Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas
und nicht mehr das Gefühl hatte, Gareths männlichen Geruch auf meiner Haut zu tragen, stellte ich das Wasser aus und trocknete mich ab. Aus meiner Tasche holte ich die Salbe hervor, die mir Cleo mitgegeben hatte. Mit leichten, kreisenden Bewegungen rieb ich die wohltuende Creme auf mein Tattoo ein, das sich von meiner linken Schulter bis zu meinem Handgelenk zog. Es zeigte diverse Muster und Symbole, die mich vor bösen Zaubern schützten. Das Beste allerdings war, dass sie mich vor der Macht der Dämonen schützten. Schattendämonen konnten sich damit weder an meiner Aura sattfressen noch war es Königsdämonen möglich, mich zu manipulieren. Leider besaß nur ich diese Schutztattoos, da Gareth der Meinung gewesen war, dass keiner meiner anderen Jäger die Kraft dazu aufbringen konnte, um diese Prozedur zu überstehen. Dabei ging es nicht nur um den Akt des Tätowierens, sondern um die Magie, die währenddessen von Cleo gewebt wurde und die sich von dem Tätowierten selbst nährte.
Cleo stammte zur Hälfte von Kaskaden ab, weshalb sie ein bestimmtes Maß an Magie wirken konnte. Sie war aber bei Weitem nicht so mächtig wie ihre verrückten Verwandten.
Nachdem ich mich in meine schwarzen Jeans, Stiefel und ein eng anliegendes Thermoshirt gezwängt hatte, machte ich mich auf den Weg zu Bird. Ich wusste nicht, wohin sie gebracht wurde, erinnerte mich aber daran, dass wir uns als Menschen hier unter dem Radar bewegen sollten. Also fragte ich einen der Königsdämonen, der mich bereits kannte, da er mich vor ein paar Wochen bewacht hatte. Es war purer Zufall, dass ich ihn gefunden hatte, nachdem ich zuvor zwei fremden Dämonen ausgewichen war. Was auch immer Gareth von mir hielt, ich wollte meine Zusammenarbeit mit Dorian nicht gefährden, indem ich auf so etwas Einfaches wie diese Bitte keine Rücksicht nahm. Nein. Dann lieber die Unannehmlichkeit auf mich nehmen und mich versteckt halten, wenn es sein musste.
Nach kurzem Zögern wies er mich in die richtige Richtung, beschloss dann aber, mich sicherheitshalber zu führen, als würde ich sonst einfach davonlaufen und in Schwierigkeiten geraten.
»Das ist euer Flügel.«
Verblüfft blinzelte ich und besah mir den Flur, den ich noch vor wenigen Minuten verlassen hatte. Nämlich mein eigener. Hervorragend. Wäre ich nicht so in Gedanken vertieft gewesen, wäre es mir schon vorher aufgefallen.
»Weißt du, in welchem Zimmer sich die Verletzte befindet?« Ich hatte nicht vor, an jeder Tür zu klopfen und damit die anderen bei ihrem wohlverdienten Schlaf zu stören. Außerdem sagte mir etwas, dass Ophelia ziemlich unausstehlich sein würde, wenn ich sie unsanft weckte.
»Das hier.« Er deutete auf die zweite Tür links von uns, bevor er sich stramm umdrehte und wieder ging.
Schulterzuckend sah ich ihm einen Augenblick hinterher und überlegte, was er wohl über uns und die ganze Sache hier dachte. Stellte er seinen König infrage? Oder fühlte er sich Ascia mehr verpflichtet als dem obersten König Billings?
Ich klopfte kurz an der weißen Tür an, ehe ich sie öffnete und langsam eintrat.
Elle begrüßte mich breit lächelnd. Sie saß auf der Kante vom Bett, in dem Bird lag. Die Jägerin war blass und wirkte müde, aber sie war immerhin wach und würde sich weiter erholen.
Im Zimmer stand die Luft, weshalb ich mich zunächst ans Fenster stellte und dieses aufzog. Der Tag war weiter vorangeschritten und derweil waren neue Wolken aufgezogen, die sich vor die Sonne geschoben hatten. Es wehte ein kühler Wind, den ich willkommen hieß.
»Ist es okay für dich, wenn ich es offen lasse?«
»Ich bin keine Invalidin, Alison«, schnaubte Bird.
»Sorry.« Ich grinste und trat an ihre Seite. Elle machte mir Platz, sodass ich mich ebenfalls aufs Bett setzen konnte. Ich gab mich mit dem unteren Ende zufrieden und ließ mich neben Birds Füßen im Schneidersitz fallen. »Wie geht es dir?«
»Viel besser. Die Fahrt war zwar anstrengend, aber ich erhole mich wieder. Eliza sagte, dass ich schneller heile, als sie angenommen hat, und dabei liegt der Kampf nicht mal zwei Tage zurück.«
»Du hast gute Gene.« Ich lachte. Bird stimmte mit ein.
»Was sind Gene?«, fragte Elle sofort und ließ uns verstummen.
»Äh …«, begann ich verwirrt von dieser Frage, die ich mir selbst nie gestellt hatte. Über das Sprichwort, das ich benutzt hatte, hatte ich noch nie genauer nachgedacht. »Ich glaube …«
»Das ist das, was uns Menschen und vielleicht auch euch Dämonen ausmacht«, sagte Bird und kam mir damit zu Hilfe. Ihre Augen wirkten gar nicht mehr so verschleiert und müde wie noch Momente zuvor. »Früher, als … nun ja, alles normal war, haben sich Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, wie wir Menschen uns zu dem entwickelt haben, was wir heute sind. Und was wir an unsere Kinder weitervererben.«
»Entstammt ihr nicht von Aeshma oder Morrigan?« Wie gebannt starrte Elle Bird an. Es wirkte fast so, als würde sie einen Menschen zum ersten Mal sehen.
Bird lachte freundlich. »In unserer Welt gibt es viele Religionen. Sie alle behaupten von sich, die einzig wahre zu sein, aber wer weiß das schon so genau? Nein, die Biologie kann neben dem Glauben existieren. Das ist meine Meinung. Beides kann wahr sein und …«
Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, da in eben jenem Moment die Tür aufgestoßen wurde und ein hochgewachsener Dämon mit schwarzem Haar und vor Wut glühenden Augen ins Zimmer stürzte. Mit einem Blick erfasste er den Raum, sämtliche Anwesende und Ausgänge. Ein Soldat, schoss es mir durch den Kopf, da ich diesen Blick nur allzu gut von Gareth kannte.
»Wo bist du gewesen, Elle?« Er baute sich vor uns auf. Elles Gesicht veränderte sich zu einer Maske aus Angst.
Es war unmöglich, den Beschützerinstinkt in mir niederzukämpfen und so versuchte ich es erst gar nicht. Ich sprang auf und stellte mich zwischen sie und dem bedrohlich wirkenden Königsdämon.
»Was denkst du eigentlich, wer du bist und was du hier tust? Einfach hier ungebeten hereinzuplatzen und dich derart aufzuführen!« Ich ließ meiner Wut Luft, stemmte die Hände in die Hüften und machte keinerlei Anstalten, zurückzuweichen.
Seine Nase kräuselte sich einen Moment missbilligend, dann atmete er tief durch. Wahrscheinlich gab er sich Mühe, sich zu beruhigen, um mich nicht zusammenzuschlagen. Nicht, dass ich es ihm leicht gemacht hätte, aber ich war froh, dass er anscheinend vernünftig genug war, Worte zu benutzen.
»Ich bin Elles Vater. Adam. Und wer bist du, Mensch?«
»Oh«, entschlüpfte es mir und ich überlegte schnell, was ich nun tun sollte. Ich versuchte mich daran zu erinnern, ob Elle ihren Vater mochte oder nicht, kam aber nur zu dem Schluss, dass sie kein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hatte. Bedeutete das also, dass sie meinen Schutz nicht benötigte? »Ich bin Alison Talbot.«
Adam schnaubte. Die Wut verschwand aus seiner Miene, was mich nun endlich die Ähnlichkeit zwischen ihm und seinen Geschwistern erkennen ließ. Es war seltsam, dass seine Haare im Gegensatz zu Lilianas und Dorians so dunkel waren. Vielleicht hatten Dorians aber auch dieses Schwarz besessen, bevor sich das Grau zwischen den dunklen Strähnen festgesetzt hatte.
»Hätte ich mir gleich denken können«, murrte er so leise, dass ich fast glaubte, mich überhört zu haben. Aber nur fast!
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen, dass es nur eine Person gibt, die es wagt, ihre Stimme gegen den Bruder des Königs von Ascia zu erheben«, konterte er, sich keineswegs zurücknehmend. Ich trat einen Schritt vor und musste meinen Kopf in den Nacken legen, um weiterhin den Blickkontakt zu halten. Er war sogar noch größer als Gareth. Es kribbelte in meinen Händen bei dem Gedanken, dass mich dieser Königsdämon im Handumdrehen töten könnte. Ich war mir fast sicher, dass er Fähigkeiten besaß, denen ich nichts entgegenzusetzen hatte.
»Ich habe mich nicht gegen dich gestellt, sondern vor Elle. Du hättest wer weiß wer sein können! Ich hätte nicht zugelassen, dass jemand deiner Tochter ein Haar krümmt, also solltest du mir besser dankbar sein, anstatt mich zu behandeln, als wäre ich ein ungehorsames Balg.« Ich atmete tief ein und aus. Ich fühlte ein seltsames