Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas
zu meinen Soldaten zurückkehren, um unsere Truppen zu stärken. Vor allem, wenn sich die Lage mit Billings weiterhin verschärfen sollte.«
»Spätestens wenn wir aufbrechen, wird Dorian erwarten, dass du dich von Elle trennst.«
»Zuerst muss Lystra verschwinden«, erwiderte er ernst. Keine Spur war mehr von dem neckischen Lächeln zurückgeblieben. Gareth wünschte sich plötzlich, dass das Leben einfacher wäre. Zumindest manchmal.
Kapitel Neun
Die Tage vergingen in einem immer gleichen Trott, während der Herbst über das Land zog und den Wind durch die Straßen sandte. Das Training wurde stetig intensiver und es machte sich bezahlt, dass Ophelia und ich so gut zusammenarbeiteten, um die anderen unserem Level anzupassen. Oder zumindest so nahe wie möglich anzugleichen. Bird ging es mittlerweile wieder so gut, dass sie einfache Bewegungsabläufe ausführen konnte und auch beim Waffentraining dabei war, wobei sie das Kämpfen noch ausließ.
Heute Nacht würden wir das erste Mal auf unsere Kondition geprüft werden. Noah hatte eine Art Schnitzeljagd vorbereitet, die wir in Teams bestreiten mussten. Hadley und ich gegen Ophelia und Ian, was in meinen Augen relativ ausgeglichen schien.
Gerade befanden wir uns auf dem überdachten Teil der Terrasse und legten unsere Waffen an, während der Regen um uns plätscherte. Er würde alles noch unnötig erschweren, aber ich wusste, dass Noah den Test nicht verschieben würde, nur weil mir das Wetter nicht zusagte.
»Reichst du mir das Ledertuch?«, bat ich Ian, der mir lediglich einen abfälligen Blick zuwarf. Aha. Anscheinend war er schon dem Konkurrenzdenken verfallen. Die Augen verdrehend beugte ich mich selbst über den Tisch und griff in demselben Moment wie Gareth nach dem Tuch. Unsere Finger berührten sich für den Bruchteil einer Sekunde, bevor wir beide zurückzuckten.
Anstatt ihn anzusehen, zog ich den Gurt um meinen Oberschenkel enger und befestigte mein Waidblatt daran, dessen Griff ich vorher eigentlich hatte säubern wollen. Das war mir jetzt aber wirklich nicht mehr wichtig.
Seit unserem Kuss, unserem zweiten Kuss, hatten Gareth und ich nur noch das Nötigste miteinander gesprochen. Obwohl er nach unserem ersten Kuss keine ernste Reaktion gezeigt hatte, war es mittlerweile doch offensichtlich, dass ihn unsere gegenseitige Anziehungskraft genauso erschütterte wie mich. Normalerweise sollte das nicht sein. Ein Dämon und ein Mensch sollten sich unter keinen Umständen zueinander hingezogen fühlen. Und doch waren Eliza und Ty ein lebendes Beispiel dafür, dass es funktionierte. Natürlich wurden sie von vielen schief angesehen, aber ihnen war es ganz offensichtlich egal. So könnte ich niemals sein. Wenn ich nur darüber nachdachte, wie Evan mich ansehen würde, würde er je von dem Kuss erfahren … Nun, sagen wir einmal so, ich würde es vermeiden wollen. Unter allen Umständen.
Ich sah, dass Gareth die Terrasse verließ, um sich auf Position zu begeben. Noah und Bird würden an unserem Zielort auf uns warten. Ty würde Hadley und mich zu einem anderen Startpunkt bringen als Clarke Phi und Ian. Obwohl das hier nur eine Art Spiel war, war ich doch ziemlich aufgeregt. Ich war nicht dafür geschaffen, Tag für Tag hier eingepfercht zu sein und allein zu trainieren nur um des Trainierens willen. Nein. Ich musste raus.
Bevor wir in den Regen hinaustraten, legte ich meinen schwarzen Umhang um, den wir alle großzügigerweise von Dorian bekommen hatten. Ich würde zwar lieber meine Lederjacke tragen, entschied aber, dass ich heute einmal nach den Regeln spielen würde.
Die Kapuze über meinen Kopf ziehend, folgte ich Ty und Hadley nach draußen. Wir durchquerten den Garten in einem schnellen Schritt, um schließlich durch die Gartentür zu gehen, die Gareth und ich täglich nutzten, nachdem wir durch die Straßen gejoggt waren. Den ersten Kampf hatten wir nicht mehr wiederholt. Ich wusste nicht, ob Gareth mich schonen wollte oder ob ihn die Nähe zu mir genauso quälte wie mich. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht mal wirklich darüber nachdenken.
»Wohin bringst du uns?«, fragte ich, den Umhang enger um mich ziehend, als wir bereits seit zehn Minuten unterwegs waren. Ich fühlte mich schon jetzt komplett durchweicht und wusste, dass es schlimmer werden würde, sollten wir stehen bleiben.
»Dorthin«, antwortete Ty tatsächlich. So ganz hatte ich nicht damit gerechnet. Er deutete auf ein Stück Stadtmauer, das zwischen zwei Häuserwänden sichtbar wurde und auf der ein roter Kreis prangte, als wäre er mit Kreide aufgemalt worden. Durch den stetigen Regen war die Farbe bereits etwas verlaufen.
»Das ist euer erster Hinweis.« Er reichte uns einen weißen Briefumschlag, gerade als die Turmuhr zur neunten Stunde läutete. »Eure Zeit läuft ab jetzt. Seid schneller als die anderen.«
Mit einem knappen Nicken verabschiedete er sich in die regnerische Dunkelheit. Ich riss den Umschlag auf und ließ Hadley näher kommen, damit wir uns beide so über die Nachricht beugen konnten, dass sie nicht nass wurde. Ein einzelner Satz stand auf dem Blatt, das ich hervorgezogen hatte:
Flackernd in der Dunkelheit
»Flackernd in der Dunkelheit?«, wiederholte ich fragend, blickte auf die Rückseite und besah mir dann wieder den Satz. »Was soll das bedeuten?«
Hadley sah mich nachdenklich unter seiner Kapuze hervor an. »Ich nehme an, es bezeichnet einen Ort, an den wir uns begeben sollen.«
Ich verdrehte die Augen. Natürlich. Die Frage lautete bloß, welcher Ort. Flackernd in der Dunkelheit.
»Was verbindest du damit?«
»Hm, Licht, Kerze, Wärme und Feuer?«
Ich runzelte die Stirn. Meine Laune sank zunehmend, je länger wir hier unbeweglich im Regen standen und über dieses Rätsel nachgrübelten.
»Mehr fällt mir auch nicht ein«, gab ich frustriert zu, blinzelte gegen den Regen an und betrachtete eine der Gaslampen, die die Gasse erhellten. Sie waren eindeutig praktischer als Kerzen und ließen sich durch ein ausgetüfteltes Rohrsystem ziemlich leicht bedienen. Licht. Oder doch Gaslampen? Aber am Docht oder in einer Feuerstelle flackerte das Feuer eindeutig mehr als in einer mit Glas umfassten Gaslampe.
Hadley stieß ein triumphierendes Keuchen aus. Sein Blick huschte von der Gaslampe zu mir. »Kerzen!« Anscheinend hatte er einen ähnlichen Gedankengang verfolgt wie ich.
»Wieso Kerzen?«
»Sie flackern in der Dunkelheit und sie gehörten zur Grundausstattung eines jeden Haushaltes«, antwortete er sofort und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. »Seitdem es verboten wurde, Elektrizität zu benutzen, besitzt jeder Kerzen. Soweit ich weiß, gibt es in mehreren Städten Fabriken, die sich allein auf die Kerzeninnung spezialisiert haben … vielleicht …«
»Hadley!«, rief ich aus und steckte den Brief in meine Manteltasche. »Das ist genial! Weißt du, ob es hier eine Kerzenfabrik gibt?«
Er grinste. »Oh ja, im südlichen Teil, nahe des Bahnhofs.«
»Dann mal los. Wir haben unser Ziel.« Ich grinste. Die Zuversicht war mit einem Mal wieder da. Ich blickte nach oben und begann, als ich genügend Halt an der Backsteinmauer gefunden hatte, mich hochzuhangeln.
»Was tust du?« Ich konnte das Staunen aus seiner Stimme heraushören.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich es den Dämonen einfach mache, uns Fallen zu stellen, oder?« Ich blickte ihn über meine rechte Schulter hinweg an. »Wir laufen über die Dächer.«
»Darauf hätte ich selbst kommen können«, murmelte er kopfschüttelnd.
Es war gar nicht so einfach, da der Regen den Stein glitschig machte, doch sobald ich mit einer Hand die Halterung der Gaslampe erreicht hatte, war es nur noch ein Klacks, mich hochzustemmen und die Halterung dann als Fußstütze zu benutzen. Mit den Fingern erreichte ich schließlich die Dachrinne, ließ meine Hand weiterwandern und bekam die ersten Dachziegel zu fassen, zog mich an ihnen hoch und rollte dann auf das glitschige Dach. Hadley folgte zwei Sekunden später.
»Sei