Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas

Ein Thron aus Knochen und Schatten - Laura Labas


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bevor ich mich daran erinnerte, meine Dolche zu heben, um mich zu verteidigen. Im nächsten Moment wurde Camun jedoch, als er erneut ausholte, von Hadley hinter ihm überrascht, der das Messer in seinen Rücken rammte. Er sank auf die Knie, die Arme leblos an den Seiten herabhängend. Ich konnte ihn nur anstarren.

      Hadley zog sein Messer hervor und rammte ihm dieses zusätzlich in die Brust. Als er zur Seite trat, sah ich, wie Camuns Lider flatterten, als er mit dem Kopf voran auf dem Boden landete. Schwer atmend starrte ich seinen leblosen Körper an. Es würde ihn nicht töten. Nein. Dafür hätten wir ihn köpfen oder verbrennen müssen. Vielleicht sollte ich das noch nachholen …

      »Alison?« Hadley berührte mich zaghaft an der Hand.

      »Es tut mir leid, ich …« Ich räusperte mich. »Danke.«

      »Schon gut.«

      Gemeinsam rannten wir zum Tempeleingang, nachdem wir gesehen hatten, dass Phi und Ian noch immer mit Gareth beschäftigt waren. Die massiven dunkelgrauen Säulen endeten in einem steinernen, recht schmucklosen Spitzdach, welches das zweistöckige Gebäude bedeckte. Wir erreichten Noah und Bird, die uns grinsend unter dem Vordach begrüßten. Den heiligen Dämonentempel durften wir Menschen natürlich nicht betreten.

      »Herzlichen Glückwunsch. Ihr habt gewonnen«, strahlte Noah und umarmte mich sogar. Ich ließ es über mich ergehen, war mit den Gedanken jedoch weit entfernt. Der Sieg bedeutete mir nichts, obwohl ich mich für Hadley freute. Ohne ihn wäre ich Camun nicht entkommen.

      Ophelia und Ian waren durchgefallen, da sie es nicht geschafft hatten, gegen Gareth zu bestehen. Dementsprechend schlecht waren auch ihre Launen, als sie mit uns Gewinnern zurück zum Rathaus gingen. Wie auch schon zuvor, nahmen wir den Garteneingang und strömten wie schmutzige Kinder, die beim Spielen draußen übertrieben hatten, ins Haus. Jeder machte sich sofort auf den Weg in sein Zimmer. Ich deutete allerdings nur an, in meines zu gehen, wartete, bis sie sich eingeschlossen hatten, und rannte dann den Flur entlang nach unten bis zu Dorians Arbeitszimmer. Die Wut trieb mich an.

      Als ich die Tür öffnete und in den Raum stürmte, begrüßte mich nichts außer Dunkelheit und Leere. Niemand war hier.

      »Hat sich Dorian dir gegenüber nicht klar genug ausgedrückt? Eure gemeinsamen Teestunden finden nicht mehr länger statt.« Gareth war mir gefolgt und ich hatte ihn nicht bemerkt. Anscheinend war ich noch um einiges erschöpfter als angenommen.

      Wie ich war er vollkommen durchnässt, aber weniger verschmutzt und überhaupt nicht verletzt. Meine Schulter und Wangen pochten, aber gerade hatte ich besseres zu tun, als mich um meine Verletzungen zu kümmern.

      »Das war, bevor er mir Camun auf den Hals gehetzt hat!«, schrie ich außer mir, nicht mehr länger dazu in der Lage, den Schock und den Zorn in mir zu halten. Ich zitterte am ganzen Körper. »Oder habe ich etwa dir dafür zu danken?«

      Er hob beide Augenbrauen und kreuzte abweisend die Arme.

      »Wenn du bereits bei jemandem wie Camun gelähmt bist, wie willst du dann den Mördern deiner Eltern begegnen? Mit eingeklemmtem Schwanz?« Ich holte aus, um ihm mit meiner Faust zu zeigen, was ich tun würde, doch er hatte selbst nach einer ereignisreichen Nacht wie dieser übermenschliche Reflexe und bekam mein Handgelenk zu fassen, bevor ich überhaupt nur in die Nähe seines Gesichts kam.

      »Was interessiert dich das?« Ich versuchte mich zu befreien, aber er ließ mich nicht los. »Also, warst du es?«

      »Es war Noahs Idee. Ich habe dem bloß zugestimmt.« Er beobachtete mich ganz genau, als er seinen Griff endlich lockerte und ich ihm meine Hand entziehen konnte. Plötzlich kraftlos.

      »Noah?«, hauchte ich entsetzt. »Und du … du konntest dir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen als diesen, um ihm zuzustimmen?«

      Fassungslos schüttelte ich den Kopf.

      »Ich hielt es für eine lehrreiche Lektion. Offensichtlich lag ich damit richtig. Camun hätte dir nicht derart unter die Haut gehen dürfen.« Wie konnte er nur immer noch so ruhig sein? Er verstand wirklich nichts von menschlichen Gefühlen.

      »Du selbstgerechtes Arschloch!«

      »Beschimpfe mich ruhig, wenn es dir dadurch besser geht, aber wir wissen beide, dass du noch viel zu lernen hast. Du bist zu weich und naiv.«

      »Naiv? Weich?« Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Mir war in meiner Zeit als Jägerin schon viel vorgeworfen worden, ganz oben auf der Liste standen stur, hartherzig und mein persönlicher Favorit gefühlskalt, aber weich und naiv waren Neuheiten. »Du hast sie doch nicht mehr alle.«

      Ich drängte mich an ihm vorbei in den Flur.

      »Du bist zu seiner zahmen Katze geworden und frisst ihm aus der Hand.« Er meinte Dorian und brachte mich dazu, stehen zu bleiben. Wieder dachte ich an meine eigene Befürchtung von vorhin und wusste plötzlich, was Gareth von mir wollte. Ich blickte ihn verblüfft an.

      »Dorian hat Camun in meine Richtung gelenkt, um sich selbst nicht die Finger schmutzig zu machen«, formte ich meine Ahnung endlich in Worte und erkannte an Gareths strammem Nicken, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

      »Er ist ein Diplomat und wollte sich nicht aktiv in Angelegenheiten der Gilde einmischen. Einmal hier, besaß er allerdings die Verfügungsgewalt über dich.« Er zuckte mit den Schultern. »Camun weiß bis heute nicht, dass er manipuliert worden ist.«

      »Und wieso erzählst du es dann mir?« Meine Stimme war kratzig und rau, als würde die Ermüdung nun auch meine Stimmbänder erreichen.

      »Du hast es doch bereits gewusst«, sagte er leise, den Blickkontakt zu mir haltend, bis ich es war, die sich abwandte. Ich brauchte keine Wiederholung von dem letzten Moment, in dem wir zwei allein im Flur gestanden hatten.

      Wortlos ließ ich ihn stehen, um die Person aufzusuchen, die meine Wut wirklich verdient hatte. Noah konnte sich auf was gefasst machen.

      Während ich den Flur mit meiner nassen Kleidung volltropfte und die Teppiche damit vermutlich ruinierte, kam mir der Gedanke, zuerst zu duschen, aber da ich zu aufgebracht war, verwarf ich den Einfall sofort wieder.

      Mit geballten Fäusten klopfte ich an seine Tür, die sich auf derselben Etage wie mein Zimmer befand. Ohne eine Antwort abzuwarten, platzte ich in den Raum und fand Noah auf dem Bett sitzend und über Stadt- und Baupläne grübelnd vor. Bevor er sie umdrehen konnte, erkannte ich einen der Titel. Billings’ Rathaus.

      Seine braunen Haare sahen dunkler aus als sonst, da sie noch feucht vom Duschen waren. Er blickte mich fragend an; auf der Hut. Er wusste, dass ich nicht hergekommen war, um zu plaudern. Die Tür drückte ich hinter mir ins Schloss. Noch immer sagte er nichts. Entweder er ahnte wirklich nicht, wieso ich hier war, oder ihm war es egal. Ich konnte nicht sagen, was schlimmer war.

      »Was sind das für Pläne?« Ich trat näher ans Bett heran, während ich mit einem Blick die Einrichtung seines Zimmers aufnahm. Das Mobiliar unterschied sich kaum von meinem, aber es gab unzählige Bücher, Manuskripte, Pläne und Schreibutensilien, die auf jeder freien Oberfläche zu finden waren. Es wirkte chaotisch.

      »Geht dich nichts an«, antwortete er ausweichend und rollte die großen Papiere zusammen, ohne dass mich seine hellgrünen Augen losließen.

      Er traut mir nicht, schoss es mir durch den Kopf und dämpfte meine Wut ein wenig. Wieso war ich so überrascht darüber?

      Als ich direkt vor ihm stand und er seinen Kopf in den Nacken legen musste, um mir ins Gesicht zu sehen, erhob er sich mit langsamen Bewegungen, als würde er es vermeiden wollen, ein Raubtier zu provozieren.

      »Gareth sagte mir, dass Camun auf deinen Mist gewachsen ist«, sprach ich endlich den Grund an, der mich zu ihm geführt hatte. Meine Fäuste hatten sich mittlerweile gelöst. Ich zitterte vor Kälte.

      »Und du glaubst ihm natürlich sofort«, schnaubte er abfällig und fuhr sich mit einer Hand durch das nasse Haar. Seine Lippen


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