Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.
mehr entziehen. Unter Herzog Albrecht II. gelang den Habsburgern 1335 die Erwerbung von Kärnten; Tirol, seit 1335 zwischen Luxemburgern und Wittelsbachern umkämpft, wurde 1363 habsburgisch. Maßgeblichen Anteil am außergewöhnlichen Erfolg der habsburgischen Dynastie hatte deren rasche Einwurzelung in den Herzogtümern Österreich und Steiermark, verbunden mit einer fundamentalen Schwerpunktverlagerung des Geschlechts in den Osten. Bald schon galt das Herzogtum Österreich den Habsburgern als Namen und Identität vermittelndes Hauptland. Die Bezeichnung domus Austrie ist erstmals 1326 für die Dynastie belegt. Breitere Anwendung scheint der »Haus Österreich«-Begriff indes nicht vor 1438/39 gefunden zu haben, als die Habsburger mit Albrecht II. wieder in den Besitz der römisch-deutschen Königswürde gelangten. Im späteren 15. Jahrhundert geriet der Name »Haus Österreich« sodann bisweilen auch zum Ersatz für den fehlenden Gesamtnamen des habsburgischen Territorienkomplexes, überwiegend war damit aber weiterhin die Dynastie gemeint.
Ihren ersten Höhepunkt erreichte die habsburgische Territorialmacht unter Rudolf IV. (1339–1365), dem wohl bedeutendsten Mitglied der Dynastie im späteren Mittelalter. Vom königsgleichen Rang seines Hauses und seiner Länder zutiefst überzeugt, setzte er alles daran, diesen im Wettstreit mit Luxemburgern und Wittelsbachern durch verschiedene Maßnahmen, nicht zuletzt durch den berühmten Fälschungskomplex des sogenannten Privilegium maius, sichtbar zur Geltung zu bringen.
Mit der Neuberger Teilung 1379 begann eine fast hundert Jahre andauernde Phase der Krise und Schwäche der habsburgischen Dynastie. Anders wird man die Folgen der dynastischen Teilungsvorgänge, die 1411 schließlich drei einigermaßen stabile habsburgische Herrschaftsgebilde (Österreich, die innerösterreichische Ländergruppe und Tirol mit den Vorlanden) hervorbrachten, nicht qualifizieren können. Am deutlichsten lässt sich die prekäre Stellung der Habsburger daran ermessen, dass die großen politischen Ausrichtungen der drei herzoglichen Linien in den Jahrzehnten nach 1400 häufig quer zueinander lagen und sich alle drei mit einem kräftigen Machtzuwachs der Stände in ihren Herrschaftsgebieten konfrontiert sahen. Der Weg der habsburgischen Dynastie zurück zur Einheit war lang und steinig. Zu schweren Konflikten mit den mächtigen Ständen der betroffenen Länder führte der Versuch Kaiser Friedrichs III., nach dem Prinzip des Seniorats und gegründet auf die Stellung als Vormund der minderjährigen Erbberechtigten das Herzogtum Österreich und Tirol samt den Vorlanden möglichst lang in der Hand zu behalten. Auch nach dem Aussterben der albertinischen Linie verlangte der Rückerwerb des Herzogtums Österreich dem Kaiser größte Kraftanstrengungen ab. Die Reintegration Donauösterreichs in den Gesamtkomplex der Erblande blieb überaus problematisch, zumal die Herausforderung des ungarischen Königs Matthias Corvinus seit 1477 das Land erneut in Atem hielt und Österreich unter der Enns dem Kaiser 1484/85 sogar ganz verlorenging. Auf den Tiefpunkt habsburgisch-erbländischer Politik folgte 1490 die Wende zum Positiven. Erstmals seit mehr als einem Jahrhundert waren alle habsburgischen Länder wieder in einer Hand vereint.
Mit Friedrichs III. Sohn Maximilian I. trat das Haus Habsburg endgültig aus der Enge mitteleuropäischer Bezüge heraus. Der Handlungsrahmen der Dynastie weitete sich zu einem universalen. Zwischen 1477 und 1515 verwirklichte die Familie drei große Eheprojekte – davon zwei Doppelhochzeiten – in drei Generationen, die die Habsburger zur mächtigsten Dynastie des europäischen Kontinents aufsteigen ließen. Die burgundische und die spanische Heirat veränderten den Horizont Maximilians, der nun längst nicht mehr auf die österreichischen Erblande fokussiert war, wenngleich diese nach wie vor den Löwenanteil der Ressourcen für Krieg und Expansion bereitstellten. Nicht zuletzt um die finanzielle Leistungsfähigkeit dieser seiner Erblande zu stärken, leitete Maximilian dort einen politisch-administrativen Innovationsschub ein. In den knapp drei Jahrzehnten seiner Regierung erhielten die österreichischen Länder die erste institutionell-bürokratische Verklammerung durch übergreifende Behörden. So hat Maximilian viel getan, um das lockere österreichische Länderkonglomerat, das hauptsächlich durch die Person des Landesfürsten zusammengehalten wurde, enger zusammenzubinden. Der Weg zum frühmodernen »Gesamtstaat« war eingeschlagen, dessen Realisierung lag freilich noch in weiter Ferne.
Dynastien und Länderverbindungen
1282
Belehnung der Söhne Rudolfs von Habsburg mit Österreich, Steiermark und Krain
1286
Graf Meinhard II. von Görz-Tirol wird Herzog von Kärnten.
1308
Ermordung König Albrechts I.
1335
Tod Herzog Heinrichs von Kärnten; Belehnung der Habsburger Albrecht II. und Otto mit Kärnten
1358–1365
Herzog Rudolf IV. (der Stifter)
1358/59
Fälschung des Privilegium maius
1363
Übergang Tirols an die Habsburger
1365–1395
Herzog Albrecht III.
1379
Teilung der habsburgisch-österreichischen Länder zwischen Albrecht III. und Leopold III. (Neuberger Teilung)
1386
Tod Leopolds III. in der Schlacht von Sempach
1411–1439
Herzog Albrecht V.
1415
Reichsacht über Herzog Friedrich IV.
1420/21
Wiener Gesera
Die Habsburger als Herzöge von Österreich und der Steiermark
Kurz vor Weihnachten 1282 belehnte König Rudolf auf einem Hoftag in Augsburg seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf gemeinschaftlich mit den Herzogtümern Österreich und Steiermark sowie der Herrschaft Krain und erhob sie – wie die Belehnungsurkunde vom 27. Dezember 1282 ausdrücklich betont – in den Reichsfürstenstand. Als die Verleihungsform »zur gesamten Hand« schon bald auf Widerstand stieß, gab Rudolf diese in der sogenannten Rheinfeldener Hausordnung vom 1. Juni 1283 auf und ließ an ihre Stelle die Alleinherrschaft des ältesten Sohnes Albrecht treten. Der jüngere Rudolf sollte in geeigneter Weise abgefunden werden. Schwierig gestalteten sich die Anfänge habsburgischer Herrschaft in den neugewonnenen Herzogtümern. Einer als landfremd wahrgenommenen Dynastie angehörig, sah Herzog Albrecht I. sich zusätzlich mit der schweren Hypothek konfrontiert, dass sein Vater in den vorangegangenen Jahren als römischer König über die ehemals otakarischen Länder großzügig das Füllhorn königlicher Gnadenverleihungen ausgeschüttet hatte. Zur Konsolidierung seiner Stellung verfolgte Albrecht von Anbeginn an eine energische Revindikationspolitik, die darauf abzielte, das gesamte ehemals babenbergische Gut dem Landesfürsten zurückzugewinnen. Mit Hilfe von loyalen, meist aus den habsburgischen Stammlanden im Westen mitgebrachten Adeligen wie den Herren von Wallsee oder geistlichen Ratgebern wie dem Benediktinerabt Heinrich von Admont, der als Landschreiber und Hauptmann die wichtigste Stütze von Albrechts Herrschaft in der Steiermark war, baute der neue habsburgische Landesfürst seine Stellung konsequent aus. Aufstände des freiheitsgewohnten Adels beider Herzogtümer, aber auch der Stadt Wien, die sich mit aller Wucht gegen Albrechts Politik wandten, vermochten ihn nicht aufzuhalten, zumal der Adel der beiden Länder nicht zu einem gemeinsamen und koordinierten Handeln gegenüber dem Landesfürsten fand. Die Steirer glaubten 1292 ihre Stunde gekommen, der österreichische Adel 1295/96. Schon 1287/88 hatte Wien den Aufstand geprobt und dem neuen habsburgischen Landesherrn damit den Vorwand geliefert, die von