Dr. Daniel Staffel 10 – Arztroman. Marie Francoise
Situation. Sie werden niemanden haben, der mal eine Nacht das Baby versorgt, damit Sie ungestört schlafen können. Sie müssen vielmehr Tag und Nacht für Ihr Kind dasein und werden darüber hinaus zusätzlich noch im Beruf gefordert werden, denn auch die Geschicke eines Kaufhauses lassen sich bestimmt nicht so nebenher leiten.«
Mona wurde nachdenklich. Von dieser Warte hatte sie das Ganze noch nicht betrachtet. Vielmehr hatte sie sich einen Film als Vorbild genommen, wo eine junge alleinerziehende Mutter spielend Beruf und Kindererziehung bewältigt hatte. Nun war sie natürlich bei weitem nicht so naiv, Filme für bare Münze zu nehmen, doch gerade in diesem Fall hatte das Thema genau auf ihre eigene Situation gepaßt, und sie hatte sich unwillkürlich gesagt, daß Kind und Beruf auf diese Weise zu schaffen sein müßten. Mit Problemen, wie Dr. Daniel sie nun angeschnitten hatte, hatte sie sich dabei jedoch noch nicht beschäftigt.
»Sie raten mir also, das Baby zur Adoption freizugeben«, murmelte sie niedergeschlagen.
»Nein, Mona, absolut nicht«, entgegnete Dr. Daniel. »Ich finde es sogar ausgesprochen mutig und selbstlos von Ihnen, daß Sie Ihr Kind trotz der recht ungünstigen Voraussetzungen behalten möchten, aber gerade in diesem Fall müssen Sie Beruf und Kindererziehung schon jetzt gründlich planen. Sie werden eine Tagesmutter benötigen, und selbst dann wird es noch einige Male vorkommen, daß Sie Ihr Baby tatsächlich mit ins Büro nehmen müssen. Je nach Lebhaftigkeit Ihres Kindes werden sie vermutlich auch versuchen müssen, jemanden zu finden, der ab und zu die mehr oder weniger unruhige Nachtschicht übernehmen wird.«
Mona seufzte. »Das wird wohl der schwierigste Punkt für mich sein. Ich habe weder Eltern noch Geschwister und alle meine Freundinnen sind berufstätig und brauchen ihre Nachtruhe eben auch – abgesehen davon, daß ich nicht sicher bin, ob ich ruhig schlafen könnte, wenn eine von ihnen bei meinem Baby wäre.«
Dr. Daniel staunte ein wenig darüber, daß Mona schon nach so kurzer Zeit eine so enge Verbundenheit zu ihrem ungeborenen Kind hergestellt hatte. So etwas war bei Karrierefrauen eher selten.
»Da Sie hier in Steinhausen wohnen, wird sich dieses Problem sicher lösen lassen«, meinte Dr. Daniel. »Die Freundin meines Sohnes arbeitet bis zu ihrer Ausbildung als Säuglingsschwester noch als Krankenpflegerin in der Waldsee-Klinik und hat im Umgang mit Kindern eine besonders glückliche Hand. Ich kenne Darinka mittlerweile lange genug, um behaupten zu können, daß sie die Nachtwache bei Ihrem Baby ab und zu übernehmen würde.«
Mona wurde bei diesen Worten ganz warm ums Herz. Welcher andere Arzt würde sich wohl so intensiv ihrer Probleme annehmen?
»Mein Beruf bedeutet mir sehr viel«, erklärte sie leise. »Als alleinerziehende Mutter müßte ich sowieso arbeiten, aber da ließe sich bestimmt etwas finden, womit ich Beruf und Kind unter einen Hut bringen würde, doch… das kann ich nicht… nicht jetzt. Ich habe so hart für diesen Manager-Posten gearbeitet. Ihn aufzugeben, hieße, mich selbst aufzugeben, und das kann ich nicht einmal meinem Kind zuliebe tun.«
Dr. Daniel nickte. »Das kann ich verstehen, Mona.« Dann lächelte er sie aufmunternd an. »Jetzt, da Sie wissen, was auf Sie zukommen wird, können Sie alles in Ruhe arrangieren. Bis zur Geburt des Babys haben Sie noch gute sieben Monate Zeit, um eine Tagesmutter zu finden und auch in Ihrem Beruf alles so weit zu regeln, daß Sie einen Teil der Arbeit dann vielleicht zu Hause erledigen können. Wenn Sie alles nur gut genug durchorganisieren, dann werden sie Beruf und Kind unter einen Hut bringen, da bin ich ganz sicher.«
*
In der zwölften Schwangerschaftswoche stand die erste Ultraschalluntersuchung bei Mona bevor, und sie war schon unheimlich gespannt darauf. In den vergangenen Wochen hatte sie alles über Schwangerschaft und Geburt gelesen, was sie hatte finden können. Auf Anraten von Dr. Daniel hatte sie sich auch mit jungen Müttern unterhalten und dabei festgestellt, daß Dr. Daniel mit seiner Darstellung nicht übertrieben hatte. Ein Baby bedeutete einen gewaltigen Einschnitt in das gewohnte Leben, allerdings freute sich Mona mittlerweile schon sehr auf diese Herausforderung. Es war ein neues Ziel und Mona glaubte, den Adrenalinstoß förmlich zu spüren, den diese Aufgabe in ihr auslöste.
Als sie heute in der Praxis von Dr. Daniel erschien, trug sie zum ersten Mal ein Umstandskleid. Dabei strahlte sie über das ganze Gesicht.
»Man kann die Rundung schon deutlich sehen«, platzte sie heraus, kaum daß sie Dr. Daniel gegenübersaß.
Der Arzt runzelte verwundert die Stirn. Normalerweise war in der zwölften Schwangerschaftswoche vom Bauch noch nichts zu erkennen, allerdings hatte er ja bereits vor vier Wochen bei der gynäkologischen Untersuchung bemerkt, wie enorm sich die Gebärmutter vergrößert hatte. Das war schon ein bißchen ungewöhnlich gewesen, allerdings nicht unbedingt besorgniserregend. Monas heutige Auskunft dagegen, weckte in Dr. Daniel ein ungutes Gefühl.
Er betrachtete die Aufzeichnungen über Monas Gewichtszunahme und stellte auch hier fest, daß die junge Frau während der vergangenen vier Wochen über die Maßen zugenommen hatte.
»Haben Sie in letzter Zeit sehr viel mehr gegessen, als es sonst Ihrer Gewohnheit entspricht?« wollte Dr. Daniel wissen.
Mona schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht.« Etwas verlegen räumte sie ein: »Nun ja, vor zwei Tagen war ich auf einem Empfang, und da hatte ich plötzlich solchen Heißhunger auf Sahnetorten. Ich glaube, ich hätte mühelos eine ganze Torte verdrücken können, habe mich dann aber nach dem dritten Stück zusammengenommen.«
Wieder betrachtete Dr. Daniel die Gewichtskurve, die von seiner Sprechstundenhilfe eingetragen worden war. Selbst drei Stück Sahnetorte konnten nicht zu einem so rapiden Anstieg des Körpergewichts führen.
»Ich will Sie nicht erschrecken, Mona, aber…« Er zögerte kurz. »Wissen Sie zufällig, ob es in Ihrer oder in Dirks Familie Zwillinge gab?«
»Also bei mir sicher nicht«, antwortete Mona. »Bei Dirk weiß ich es nicht, aber… er ist ja auch Einzelkind. Wie es bei seinen Eltern und Großeltern aussah…« Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.« Dann begriff sie erst, was Dr. Daniel da anzudeuten versuchte. Sie erschrak. »Glauben Sie etwa, daß ich… Zwillinge bekomme?«
»Im Moment glaube ich noch gar nichts«, erwiderte Dr. Daniel ernst. »Die erhebliche Vergrößerung Ihrer Gebärmutter, die ich letztes Mal schon feststellte und die jetzige übermäßige Gewichtszunahme könnten allerdings tatsächlich für eine Zwillingsschwangerschaft sprechen.« Er lächelte ein wenig. »Es könnte natürlich auch sein, daß Sie mir ein paar gewichtige Kalorienbomben verschwiegen haben.«
Doch Mona war zu aufgeregt, um diesen kleinen Scherz wirklich mitzubekommen.
»Zwillinge sind unmöglich«, stammelte sie. »Ein Kind… ja, aber zwei… das würde niemals gehen.« Verzweifelt sah sie Dr. Daniel an. »Sie müssen etwas tun, Herr Doktor!«
»Langsam, Mona«, beruhigte der Arzt sie. »Im Moment ist das ja noch gar nicht sicher.« Er stand auf. »Ich werde Sie jetzt zunächst untersuchen, und dann sehen wir uns das Kleine mal auf Ultraschall an. Vielleicht erwarten sie ja ein ungewöhnlich großes Kind, das schon jetzt mehr Platz braucht als andere Babys.«
Mona nickte zwar, doch ihre Angst blieb. Und sie war auch alles andere als unbegründet, wie Dr. Daniel schon bei der gynäkologischen Untersuchung feststellte. Die Gebärmutter hatte sich wiederum vergrößert, was in Dr. Daniel den Verdacht erhärtete, daß Mona nicht nur ein Kind erwartete. Die Ultraschallaufnahme bestätigte seine Erwartungen nicht nur, sie übertraf sie sogar noch.
Dr. Daniel schloß sekundenlang die Augen, als er erkannte, was sich da in Monas Bauch abspielte. Wie, um Himmels willen, sollte er das dieser jungen Frau beibringen?
»Was ist denn nun?« fragte Mona mit ein wenig schriller Stimme, weil Dr. Daniel nichts sagte und sie selbst die hellen und dunklen Schatten auf dem Bildschirm nicht zu deuten vermochte.
»Mona, ich fürchte, jetzt wird Ihnen ein ziemlicher Schock bevorstehen«, begann Dr. Daniel so behutsam wie möglich, obwohl er wußte, daß sich seine Mitteilung für Mona auch bei noch so sorgfältiger Wortwahl nicht beschönigen lassen würde.
»Es sind