Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas

Ein Thron aus Knochen und Schatten - Laura Labas


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rief jemand, bevor er kraftlos vom Rücken des Pferds glitt und von jemandem aufgefangen wurde, ehe er auf dem Boden aufschlagen konnte. »Bringt ihn ins Krankenlager!« Das musste Keera sein. Sie sorgte sich stets um ihn und wurde zur Glucke, wenn er nur einen Kratzer aufwies.

      Wie im Delirium nahm er wahr, dass man ihn in ein Bett legte, ehe seine von Schweiß und Blut getränkte Kleidung entfernt wurde. Seine Verletzung brannte wie Feuer, als jemand darin herumzupulen begann.

      »Das sieht schlimm aus. Wir müssen operieren«, kommentierte Keera leise, aber bestimmt. Das war ihr Job als Ärztin. »Ich gebe dir ein Sedativum und ein fiebersenkendes Mittel.«

      »Gnnh. Nicht!« Er wollte sich deutlicher weigern, da sie die kostbare Medizin, die sie noch besaßen, möglicherweise für andere brauchen könne, doch Keera wollte nichts davon wissen.

      »Wir haben sie für genau diesen Zweck, Colin.« Eine Nadel wurde in seinen Arm gestochen, der für ihn zu schwer war, um ihn zu bewegen. Stille. »Schlaf gut.«

      Er spürte, wie er immer weiter weggetragen wurde. Wasser schien sich um seine Sinne zu legen und begrub ihn unter sich.

      Kapitel Drei

      Die Kutsche ruckelte heftig, als wir über die Pflastersteine fuhren. In wenigen Augenblicken würden wir den Marktplatz sehen können, der zu dieser Uhrzeit allein von Menschen besucht wurde. Mittags gehörte die Stadt den Menschen, die sich der Vorstellung hingaben, dass es keine Dämonen gab. Nur heute würden wir sie in ihrer Illusion stören, da vor und hinter uns mehrere Königs- und Schattendämonen auf Pferden ritten. Wir Novizen befanden uns in der ersten von den drei Kutschen. Da man uns nicht in Begleitung von Dorian sehen durfte, hatte er die mittlere Kutsche für sich beschlagnahmt. In der letzten saß, soweit ich Bescheid wusste, Eliza mit Bird und zwei weiteren Verletzten, die ihrer Pflege bedurften. Die anderen menschlichen Diener hatten in ihren dunkelgrauen Uniformen neben den Kutschern Platz genommen.

      »Alison!«, wies mich Ophelia zurecht. Meine Hand hatte sich zum Vorhang bewegt, der vor einem offenen Fenster angebracht worden war. »Gareths Anweisungen waren klar. Wir dürfen unsere Gesichter unter keinen Umständen zeigen.«

      Ich verschränkte die Arme und ließ mich zurück in den Sitz fallen. Ian und Hadley warfen Phi und mir neugierige Blicke zu. Es war nichts Neues, dass wir uns in den Haaren lagen, aber seit dem Kampf gegen die Kaskaden hatten wir uns eigentlich auf einen vorübergehenden Waffenstillstand geeinigt.

      »Sorry, hatte vergessen, dass du Gareth immer noch in den Arsch kriechst.« Normalerweise hätte ich sie mit Ignoranz gestraft, doch meine Nerven waren aufgrund unseres hastigen Aufbruchs zum Zerreißen gespannt. Es geschah nicht alle Tage, dass ich es schaffte, ein ganzes Volk gegen mich aufzubringen. Hoffentlich hatte Dorian recht und die Kaskaden würden uns nicht bis in die Stadt folgen. Das wäre eine Katastrophe. Zudem gab es wichtigere Dinge, um die ich mich kümmern musste.

      Phi schnaubte. »Ach, komm schon, Aly«, entgegnete sie süffisant. »Damit kannst du mich nicht mehr unterbuttern. Ich weiß, was ich will und wenn es dir nicht passt, sei ruhig.«

      Blinzelnd erwiderte ich ihren energischen Blick. Das spitze Kinn hatte sie keck angehoben, während sich ihre blauen Augen in meine bohrten. Sprachlos wandte ich schließlich das Gesicht ab und widerstand dem Drang, ihr wie ein Kleinkind die Zunge rauszustrecken. Wie kam es, dass sie sich plötzlich erwachsener als ich verhielt?

      Ich fragte mich, was sie sagen würde, wenn ich ihr von dem nicht ganz unschuldigen Kuss zwischen Gareth und mir erzählte. Nicht, dass sich dadurch etwas geändert hätte, außer dass ich von mir selbst angewidert war.

      »Es ist echt viel los hier draußen«, kommentierte Hadley, der den Vorhang auf seiner Seite ein Stück vorgezogen hatte. Die Beschwerde lag mir bereits auf der Zunge, dass Phi ihn nicht ermahnt hatte, als mir klar wurde, dass sie lediglich darauf wartete. Ihr kalkulierter Blick verriet mir immerhin so viel.

       Blöde Kuh.

      Ich beugte mich vor und hielt den braunen Vorhang auf meiner Seite zurück, ohne meinen Kopf zu weit rauszustrecken. Hadley hatte recht. Wir kamen nur sehr langsam voran, da die Menschenmenge Mühe hatte, sich in den engen Straßen aufzuteilen. Die Sonne hatte sich zwischen den Wolken hervorgekämpft, was die Massen erklärte. Jeder wollte den warmen Herbsttag genießen.

      »Alison?« Hadley spielte mit seinen Dreadlocks, nachdem er den Vorhang wieder fallen gelassen hatte. Neugierig lehnte ich mich vor. »Sag mal, was hast du eigentlich vor, wenn das alles hier vorbei ist? Ich weiß von Bird, dass sie sich an einem sicheren Ort niederlassen möchte. Vielleicht sogar hier in Ascia. Aber was ist mit dir?«

      »Was ist mit euch? Ich erinnere mich daran, dass mir recht unhöflich der Mund verboten wurde, als ich euch das letzte Mal danach gefragt habe.« Mein Blick huschte kurz zu Phi, doch sie nahm den dargebotenen Köder nicht an. Verdammt. Sie spielte mir ihre neu gewonnene Reife wirklich nicht vor. Oder sie konnte nur sehr lange daran festhalten.

      »Nur etwas Geld besitzen. Sicherheit. Und Phi möchte ihren Vater finden«, verriet er, bevor sie ihn aufhalten konnte.

      »Du sollst mich nicht so nennen«, stieß sie wütend hervor, ehe sie ihren Blick abwandte und eine sture Haltung einnahm.

      »Sorry«, entschuldigte sich Hadley kleinlaut, der der Einzige abgesehen von mir war, der ständig ihren Zorn abbekam. Ian war Phis bester Freund, weshalb er oftmals spielerisch getadelt wurde. Bird war selbst für die Oberzicke ein zu leichtes Opfer und ich glaubte mittlerweile sogar fast, dass Phi die kleine Japanerin ins Herz geschlossen hatte. Des Öfteren hatte sie Bird mit einem nachsichtigen Blick und einem freundlichen Lächeln bedacht. Also blieb nur Hadley als angemessenes Opfer übrig, nachdem wir Clay Dupont im Kampf gegen die Kaskaden verloren hatten. Ich hatte keine sonderlich gute Beziehung zu ihm gehabt, die anderen aber hatten ihn viele Jahre gekannt und man merkte ihnen die Trauer noch an.

      »Ich will jemanden finden«, antwortete ich ausweichend, obwohl Hadley nicht weiter nachgebohrt hatte.

      »Und Dorian soll dir dabei helfen?«, hakte überraschenderweise Ophelia nach, die wohl vergessen hatte, weiterhin beleidigt zu sein.

      »Das ist der Plan, ja«, nickte ich. Mir war nicht ganz klar, was mich nun dazu bewegte, die Wahrheit zu sagen, außer vielleicht, dass wir doch ein Team waren. Es war etwas, mit dem ich noch lernen musste umzugehen. Aus diesem Grund behielt ich die Tiefe meiner Rachegelüste für mich. Evan hatte mich damals aus diesem Grund abgewiesen, da er nicht mit meinem Wunsch nach Vergeltung konkurrieren konnte oder wollte. Bird war die Einzige, der ich mich bisher anvertraut hatte und die mich deshalb nicht anders ansah.

      Schließlich ließen wir den Marktplatz hinter uns und fuhren die Auffahrt zum Rathaus hinauf. Da wir nun die meisten Menschen hinter uns gelassen hatten, zog ich den Vorhang komplett zurück und legte meine Unterarme auf die Fensterkante, während ich die gepflegten blauen und violetten Hortensienbüsche betrachtete, die in voller Blüte standen. Eine leichte Brise umwehte mein Gesicht, als ich den Kopf auf meine Arme bettete.

      Ich erhaschte das erste Mal seit unserer Abreise einen Blick auf Gareth, der von seinem dunkel gescheckten Hengst stieg und die Zügel einem Stallknecht reichte. Als ob er meinen Blick gespürt hätte, wandte er sich in meine Richtung und runzelte die Stirn. Was er wohl dachte? Ging ihm unser Kuss durch den Kopf? Oder hatte er das Thema bereits für sich abgehakt? Er hatte sehr deutlich gemacht, dass es sich lediglich um körperliche Anziehung handelte und ich keinen Aufstand darum machen sollte, aber wie sollte ich nicht? War es nicht falsch, wenn er sich zu mir und ich mich zu ihm hingezogen fühlte? Er war ein Königsdämon und ich ein Mensch. So etwas sollte doch nicht passieren, oder?

      Den Kopf schüttelnd zog ich mich zurück, wartete, bis die Kutsche zum Stehen kam, und ließ dann den anderen den Vortritt. Plötzlich hatte ich es gar nicht mehr so eilig, auszusteigen.

      Nachdem ich allerdings die Einzige war, die noch drin saß, konnte ich das Unweigerliche nicht


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