Dr. Daniel Staffel 10 – Arztroman. Marie Francoise
schüttelte Bernd den Kopf. »Nein, Mona, so habe ich das nicht gemeint. Es ist vielmehr… oh, wie soll ich das nur erklären? Du hast dagestanden, und ich wußte, du bist die Frau, nach der ich immer gesucht habe. Der ganze Schmerz, den ich jahrelang mit mir herumgeschleppt habe, der Kummer, die Einsamkeit… alles war plötzlich weg. Es gab nur noch dich.« Wieder schwieg er kurz. »Doch dann kam der Schock. Ich bemerkte deine Schwangerschaft und nahm an…« Er beendete den Satz nicht, sondern zog Mona wieder an sich und küßte sie erneut. »Willst du es denn mit einem Invaliden versuchen?«
»Sprich nicht so!« wies Mona ihn zurecht. »Du wirst dich operieren lassen und…«
»Und du wirst die Kinder behalten«, ergänzte Bernd.
Mona lachte. »In Ordnung, aber wie stellst du dir das vor? Drillinge und… o Gott, ahnst du überhaupt, was ich für eine Hausfrau bin? Ich habe das Kochen nicht gerade erfunden.«
Bernd schmunzelte. »Da mach dir mal keine Sorgen. Solange es mich gibt, werden wir sicher nicht verhungern.« Dann wurde er ernst. »Es ist vermutlich viel zu früh, um Zukunftspläne zu schmieden, aber… zumindest ich für meinen Teil weiß, daß ich dich nie wieder loslassen werde.« Er lächelte erneut. »Ich habe mir immer eine Familie gewünscht… eine große Familie mit vielen Kindern. Mein Leben wird nie wieder so sein, wie es einmal war, aber um einen großen Teil meines alten Lebens ist es bestimmt nicht schade. Die leere Wohnung, die Einsamkeit… wie habe ich das alles gehaßt.«
Mona streichelte ihren Bauch. »Mit der Einsamkeit wird es in ein paar Monaten endgültig vorbei sein.« Sie wurde ein bißchen melancholisch. »Mit meiner Karriere allerdings auch.«
Da schüttelte Bernd den Kopf. »Nein, Mona, damit muß es gewiß nicht vorbei sein. Wenn wir beide zusammenhalten, dann wird für dich beides möglich sein: Kinder und Karriere.« Er machte eine Pause, als müsse er für seine nächsten Worte Mut sammeln, und vermutlich war es auch so. »Es fällt mir schwer, mich an diesen Gedanken zu gewöhnen, aber Tatsache ist nun mal, daß ich umlernen muß. Ob ich die Operation machen lasse oder nicht – als Sportlehrer kann ich in keinem Fall arbeiten. Ich werde in nächster Zeit also viel zu Hause sein, abgesehen von den Vormittagsstunden, wo ich in der Schule noch etwas Deutschunterricht geben werde.«
»Du wirst viel lernen müssen, da kannst du nicht auch noch nebenbei Drillinge versorgen«, wandte Mona ein. »Darüber hinaus habe ich als Kaufhaus-Managerin nicht gerade einen Teilzeitjob.«
Bernds lange verborgener Optimismus kam plötzlich wieder zum Vorschein. »Hör mal, Mona, wir leben im Zeitalter des Computers. Mit einem Internet-Anschluß läßt sich ein Großteil deiner Arbeit von zu Hause aus erledigen.«
Daran hatte Mona tatsächlich noch nicht gedacht, aber Bernd hatte ganz recht. Auf diese Weise würde sie alles unter einen Hut bringen können: Ehe, Kinder und Beruf.
Sie würde nicht nur das Kaufhaus, sondern ihr ganzes Leben managen!
Sie beugte sich über Bernd und küßte ihn zärtlich, dann raunte sie ihm zu: »Weißt du, daß du das Beste bist, was mir passieren konnte?«
Bernd lachte leise. »Das Kompliment kann ich in vollem Umfang zurückgeben.« Mit den Fingern zärtelte er durch ihr langes Haar. »Gemeinsam sind wir stark.«
Doch Mona schüttelte den Kopf. »Viel mehr als das, Bernd. Gemeinsam werden wir die glücklichste Familie auf der ganzen Welt sein…«
Es war wieder einer dieser typisch stressigen Vormittage in der Praxis von Dr. Robert Daniel. Die Patientinnen gaben sich buchstäblich die Türklinke in die Hand, und das Wartezimmer platzte schon fast aus allen Nähten, doch noch immer war ein Ende der Patientenflut nicht in Sicht.
Gabi Meindl, die junge Empfangsdame von Dr. Daniel, war, wie meistens an solchen Tagen, mit ihren Nerven am Ende.
»Wenn jetzt noch eine einzige Patientin unangemeldet hier aufkreuzt, dann kriege ich einen Schreikrampf«, kündigte sie ihrer Kollegin Sarina von Gehrau an.
Die junge Sprechstundenhilfe schmunzelte nur. Sie kannte Gabis diesbezügliche Prophezeiung zur Genüge, daher wußte sie, daß man sie nicht allzu ernstzunehmen brauchte.
Das Telefon klingelte und gleichzeitig schellte es auch an der Tür.
»Ich werde wahnsinnig!« stieß Gabi hervor, drückte auf den Türöffner und hob gleichzeitig den Telefonhörer ab.
»Praxis Dr. Daniel«, schnurrte sie herunter und dabei war die Gereiztheit schon an ihrer Stimme zu hören. Als sich am anderen Ende der Leitung Oberschwester Lena Kaufmann zu erkennen gab, hob das ihre Laune nicht unbedingt.
»Wir benötigen Dr. Daniel dringend in der Waldsee-Klinik«, erklärte die Oberschwester auch schon, was Gabi einen Stoßseufzer entlockte.
»Ahnen Sie, was hier in der Praxis los ist?« entfuhr es ihr in nicht gerade höflichem Ton.
»Ja«, antwortete Lena lakonisch. »Immerhin habe ich etliche Jahre für Dr. Daniel als Sprechstundenhilfe gearbeitet und erinnere mich noch ausgesprochen gut an den Praxisbetrieb. Allerdings sind die Belange der Patientin, die ich hier habe, noch dringender. Sie erwartet Drillinge, hat Wehen und noch über einen Monat bis zum errechneten Geburtstermin.«
Sekundenlang schloß Gabi die Augen. Sie wußte, was die Worte der Oberschwester im Klartext bedeuteten.
»Ich schicke Dr. Daniel sofort in die Klinik«, versprach sie ergeben und legte dann ohne viele weitere Worte auf. »Genau das, was man sich an einem solchen Tag wünscht«, grummelte sie, während sie eiligst zu Dr. Daniels Sprechzimmer lief. Sie klopfte kurz, dann streckte sie nur den Kopf hinein. »Tut mir leid, Herr Doktor, die Waldsee-Klinik braucht Sie.«
Dr. Daniel seufzte ebenfalls, dann schüttelte er den Kopf. »Ich kann hier unmöglich weg.«
»Ich fürchte, Sie müssen«, hielt Gabi dagegen. »Die Drillinge drängen auf die Welt.«
»Jetzt schon?« entfuhr es Dr. Daniel. Er brauchte keine zwei Sekunden, um sich zu entscheiden. »Rufen Sie sofort in der Waldsee-Klinik an, Fräulein Meindl. Man soll Frau Lombardi-Köster schnellstens nach München in die Sommer-Klinik bringen. Informieren Sie auch Dr. Sommer, daß er in Kürze frühgeborene Drillinge bekommt. Ich mache mich auf den Weg nach München, sobald ich hier fertig bin.«
»Sie können ruhig gleich fahren«, bot die Patientin an, die im Sprechzimmer gesessen und den Wortwechsel daher zwangsläufig mitbekommen hatte. »Ich kann ja auch ein anderes Mal wiederkommen.«
Doch Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Frau Burger, das Gespräch und die Untersuchung machen wir schon noch fertig.« Er sah Gabi wieder an. »Die weiteren wartenden Patientinnen müssen Sie leider vertrösten, denn ich weiß nicht, bis wann ich aus München wieder hiersein kann. Dringende Fälle übernimmt Frau Dr. Reintaler in der Waldsee-Klinik.«
»In Ordnung, Herr Doktor«, stimmte Gabi zu. Sie wußte, daß ihr und Sarina jetzt etliche unangenehme Gespräche bevorstanden, denn einige der wartenden Damen würden sicher nicht so entgegenkommend sein wie Frau Burger.
Obwohl er sich um Mona Lombardi-Köster große Sorgen machte, brachte Dr. Daniel das Gespräch mit Frau Burger und die anschließende Untersuchung mit derselben Freundlichkeit und Rücksichtnahme zu Ende, die alle seine Patientinnen von ihm gewohnt waren. Danach allerdings hatte er nichts Eiligeres zu tun, als seinen weißen Kittel auszuziehen, in seine Strickjacke zu schlüpfen und schließlich im Laufschritt die Praxis zu verlassen.
Eine halbe Stunde später erreichte er die Klinik von Dr. Georg Sommer, mit dem er schon seit der gemeinsamen Studienzeit eng befreundet war. Die beiden Ärzte begegneten sich bereits in der Eingangshalle.
»Ich liebe deine Überraschungen«, behauptete Dr. Sommer in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß seine Worte eher das Gegenteil ausdrücken sollten.
»Weiß