Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas

Ein Thron aus Knochen und Schatten - Laura Labas


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was sie taten. Schon wieder. Ihre Augen weiteten sich in dem gleichen Horror, den auch er in seinem Herzen spürte.

      »Halt still«, wies er sie grob an. Viel grober, als sie es verdient hatte, während er versuchte, seine Finger aus ihrem weichen Haar zu lösen.

      Ihre Atmung ging stoßweise, während er sich selbst noch weit besser unter Kontrolle hatte. Schließlich war er ein Dämon. Sie war nur ein Mensch.

      Ein Mensch.

      Er hatte schon wieder einen Menschen geküsst.

      Er hatte schon wieder Alison geküsst.

      Schließlich konnte er sich befreien und rückte eilig von ihr ab. »Ich dachte, du hast Trai-« Sie war um die nächste Ecke verschwunden, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte. Verwirrt und zorniger als zuvor blickte er ihr hinterher.

      »Verdammte Scheiße«, fluchte er, bevor er in die Sprache verfiel, die sie in Duster sprachen. In dieser ließ es sich um einiges besser fluchen.

      Als er sein Zimmer erreichte, stellte er sich als Erstes im anschließenden Bad unter die Dusche und versuchte, wieder zu Sinnen zu kommen. Einmal mochte ja noch verzeihlich sein, aber zwei Mal die Kontrolle verlieren? Wohl kaum.

      Er hatte nicht gelogen, als er Alison gesagt hatte, dass es nicht verwerflich war, wenn man sich körperlich zueinander hingezogen fühlte, aber was er zurückgehalten hatte, war, dass dies nicht für Menschen galt. Zumindest nicht für Mensch und Dämon.

      Wie konnte das sein? Er mochte weder ihre Rasse noch sie individuell und konnte ihr in dem Punkt nur zustimmen. Sie sollten sich voreinander ekeln; voneinander abgestoßen sein. Aber sich unter keinen verflixten Umständen zueinander hingezogen fühlen!

      Die kalte Dusche trug nicht sehr viel dazu bei, seine Gefühle zu zügeln, obwohl er sonst keine Probleme damit hatte. Schließlich gab er den Versuch auf, trocknete sich ab und schlüpfte in seine normale Kleidung, die er trug, wenn er sich in Dorians Nähe aufhielt. Jeder Wächter war mit einer schwarzgrauen Uniform mit einem aufgestickten goldenen A auf der Brust ausgestattet, doch da er auch Dorians rechte Hand war, reichte es aus, wenn er sich in dunkle Jeans, ein schwarzes Shirt und eine Jacke kleidete. Hier wusste ohnehin jeder, wer er war.

      Noch immer konnte er den Gedanken an Alison nicht abschütteln. Sie war ihm eindeutig unter die Haut gegangen, obwohl er sich selbst stets in Erinnerung gerufen hatte, dass er nicht vergessen durfte, dass sie nur aus einem Grund hierblieb. Sie wollte Rache. Er würde allerdings nicht zulassen, dass sie diese bekam.

      Ob sie jemals Abstand davon nehmen würde? Er wusste, es war müßig, darüber zu grübeln, doch gerade in den Momenten, in denen sie sich Königsdämonen wie Elle oder Lily gegenüber ganz normal verhielt, schöpfte er Hoffnung.

      Hoffnung? Er schüttelte bei dem Gedanken daran den Kopf. Es wirkte fast so, als verhielte er sich wie ein liebeskranker Vollidiot. Am besten stattete er bald mal wieder Vitória einen Besuch ab, obwohl sie ihm die meiste Zeit auf die Nerven ging. Schlimm genug, dass sie ihm bis ins Camp gefolgt war und nun auch nach Ascia …

      Als er gerade sein feuchtes Haar mit einem Handtuch abrubbelte, klopfte es kurz an die Tür und Adam trat ungebeten ein.

      »Ich habe dich nicht eingeladen, Adam«, warnte er seinen Freund, der sich nicht davon beeindrucken ließ. Gelassen schlenderte er zu Gareth, musterte ihn von oben bis unten und nickte dann in Richtung offener Tür.

      »Lust, mich in den Garten zu begleiten?«

      »Was willst du dort?« Gareths Augen verengten sich misstrauisch.

      »Mir die Novizen ansehen, was sonst?« Er seufzte, als sich Gareth noch immer nicht regte. Seine Schultern senkten sich und er ließ es zu, dass Gareth die Erschöpfung in seinem Gesicht sah. »Komm schon, ich fechte genug Kämpfe mit Lystra aus. Kannst du es mir da mal nicht einfach machen?«

      Gareth zögerte noch einen Moment, nickte dann aber aus für ihn unerklärlichen Gründen. Zusammen traten sie in den Flur.

      »Noch immer Ärger im Paradies?«, hakte er nach, als er sich an Elle in Alisons Bett erinnerte. Die Kleine nahm das Theater um ihre Person anscheinend ganz schön mit. Was sagte das über ihre Familie aus, wenn sie ausgerechnet Trost bei einem ihrer natürlichen Erzfeinde suchte?

      »Das Paradies ist schon lange vergangen und das weißt du auch.« Adam rieb sich die Schläfen. »Es ist ja nicht mal so, als würde sich Lystra sonderlich für mich oder Elle interessieren. Sie gibt sich nur mit der gehobenen Gesellschaft ab, besucht Partys und hat einfach Spaß. Wieso kommt sie dafür nach Ascia? Das alles hätte sie auch in Billings oder sonst wo haben können. Wieso muss sie es vor den Augen ihrer Tochter tun, die sie einfach verlassen hat?«

      Gareth hörte die Sorge und Müdigkeit deutlich heraus, wusste aber auch, dass sein Freund sein Mitleid nicht haben wollte, weshalb er lediglich nickte. Es gab nichts, dass er zu tun in der Lage gewesen wäre. Dies war Adams Kampf.

      Sie erreichten die Terrasse, doch niemand war in Sichtweite. Anscheinend übten sie gerade weiter hinten im Garten. Die Anspannung, die sich für wenige Augenblicke verflüchtigt hatte, kehrte in seine Schultern zurück.

      »Und was ist mit dir los?«, lenkte Adam die Aufmerksamkeit auf Gareth. Also gerade das, was dieser nicht wollte.

      »Nichts«, murmelte er, bevor sie die Lichtung erreichten, auf der die Novizen trainierten.

      Die Jäger waren gerade beim Waffentraining mit Noah und kämpften zwei gegen einen. Alison hatte natürlich keinerlei Probleme mit ihrem Waidblatt in der linken und einem zweiten kleineren Dolch in der rechten Hand. Ophelia und Hadley griffen sie unkoordiniert und ineffektiv an. Gareth hätte beinahe die Augen verdreht, doch da begann seine kleine Jägerin, noch während sie sich gegen sie verteidigte, ihnen Tipps für einen besseren Angriff zu geben. Er war fassungslos. Und dann …

      SEINE KLEINE JÄGERIN? Er musste sich eine ernsthafte Krankheit eingefangen haben. Anders konnte er sich diese Gedanken nicht erklären.

      »Das ist also die berühmt-berüchtigte Jägerin in Aktion«, bemerkte Adam trocken. Gareth wusste von ihrem Aufeinandertreffen und es ärgerte ihn, dass er nicht dabei gewesen war. Adam hatte es so wirken lassen, als hätte Alison sich beschützend vor seine Tochter gestellt. Aber war die Vorstellung so absurd? Schließlich hatte er auch gesehen, dass sie Elle Zuflucht in ihrem Zimmer gewährt hatte.

      »Hmpf.«

      Adam lachte leise. Sie beide standen nebeneinander in ähnlicher Haltung, die Arme vor den muskulösen Oberkörpern verschränkt und beinahe emotionslos aufs Geschehen schauend. Adam überragte ihn um ein paar Zentimeter und war vielleicht etwas breiter im Schulterbereich, doch ansonsten hätten sie auch gut und gerne Zwillinge sein können. Im Gegensatz dazu sah Gareth Adams Bruder Dorian nicht so ähnlich. Trotzdem fühlte er sich wie ein Teil der Familie.

      Sein Blick war einzig auf Alison gerichtet, die er noch vor wenigen Minuten in den Armen gehalten und geküsst hatte. Jetzt bewegte sie sich wie ein Raubtier, geschwind und natürlich. Sie erschien ihm fast wie eine Dämonin des Kampfes.

      »Was?«, bellte Gareth, als das Lachen nicht aufhörte.

      »Wenn du deinen Blick jetzt sehen könntest. Sie hat es dir wirklich angetan, oder?«

      Gareths Miene verdüsterte sich. Er hoffte, dass Adam an seinem dämlichen Lachen erstickte. »Das ist absurd und das weißt du auch. Sie ist nur ein Mensch.«

      »Ja und?« Adam hob provozierend eine Augenbraue.

      »Mach dich nicht lächerlich.«

      »Weißt du«, sagte er nach ein paar Sekunden des Schweigens. »Ich habe meinen Bruder nie gefragt, warum gerade sie. Wieso wollte er unbedingt eine Gildenjägerin in den Reihen? Das verursacht nur Probleme.« Er klang fast so, als würde er die Antwort bereits kennen, doch Gareth biss trotzdem an.

      »Dorian will verhindern, dass die Krankheit, die die Schattendämonen in den Wahnsinn treibt, weiter um sich greift und dafür braucht er die beste Jägerin. Alison


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