Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.

Geschichte Österreichs - Walter Pohl L.


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gestellt hatte. Die Verwirklichung der Zusage sollte jedenfalls noch vier Jahre in Anspruch nehmen, so lange stemmte sich der Babenberger gegen den Verlust der bayerischen Herzogswürde. Nachdem ihm 1154 in Goslar Bayern aberkannt und im Jahr darauf Heinrich der Löwe formell in das bayerische Herzogtum eingewiesen worden war, konnte sich aber wohl auch Heinrich Jasomirgott den Realitäten nicht länger verschließen. Die mit dem Verlust der bayerischen Herzogswürde verbundene Rangminderung zu verhindern, dürfte das zentrale Anliegen des Babenbergers in den Verhandlungen des Jahres 1156 gewesen sein. Die Lösung der bayerischen Frage durch eine Umwandlung der Babenberger Mark in ein Herzogtum war denn auch vom Grundsatz getragen, Heinrich Jasomirgott jeden Gesichtsverlust zu ersparen. Ganz in diesem Sinne geschah knapp östlich von Regensburg in Anwesenheit zahlreicher Fürsten am 8. September 1156 der förmliche Verzicht des Babenbergers auf Bayern, worauf der Kaiser diesen mit der zum Herzogtum erhöhten Mark (marchia orientalis) belehnte. Unter dem Datum 17. September 1156 gab Kaiser Friedrich I. über diese Vorgänge eine Urkunde, das zum Unterschied von der zwei Jahrhunderte später entstandenen Fälschung des Habsburgers Rudolf IV. so benannte Privilegium minus. Noch einmal wird dort der Leitgedanke des Ausgleichs hervorgehoben. Honor et gloria (Ehre und Ruhm) des Babenbergers sollten gewahrt bleiben. Eine Reihe von Vorrechten, die jedes für sich genommen nicht ungewöhnlich, in der Häufung aber einzigartig waren, begleitete die Umwandlung der Mark in ein Herzogtum. Der Kaiser, der Heinrich Jasomirgott und dessen byzantinische Gemahlin Theodora gemeinsam belehnte, gewährte nicht nur das Recht auf weibliche Erbfolge, sondern auch eine Art Designationsrecht des Herzogspaares bei Kinderlosigkeit. Hof- und Heerfahrtspflicht des neuen österreichischen Herzogs erfuhren eine erhebliche Einschränkung, erstere auf königliche Hoftage in Bayern, zweitere auf Heeresfolge gegen die Österreich benachbarten Königreiche und Länder. Am meisten hat die Forschung der sogenannte »Gerichtsparagraph« des Privilegium minus beschäftigt, geht es hier doch um eine erste Umschreibung landesfürstlicher Rechte und Gewalt durch den Kaiser. Der Passus besagt, dass niemand im Herzogtum Österreich ohne Zustimmung oder Erlaubnis des Herzogs Gerichtsbarkeit ausüben dürfe. An den bestehenden Gerichtsrechten des Adels rührte dies zunächst nicht, der Gerichtsparagraph stellte aber eine hierarchische Ordnung her. Dem Anspruch des österreichischen Herzogs auf Landeshoheit musste dies zugutekommen. Die Formulierungen des Gerichtspassus waren jedenfalls so offen gehalten, dass die zur Landesherrschaft drängende Entwicklung ungehindert ihren Lauf nehmen konnte.

      Eine unmittelbare Folge der Beschränkung der Babenberger auf Österreich war der Ausbau von Wien als Residenz durch Herzog Heinrich. Eben zu dem Zeitpunkt, da durch den drohenden Verlust Bayerns Regensburg seinem Einfluss entzogen wurde, setzte Heinrich Jasomirgott erste deutliche Zeichen der Förderung des ganz im Osten seines Herzogtums gelegenen Wien. Die 1137 erstmals civitas genannte, innerhalb der Mauern des antiken Legionslagers Vindobona aus bescheidenen Anfängen des 10./11. Jahrhunderts erwachsene Siedlung erlebte einen rasanten Aufschwung, seit die Babenberger Herzöge hier in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ihren Sitz wählten. Heinrich Jasomirgott berief vermutlich 1155 iroschottische Benediktiner aus Regensburg nach Wien. Deren vor den Mauern errichtetes Kloster wurde zur herzoglichen Grablege bestimmt. Räumlich nicht weitab, aber noch innerhalb der römischen Lagermauern, ließ Herzog Heinrich seine Pfalz erbauen.

      Die Jahre 1158, 1160 und 1162 sehen Herzog Heinrich Jasomirgott ungeachtet der verminderten Heerfahrtspflicht im Gefolge des Kaisers in Italien. Das Verhältnis zwischen Friedrich Barbarossa und seinem babenbergischen Onkel scheint eher distanziert gewesen zu sein. Im Schisma vermochte der Kaiser Herzog Heinrich durch einen persönlichen Besuch in Wien 1165 zwar zur Stellungnahme gegen Papst Alexander III. zu bewegen, indes unternahm der Babenberger nichts gegen die offen alexandrinisch eingestellten österreichischen Klöster. Heinrich Jasomirgott starb im Jänner 1177 mitten in Grenzauseinandersetzungen mit dem nördlichen böhmischen Nachbarn, die erst der Kaiser durch Fürstenspruch am Hoftag zu Eger 1179 beilegen konnte, indem er eine exakte Grenzlinie zwischen dem nördlichen Waldviertel und Südböhmen feststellen ließ.

      Steiermark

      Den Kristallisationskern des späteren Landes Steiermark bildete die seit dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts bezeugte Mark an der mittleren Mur. Deren Umfang tritt aus den spärlichen Quellen der Frühzeit nur sehr undeutlich entgegen. Von der Gleinalpe im Norden bis Leibnitz im Süden, von der Koralpe im Westen bis an die Wasserscheide zwischen Mur und Raab, vielleicht seit der Mitte des 11. Jahrhunderts dann bis an die Lafnitz im Osten, mag die kleinräumige Mark gereicht haben, die bis 1035 in den Händen der Eppensteiner, dann der Wels-Lambacher und schließlich der Otakare (seit 1050/56) lag. Freilich, die Tallandschaften nördlich der Mark wurden schon im 11. Jahrhundert als in enger Verbindung zu dieser stehend gesehen. So konnte es vorkommen, dass 1048 in einem königlichen Diplom das obersteirische Rottenmann als in der Mark Gottfrieds gelegen bezeichnet wurde. Von diesem Markgrafen Gottfried gelangte die Mark an der mittleren Mur an dessen Schwager Otakar I. Grafen im Chiemgau, der auch die reichen Eigengüter des letzten Wels-Lambachers im Traungau übernehmen konnte. Die Otakare hatten fortan zwei Schwerpunkte ihrer Macht. Der eine nördlich der Alpen (bis ins steirische Ennstal) mit dem Zentrum Steyr (heute Oberösterreich) basierte auf allodialem Grundbesitz, der andere im Süden in der Mark auf der markgräflichen Amtsstellung. Nach ihrem Herrschaftsmittelpunkt Steyr, in dessen Nähe auch Garsten, das Hauskloster des Geschlechts, lag, benannte man die Otakare schon Anfang des 12. Jahrhunderts als Markgrafen von Steyr (marchiones de Stire) oder steirische Markgrafen (marchiones Stirenses). Verwandtschaftliche Verbindungen knüpften die Otakare bald zu den benachbarten Babenbergern – Otakar II. (gest. 1122) war mit Elisabeth, einer Tochter des Babenbergers Leopold II., verheiratet. Noch vornehmer war das Konnubium der nächsten Generation steirischer Markgrafen: Otakars II. Sohn Leopold heiratete Sophie, eine Tochter des Welfenherzogs Heinrich des Schwarzen von Bayern. Sowohl Kaiser Friedrich Barbarossa als auch Heinrich der Löwe waren Neffen der Markgräfin.

      Man hat das Jahr 1122 nicht zu Unrecht gleichsam als Geburtsstunde der Steiermark charakterisiert. In diesem Jahr starb der letzte Eppensteiner Herzog Heinrich III. von Kärnten, und dessen ausgedehnter Besitz in der Obersteiermark an Mur und Mürz fiel an den jungen steirischen Markgrafen Leopold (reg. 1122–1129), der damit erst in den Stand versetzt wurde, gezielt am Aufbau einer Landesherrschaft zu arbeiten. Die Jahrzehnte von 1122 bis 1180 sind dann die entscheidenden für die Landeswerdung der Steiermark gewesen. Markgraf Leopold, den die zeitgenössischen kirchlich gesinnten Quellen mit dem Beinamen fortis, der Starke, versehen, setzte wichtige Anfangsschritte. Er begann die Erschließung des oststeirischen Waldlandes in der Gegend der von ihm zur Sicherung der Grenze gegen die Ungarn neu errichteten Burg Hartberg, und auch die Anfänge des Zisterzienserklosters Rein, der ersten Niederlassung dieses Ordens auf heute österreichischem Boden, sind mit Leopolds Namen verbunden. Das Angefangene fortzuführen, blieb ihm nicht viel Zeit. Bei seinem frühen Tod 1129 hinterließ Markgraf Leopold der Starke einen vierjährigen Sohn (Otakar III. ), bis zu dessen Mündigkeit die Markgrafenwitwe Sophie mit energischer Hand die Regierung führte.

      Der erste steirische Landesfürst im vollen Wortsinn ist Markgraf Otakar III. Seitdem er um 1140 die Herrschaft angetreten hatte, machte das steirische Landesfürstentum rasche Fortschritte. Zwei große Erbfälle kamen Otakar III. zu Hilfe. Das war einmal ausgedehnter Besitz im unteren Murtal (Radkersburg) und an der Drau um das spätere Marburg/Maribor (heute Slowenien), den ihm sein am zweiten Kreuzzug 1147 in Kleinasien gefallener, kinderloser Onkel Graf Bernhard von Spanheim hinterließ. Zum anderen konnte Markgraf Otakar III. die Allode (Eigengüter) des ihm nahe verwandten Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten im Raum nördlich von Semmering und Wechsel (heute Niederösterreich) übernehmen, nachdem dieser im Heer Kaiser Friedrichs I. Barbarossa bei der Belagerung von Mailand 1158 den Tod gefunden hatte. Wesentlich war es, dass der steirische Markgraf in beiden Fällen die Ministerialen des verstorbenen Grafen in seine markgräfliche Dienstmannschaft zu ziehen vermochte und diese dadurch wesentlich vergrößerte. Überhaupt war Otakar III. der gezielte Ausbau des markgräflichen Ministerialenverbandes fast das wichtigste Instrument bei seiner zum Landesfürstentum drängenden Politik. Häufig aus den nördlichen, im Traungau gelegenen Besitzungen der Otakare in den Süden und Osten der Mark verpflanzt, sollten die Ministerialen dort große Gebiete erschließen, herrschaftlich erfassen und militärisch sichern. Als eine Besonderheit der steirischen Ministerialität


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