weiß, Flügelist und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, auf eben diesem Fest.
Weiß galt als Koordinator des Flügels in Berlin und ist ein enger Vertrauter von Höcke. Auf Twitter versucht Weiß, der wie ein jüngerer Matteo Salvini aussieht, die Lügen des »polit-medialen Establishments« aufzudecken und bezeichnet sich selbst als »radikalen Demokraten« – so formulierte Weiß es nach seiner Rede im Februar 2020 im Berliner Abgeordnetenhaus, in der er die Einführung eines Aussteigerprogramms für Linksextremisten forderte. Für seine treuen Dienste wurde Weiß beim Kyffhäusertreffen 2019 von Höcke ausgezeichnet: mit einer »Bismarck-Medaille«.
So wie beim Kyffhäusertreffen das Kyffhäuserdenkmal namensgebend war, so ist es beim Hermannstreffen das Hermannsdenkmal. Mit seiner Größe von über 50 Metern ragt es über den Teutoburger Wald und soll an den Cheruskerfürsten Arminius, später genannt »Hermann der Cherusker«, und an die Schlacht im Teutoburger Wald erinnern, in der germanische Stämme 9 n. Chr. unter dessen Führung dem römischen Heer eine entscheidende Niederlage beibrachten. Heute wird das Denkmal oft zu rechten Propagandazwecken missbraucht. Im Januar 2019 traf sich beispielsweise eine kleine Gruppe von »Combat 18« am Hermannsdenkmal und zeigte Plakate mit der Forderung nach »Freiheit für unsere inhaftierten Brüder«. Combat 18 gilt als bewaffneter Arm des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks »Blood and Honour«. Seit dem 23. Januar 2020 ist auch Combat 18 in Deutschland verboten.
Hinter dem Hermannstreffen, das im Dezember 2019 zum zweiten Mal stattfand und 2018 noch offiziell als »Flügelkongress« gelabelt wurde, steckte der Verein »Alternativer Kulturkongress Deutschland«, in dessen Vorstand etwa der Flügelist und Kreissprecher der AfD Paderborn Karl-Heinz Tegethoff sitzt. Traten 2018 Björn Höcke oder Gianluca Savoini von der italienischen Rechtsaußenpartei Lega auf, um über das »wahre Europa« zu referieren, so waren es ein Jahr später Flügelisten aus der zweiten Reihe wie Christian Blex, AfD-Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, und Dubravko Mandic, Freiburger AfD-Stadtrat. Sprechen sollten sie zum Thema »Deutsche Souveränität und deutsche Interessen«, die die Flügelisten offenbar bedroht sehen. Ihre Einschränkung der deutschen Souveränität gehe über die außenpolitische Dominanz »vor allem der USA« hinaus, heißt es in der Veranstaltungseinladung auf Facebook: »Bekanntlich stehen immer noch fremde Streitkräfte mitsamt deren Kernwaffen und Geheimdiensten auf unserem Boden.« Ein Staat, der sein eigenes Staatsvolk auflöse, löse sich langfristig selbst auf. Zweifel haben die Organisatoren auch an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik: Kriminalität verfolge der Staat nicht mehr – »dafür aber Falschparker, GEZ-Nichtzahler und jeden, der auch nur einen Cent Steuern einbehält«. Umso härter würden »im Gegenzug wie selbstverständlich Andersdenkende und Dissidenten verfolgt«.
Kein Ende in Sicht
Eigene Stiftungen, Spenden, Feste – der Flügel war gut organisiert und strukturiert. Auch wenn Ende April 2020 die Website, die Facebook-Seite und der Youtube-Kanal des Flügels abgeschaltet wurden, bedeutet das nicht das Ende. Genau das äußerte Höcke selbst in dem Interview, das er im März 2020 mit Götz Kubitschek führte. In dem Gespräch prognostizierte Höcke: »Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus, Andreas Kalbitz, ich selbst und alle anderen politikfähigen ›Flügler‹ werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen.« Da für Höcke und Co. nur der Flügel im Sinne der AfD agierte, da nur er eine echte Alternative bot, sind seine Worte nicht als Friedensangebot, sondern als Kampfansage zu deuten.
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