Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.

Geschichte Österreichs - Walter Pohl L.


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hier strahlte die Reform in die benachbarten Klöster Garsten und Seitenstetten aus, und selbst im Kloster St. Lambrecht, das vom kaisertreuen Eppensteiner Herzog Heinrich III. von Kärnten gestiftet worden war, zog 1103 mit dem Göttweiger Abt Hartmann als erstem Klostervorsteher und gleichsam Gründungsmanager das Gedankengut der Reform ein. Nach Melk, wo schon seit längerem ein weltliches Kanonikerstift bestanden haben mag, kamen 1089 Benediktiner aus Lambach. Sie gehörten einem Reformkreis an, der im lothringischen Kloster Gorze seinen Ursprung hatte und weniger radikal gegen das Eigenkirchenrecht gerichtet war als die an Cluny orientierten Hirsauer Mönche. Bereits 1110 erlangte aber auch Melk den päpstlichen Schutz und die Exemtion vom Diözesanbischof.

      Von einer Verwirklichung aller Forderungen der Kirchenreform war man freilich noch weit entfernt. Insbesondere bei den Niederkirchen hielt sich zäh das Eigenkirchenrecht. Erst in den zwanziger und dreißiger Jahren des 12. Jahrhunderts konnten die neuen Vorstellungen hier stärker durchdringen. Die starren politischen Fronten zwischen Reformadel und Kaiserlichen hatten sich indessen merklich aufgeweicht, seit der bayerische Herzog Welf IV. mit Kaiser Heinrich IV. zu einem Ausgleich gelangt und 1101 zu einer Kreuzfahrt ins Heilige Land aufgebrochen war, an der neben Erzbischof Thiemo von Salzburg auch Ita, die Witwe des Babenberger Markgrafen Leopold II., teilnahm.

      Neue Ordnungen – Die Entstehung der Länder

       1095–1136

      Markgraf Leopold III. (der Heilige)

       1122

      Aussterben der Eppensteiner; Kärntner Herzogtum an die Spanheimer

       1122–1129

      Leopold (der Starke) steirischer Markgraf

       1130–1164

      Markgraf Otakar III. von Steier

       1141–1177

      Markgraf/Herzog Heinrich II. (Jasomirgott) von Österreich

       1156

      Privilegium minus: Umwandlung der Mark Österreich in ein Herzogtum

       1180

      Erhebung der Steiermark zum Herzogtum

       1186

      Georgenberger Handfeste

       1195/98–1230

      Herzog Leopold VI. von Österreich und Steier

       Ca. 1200–1253

      Graf Albert III. von Tirol

       1246

      Tod Herzog Friedrichs II. von Österreich in der Schlacht an der Leitha gegen die Ungarn

       1251/61

      Přemysl Otakar II. von Böhmen übernimmt die Herrschaft in Österreich und in der Steiermark.

       1258–1295

      Graf Meinhard II. von Görz-Tirol

       1273

      Wahl Rudolfs I. von Habsburg zum römischen König

       1278

      Tod Přemysl Otakars II. in der Schlacht von Dürnkrut und Jedenspeigen

      Das Werden der Länder ist das bedeutendste Phänomen in der mittelalterlichen Geschichte des Ostalpenraums. Hier wurzelt die föderale Struktur der Republik Österreich der Gegenwart. Tatsächlich entstanden die meisten Länder des heutigen Österreich, nämlich Nieder- und Oberösterreich, die Steiermark, Kärnten, Tirol und Salzburg, in einem mehrstufigen Prozess, in welchem die Zeit von der Mitte des 11. bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts entscheidend war. Am Ende dieser hochmittelalterlichen Formationsphase treten die Länder bereits in annähernd der Gestalt entgegen, die sie noch heute besitzen. Die Länderidentitäten erwiesen sich als derart gefestigt, dass sie den verschiedenen schon am Ende des 12. Jahrhunderts einsetzenden territorialen Konzentrationsvorgängen erfolgreich widerstehen konnten. Durch dynastische Politik herbeigeführte Länderverbindungen nahmen in der Folge die Form einer Personalunion an – man hatte ein und denselben Landesfürsten –, ohne indes an der Eigenständigkeit der einzelnen Länder, die die Länderunion bildeten, zu rühren. Das Land gab weithin den Rahmen ab, innerhalb dessen sich das Leben der Menschen in rechtlicher, politischer und sozialer Hinsicht bewegte. Land in diesem Sinne ist nicht so sehr ein geographischer Begriff denn eine politisch-verfassungsrechtliche Kategorie. Besonders in den Anfängen der Neugestaltung darf man das werdende Land wohl als Personenverband, als Gemeinschaft des jeweiligen Herrn mit seinen Vasallen, Getreuen und Amtsträgern, verstehen. Im Zusammenwirken des Landesfürsten mit dem das Land bildenden Adel ist das Land entstanden. Die seit dem 13. Jahrhundert einsetzende stärkere Normierung und Juridifizierung des gesamten Herrschaftsgefüges hat dann zu einer Verrechtlichung auch des Landesbegriffs geführt. Das territoriale Prinzip, die Zuordnung zum Recht eines Landes, löste in den Quellen immer mehr die Nennung des personenbezogenen Stammesrechtes ab, so dass das voll ausgebildete Land schließlich als ein Gebiet einheitlichen Rechts erscheinen konnte. Wesensmerkmal dieses spätmittelalterlichen Landes ist nach Otto Brunner die adelige Landesgemeinde, die nach Landrecht lebt. »Land, Landrecht und die im obersten Gericht handelnde adelige Landgemeinde bilden […] eine Einheit […]. Das Bekenntnis zum Landrecht (war) Ausdruck der Landeszugehörigkeit und -einheit« (Othmar Hageneder ).

      Dass der Prozess der Landesbildung im frühen 12. Jahrhundert erstmals deutlicher fassbar wird, hat mit der schweren Erschütterung der alten Ordnungen, welche der sogenannte Investiturstreit mit sich gebracht hatte, zu tun. Nicht mehr das Reich, sondern kleinere Herrschaftsgewalten – Herzöge, Markgrafen und Grafen – übernahmen die Verantwortung für die Friedenswahrung und das Recht. Und diese mittleren Gewalten übernahmen auch die Führung bei der hochmittelalterlichen Herrschaftsverdichtung, zu deren wichtigsten Gewinnern sie in der Folge zählten. Das einsetzende Bevölkerungswachstum machte Binnenkolonisation in großem Stil möglich. Tatsächlich schufen die großen Rodungsvorgänge des 12. und 13. Jahrhunderts dann erst jene weithin durchgehenden Landschaften, die das werdende Land ausmachten.

      Hand in Hand mit der Entstehung der Länder ging eine gesellschaftliche Entwicklung, die zur Ausbildung eines rechtlich einheitlichen Landesadels führte. Die hochmittelalterliche Adelsherrschaft, die zur Landesherrschaft strebt, bedient sich einer neuen Gruppe von Helfern, der Ministerialen. Sie kamen aus dem Kreis der Grundholden eines Adeligen oder eines Bischofs, waren also eigentlich Unfreie, die durch die Heranziehung für qualifizierte militärische oder administrative Dienste gesellschaftlich aufsteigen und eine adelige Lebensform annehmen konnten. Merkmale der ursprünglichen Unfreiheit hafteten ihnen ungeachtet einer faktisch oftmals potenten Position noch lange an. So unterlagen die persönliche Freizügigkeit in Hinblick auf den Wechsel des Herrn und die Wahl des Ehepartners oder das Verfügungsrecht über den Besitz gewissen Einschränkungen. Familien wie die Kuenringer verfügten als babenbergische Ministerialen freilich schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts über ein wirtschaftliches Potential, das ihnen selbst eine Klostergründung (Zwettl) erlaubte. Diese besitzmächtigen Ministerialengeschlechter verschmolzen im 13. Jahrhundert mit den wenigen verbliebenen Grafen und Freien, die keine eigene Landesherrschaft auszubilden in der Lage gewesen waren, zu einem weitgehend einheitlichen Landesadel. An der Konsolidierung der werdenden Länder hat diese Schicht maßgeblichen Anteil.

      Nach der Art ihrer Entstehung lassen sich die Länder des gegenwärtigen Österreich in vier Gruppen unterteilen. Die Länder (Nieder-)Österreich und die Steiermark entstanden auf der Grundlage ottonischer Marken des 10. Jahrhunderts. Davon heben sich Tirol und Salzburg ab, wo jeweils mehrere Grafschaften zu einer größeren Einheit zusammenwuchsen.


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