Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.

Geschichte Österreichs - Walter Pohl L.


Скачать книгу
bedeutenden Erweiterung des landesherrlichen Kammergutes beitrugen. Alles hängt hier aufs engste zusammen. Das Geld für die Ankäufe wurde mit Hilfe einer leistungsfähigen, auf Schriftlichkeit gegründeten Verwaltung erwirtschaftet. Leopold VI. ließ die ersten großen landesfürstlichen Urbare (Abgabenverzeichnisse) in Österreich und der Steiermark erstellen. Aus ihnen tritt uns eine verhältnismäßig entwickelte, in Ämtern strukturierte Organisation des herzoglichen Besitzes entgegen. Absetzbare Amtsträger bestimmten das Bild, wobei die Ämter hauptsächlich pachtweise vergeben wurden. Für das Städtewesen ist die Ära Leopolds VI. eine echte »Gründerzeit«. Zahlreiche österreichische und steirische Städte führen ihren urbanen Charakter auf den »glorreichen« Babenberger zurück. Enns erhielt 1212 sein Stadtrecht. Vor allem Wien aber, das 1221 von ihm ein auf älterer Grundlage fußendes Stadtrechtsprivileg empfing, erfuhr Leopolds tatkräftige und umfassende Förderung. Die wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Entwicklung dieser Stadt, die Leopold wohl doch als Residenz galt, obgleich er ab und an in Klosterneuburg am Ort des heiligen Vorfahren Quartier nahm und dort die elegante Capella speciosa erbauen ließ, war so außerordentlich, dass man Wien 1207 schon in einem Atemzug mit Köln unter den bedeutendsten urbanen Zentren des Reichs nennen konnte. Das Bemühen Leopolds, einen Bischofssitz in Wien einzurichten, fand dank der guten Beziehungen des Babenbergers zur Kurie zwar in Rom Gehör, scheiterte dann letztlich aber doch am entschiedenen Widerstand des Passauer Bischofs, der einen schweren Bedeutungsverlust für sich befürchtete. Immerhin sah sich der Salzburger Erzbischof Eberhard II. bald darauf, 1218, veranlasst, im steirischen Seckau ein Salzburger Eigenbistum zu gründen, um Plänen Leopolds VI. zu einem babenbergischen Landesbistum zuvorzukommen.

      Um den wünneclichen hof ze Wiene warb auch der große Walther von der Vogelweide, aus der Ferne jedoch, wie es den Anschein hat. Er, der in Österreich singen unde sagen gelernt haben will und den Tod von Leopolds VI. älterem Bruder Friedrich tief betrauerte, dürfte nach 1198 am Babenberger Hof trotz eifrigen Bemühens längerfristig keine Förderung mehr erfahren haben. Überhaupt zweifelt die Forschung heute am früher hoch gelobten Mäzenatentum Herzog Leopolds VI. Das Nibelungenlied, dessen Aufzeichnung lange Zeit mit dem Babenberger Hof in Zusammenhang gebracht wurde, erhielt seine »klassische« Form ziemlich sicher kurz nach 1200 in Passau beim literaturbeflissenen Bischof Wolfger, jenem Wolfger (von Erla), dessen Reiserechnungen wir auch das einzige außerliterarische Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide verdanken.

      Über der Vermittlungsarbeit zwischen Papst und Kaiser ist Leopold VI. am 28. Juli 1230 im süditalienischen San Germano gestorben. Sein Leichnam wurde nach deutscher Gewohnheit ausgekocht, sein Fleisch im nahe dem Sterbeort gelegenen Kloster Montecassino bestattet, die Knochen nach Österreich in das von Leopold 1206 gegründete Zisterzienserkloster Lilienfeld gebracht. Leopolds einziger überlebender Sohn Friedrich II. (reg. 1230–1246), der letzte männliche Babenberger, wird von der Historiographie seit jeher als dunkles Gegenbild zum strahlenden Vater stilisiert, allein die zeitgenössischen Dichter rühmten – vielleicht formelhaft – seine ritterlichen Tugenden und seine Freigebigkeit. Als Kaiser Friedrich II. im Juni 1236 den jungen babenbergischen Namensvetter in die Acht tat und seiner Länder für verlustig erklärte, stürzte die schon zwei Jahrhunderte überdauernde Herrschaft der Babenberger an der Donau in eine existentielle Krise. Wie es so weit kommen konnte und welche der unerhörten dem Herzog Friedrich II. seitens des Kaisers zur Last gelegten Verfehlungen eine reale Grundlage besaßen, lassen die einseitig dem Babenberger feindlichen Quellen nicht mehr erkennen. Das meiste wissen wir nur aus dem sogenannten Manifest, einem in schwärzester Rhetorik von der kaiserlichen Kanzlei formulierten und an den böhmischen König adressierten Schreiben, Propaganda und Anklageschrift für den Prozess gegen den Herzog gleichermaßen. Tatsache ist, dass der Babenberger durch seine eigenwillige, bisweilen rücksichtslose Politik nach wenigen Jahren eine breite Front von Feinden gegen sich aufgebracht hatte. Dazu zählten der böhmische König Wenzel, Herzog Otto von Bayern und die Bischöfe von Passau und Bamberg. Auf ein Bündnis mit ihnen konnte der Stauferkaiser bei der Exekution der Reichsacht gegen den Babenberger bauen. Dieser sah sich binnen kurzem auf ein kleines Gebiet rund um Wiener Neustadt, wo er beim lokalen Adel Rückhalt fand, zurückgedrängt. Die steirischen Ministerialen ebenso wie die Stadt Wien nahmen den Kaiser, der um den Jahreswechsel 1236/37 aus Italien kam, mit offenen Armen auf. Mehrere Monate verbrachte Kaiser Friedrich II. in Wien, machte die Stadt zur Reichsstadt, ehe er wieder unter Zurücklassung von kaiserlichen Statthaltern nach Süden abzog. Rasch konnte der Babenberger daraufhin Terrain zurückgewinnen, denn die gegen ihn aufgebotene Koalition begann zu zerbröckeln. Mit Zähigkeit und Ausdauer brachte sich der Babenberger wieder zurück ins Spiel. Als die Aussöhnung mit dem Kaiser Ende des Jahres 1239 zustande kam, gab auch Wien, das lange der Belagerung durch den Herzog getrotzt hatte, den Widerstand auf. Der Babenberger saß nun fester im Sattel denn je und ließ nach den Erfahrungen der Vergangenheit in die Georgenberger Handfeste den Passus einfügen, dass das steirische Herzogtum auch dann seines bleibt, wenn er »die Gnade des Reiches verliere«. Zähneknirschend mochte der steirische Adel dem zugestimmt haben.

      Einmal mehr offenbarte sich 1241 die Skrupellosigkeit des Babenbergers in Sachen Politik. Als der ungarische König Bela IV. in schlimmster Bedrängnis durch die Tataren, die ganz Ungarn zu überrollen drohten, die Hilfe Herzog Friedrichs erbat, zwang dieser ihn in erpresserischer Manier zur pfandweisen Abtretung dreier westungarischer Grenzkomitate, kümmerte sich dann aber nicht im geringsten um die dem ungarischen König gemachten Hilfszusagen. Dabei konnte Friedrich die Bedrohung der eigenen babenbergischen Länder nicht als Entschuldigung dienen, denn diese wurden von der tatarischen Flut allenfalls gestreift. König Bela sollte dem österreichischen Herzog die erlittene Demütigung nicht vergessen.

      Das Verhältnis des Babenbergers zum Kaiser gestaltete sich in den folgenden Jahren indessen zunehmend enger und rückte schließlich als Höhepunkt sogar die Königswürde für den Herzog in greifbare Nähe. Der Dichter Tannhäuser sah die Krone schon über dem Haupt des Babenbergers schweben. Gleichsam um sie abzuholen, kam der Herzog im Juni 1245 zum kaiserlichen Hoftag nach Verona. Die Verhandlungen waren bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, derart, dass ein bis in die Einzelheiten ausgefeilter Urkundenentwurf vorlag. Die beiden Herzogtümer Österreich und Steiermark sollten zu königlichem Rang und der bisherige Herzog zum König erhoben werden. Krönung und Weihe würden am Kaiserhof stattfinden. Ein Wahlrecht sollte es nicht geben, sondern die Krone nach Primogeniturerbfolge dem jeweils ältesten aus der Nachkommenschaft zukommen. Überraschenderweise blieb es in Verona beim Entwurf, und Herzog Friedrich II. brachte anstelle der Krone von dort nur eine Bestätigung des Privilegium minus nach Hause mit. Ob das Scheitern des Königreichsplans tatsächlich an der Weigerung der Nichte des Babenbergers lag, den Kaiser zu heiraten, lässt sich nicht beweisen. Es fällt aber doch auf, dass Gertrud, die der Kaiser als seine zukünftige Gemahlin nach Verona eingeladen hatte, ihren herzoglichen Onkel nicht dorthin begleitete.

      Im Zeichen des böhmischen Löwen: König Ottokars Glück und Ende

      Am 15. Juni 1246 fand der letzte männliche Babenberger Herzog Friedrich II. in siegreicher Schlacht gegen den ungarischen König den Tod. Das tragische Ende des kinderlosen Herzogs ließ ein Machtvakuum zurück, in das bald Kräfte von allen Seiten zu stoßen versuchten. Während Kaiser Friedrich II. das schon 1236/37 Begonnene vollenden und die babenbergischen Herzogtümer unter seine unmittelbare Herrschaft bringen wollte, erhoben Schwester und Nichte des letzten Babenbergers, gestützt auf das im Privilegium minus verankerte weibliche Erbrecht, Anspruch auf die Nachfolge. Darin bestärkte sie Papst Innozenz IV. Er favorisierte die Nichte des Babenbergers, Gertrud, die sich 1248 mit Markgraf Hermann von Baden vermählte. In den babenbergischen Ländern blieb die Lage jedenfalls unübersichtlich, denn weder die vom Kaiser eingesetzten Statthalter noch das Herzogspaar Hermann und Gertrud konnten sich durchsetzen. Als 1250 der Stauferkaiser und Hermann von Baden fast gleichzeitig starben, schob sich der Adel der Herzogtümer Österreich und Steiermark endgültig in den Vordergrund der politischen Bühne. Die großen Landesministerialen sahen sich in beiden Ländern faktisch in den Stand versetzt, über ihren zukünftigen Landesfürsten zu entscheiden. Ja die Steirer zögerten nicht, diesen Anspruch in die alte Georgenberger Handfeste hineinzuschreiben. Das war die Stunde des jungen Markgrafen von Mähren Přemysl Otakar II. (geb. 1233). Eine Gruppe österreichischer Ministerialen trug 1251 dem Sohn König Wenzels von Böhmen


Скачать книгу