Dr. Daniel Staffel 10 – Arztroman. Marie Francoise
auf Dauer aus.«
»Armer Bernd«, murmelte Markus. »Er kann halt auch nicht aus seiner Haut heraus.«
*
Mona Lombardi hatte Überstunden gemacht. Die Zeit, die sie in der Praxis von Dr. Daniel verbracht hatte, hatte ihr wieder mal hinten und vorne gefehlt. Dazu kam die Tatsache, daß es ihr nur schwer gelungen war, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Eröffnung, die Dr. Daniel ihr heute gemacht hatte, lag ihr noch immer schwer im Magen. Drillinge! Was sollte sie damit nur anfangen?
Mit einer fahrigen Handbewegung strich Mona ein paar Haarsträhnen zurück, die sich gerade aus der Spange gelöst hatten. Dr. Daniel hatte zwar gesagt, sie könne sich mit der Entscheidung noch Zeit lassen, trotzdem konnte sie kaum an etwas anderes denken.
Mona war bereits auf dem Weg zur U-Bahn, als ihr einfiel, daß sie heute ja mit dem Auto hier war, weil zu der Zeit, wo sie aus Dr. Daniels Praxis gekommen war, kein Zug nach München gefahren war. Mit einem tiefen Seufzer machte Mona kehrt und ging zur Tiefgarage. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Als sie in ihrem Auto saß, lehnte sie für ein paar Minuten die Stirn gegen das Lenkrad und schloß die Augen.
Hinlegen und schlafen, dachte sie. Alles vergessen.
Doch unwillkürlich wanderten ihre Hände zu ihrem Bauch. Sie spürte die leichte Wölbung und mußte daran denken, daß da drinnen drei kleine Babys heranwuchsen.
»Was soll ich denn mit euch nur tun?« fragte sie verzweifelt. Der Gedanke, die Babys wegzugeben, tat ihr nahezu körperlich weh, allerdings war die Vorstellung, ihre Karriere zugunsten der Drillinge zu opfern, nicht unbedingt verlockender.
Noch einmal seufzte Mona, dann ließ sie den Motor an und fuhr langsam aus der Tiefgarage. Sie war froh, daß zu dieser späten Stunde nicht mehr allzuviel Verkehr herrschte, denn noch immer hatte sie Mühe, sich auf die Fahrbahn zu konzentrieren. Ihre Gedanken glitten ständig ab. Sie wußte auch ganz genau, wie gefährlich es war, in diesem Zustand Auto zu fahren. Ganz bewußt nahm sie das Tempo noch ein wenig zurück – auch auf die Gefahr hin, von anderen Autofahrern angehupt zu werden, was natürlich nicht ausblieb. Doch Mona steckte das Hupkonzert locker weg. Ihr war es wichtiger, nur heil nach Hause zu kommen.
Endlich hatte sie die Autobahn erreicht und beschleunigte nun ein wenig. Trotzdem blieb sie auf der rechten Spur und vermied jegliche Überholmanöver. Dadurch zog sich die Strecke schier endlos hin, aber schließlich kam die Ausfahrt doch in Sicht. Mona setzte den rechten Blinker, verließ die Autobahn und fuhr auf der Landstraße Richtung Steinhausen.
Sie warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. In einer Viertelstunde würde sie zu Hause sein, doch seltsamerweise freute sie sich gar nicht mehr darauf. Zu Hause… das bedeutete Einsamkeit… endloses Grübeln über ihre Zukunft und die der Drillinge, die sie erwartete. Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, Dr. Daniel noch einmal aufzusuchen, verwarf ihn aber wieder. Die Sprechstunde war längst zu Ende, und sie konnte den vielbeschäftigten Arzt nicht auch noch zu Hause mit ihren Problemen belästigen.
Die Scheinwerfer eines von hinten herannahenden Autos blendeten Mona im Rückspiegel. Sie nahm das Tempo zurück und registrierte gerade noch, daß das andere Auto mit ungeheurer Geschwindigkeit auf sie zuraste.
Mona hielt sich so weit rechts wie möglich. Der Fahrer hinter ihr würde sicher gleich zum Überholen ansetzen – auch wenn da auf dieser gewundenen Landstraße äußerst gefährlich war. Um diese Uhrzeit war sie allerdings nur wenig befahren. Mona warf einen erneuten Blick in den Rückspiegel. Das andere Auto war schon bedenklich nah, aber noch immer machte der Fahrer keine Anstalten, auf die linke Spur auszuweichen, um zu überholen.
Mona fühlte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Der konnte ihr doch nicht einfach hinten draufbrummen! Automatisch beschleunigte die junge Frau, um einen größeren Abstand zwischen sich und das andere Auto zu bringen. Doch es war schon zu spät. Mit ohrenbetäubendem Knall verkeilten sich die beiden Autos ineinander. Von der Wucht des Aufpralls wurde Mona nach vorn geschleudert und schlug trotz angelegten Sicherheitsgurts mit der Stirn auf dem Lenkrad auf. Spontan schoß ihr durch den Kopf, daß sie sich schon längst ein Auto mit Airbag hätte kaufen sollen. Sie fühlte Blut über ihr Gesicht laufen und registrierte dann entsetzt heftige Bauchkrämpfe.
»Meine Babys!« stieß sie angstvoll hervor.
Sie krümmte sich vor Schmerzen, dann fiel ihr plötzlich das neue Handy ein, das sie sich erst vor kurzem zugelegt hatte. Mit zitternden Händen tastete sie nach ihrer Aktenmappe und erreichte dann auch das Handy. Es dauerte eine Weile, bis Angst und Schmerzen ein konzentriertes Wählen zuließen.
Bereits nach dem zweiten Klingeln meldete sich Dr. Daniel mit seiner warmen, tiefen Stimme – ein deutliches Zeichen, daß er sogar zu dieser späten Stunde noch in der Praxis war.
»Ein Unfall!« schrie Mona verzweifelt in den Hörer. »Helfen Sie mir!«
»Langsam, bitte«, bat Dr. Daniel, und seine beruhigende Stimme zeigte sogar durchs Telefon ihre Wirkung. »Wie heißen Sie, und von wo rufen Sie an?«
»Lombardi«, antwortete Mona gehetzt. »Ich bin in meinem Auto… auf der Landstraße… ein anderer Wagen ist mir hinten aufgefahren. Herr Doktor, ich habe Bauchschmerzen! Helfen Sie mir!«
»Keine Sorge, Mona, ich komme gleich mit dem Krankenwagen zu Ihnen«, versicherte Dr. Daniel rasch. »Was ist mit dem anderen Fahrer?«
»Ich weiß es nicht.« Urplötzlich begann Mona zu schluchzen. »Beeilen Sie sich! Bitte kommen Sie, Herrr Doktor!«
*
Dr. Daniel hatte nach diesem ungewöhnlichen Notruf noch nicht einmal richtig aufgelegt, als er den Hörer schon wieder an sein Ohr riß und in der Waldsee-Klinik anrief. Die Nachtschwester war sofort am Telefon.
»Ein Unfall vor Steinhausen«, meldete Dr. Daniel, als er seinen Namen genannt hatte. »Wer hat heute Bereitschaft?«
»Der Chefarzt«, antwortete Schwester Irmgard ohne zu überlegen.
»Rufen Sie ihn an. Er soll direkt zur Unfallstelle kommen. Den Krankenwagen schicken Sie erst mal zu mir.«
Es dauerte keine Minute, bis Dr. Daniel das Martinshorn hören konnte.
Im Laufschritt verließ er die Praxis und sprang in den Krankenwagen, bevor er noch richtig zum Stehen gekommen war.
Der junge Sanitäter Ricky Schermann gab auch gleich wieder Gas.
Wenige Minuten später hatten sie die Unfallstelle auch schon erreicht und nur Sekunden später hielt Dr. Gerrit Scheibler mit seinem Privatwagen neben den verunglückten Autos an.
»Ein Auffahrunfall auf freier Strecke«, meinte er kopfschüttelnd und setzte nach einem Blick auf den zweiten Wagen hinzu: »Der Kerl muß ja wie ein Irrer gerast sein.«
Währenddessen hatte Dr. Daniel bereits die Fahrertür von Monas Auto geöffnet.
»Ganz ruhig, Mona, wir bringen Sie sofort in die Klinik«, versprach Dr. Daniel sanft.
Die beiden Sanitäter kamen mit einer fahrbaren Trage und klappten die Räder so weit nach unten, daß sie Mona bequem aus dem Auto heben und darauflegen konnten.
»Wie sieht’s bei Ihnen aus, Gerrit?« rief Dr. Daniel inzwischen nach hinten.
»Bitterböse!« kam die Antwort des Chefarztes. »Ich brauche die Feuerwehr und zwar schnell!«
Der zweite Sanitäter, Mario Bertoni, hatte Dr. Scheiblers Worte gehört und hängte sich sofort ans Autotelefon.
»Mario!« rief der Chefarzt in diesem Moment. »Alarmieren Sie Dr. Parker! Kann sein, daß ich hier einen Anästhesisten brauche!«
Währenddessen hatten Ricky Schermann und Dr. Daniel die Trage mit Mona in den Krankenwagen gehoben.
»Bringen Sie uns zur Klinik«, befahl Dr. Daniel. »Anschließend kommen Sie dann umgehend hierher zurück.«
Mit Blaulicht und Martinshorn brauste der Krankenwagen los. Inzwischen versuchte Dr. Scheibler, sich