Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.
schließlich erfolgreich war. Die enge Verknüpfung zwischen christlicher Mission und politischer Unterwerfung war typisch für die Zeit und sollte bald von den karolingischen Frankenkönigen perfektioniert werden. Wir verdanken die Informationen über die Karantanenmission einer um 870 entstandenen, gegen Method gerichteten Salzburger Streitschrift (Conversio Bagoariorum et Carantanorum), die freilich manches propagandistisch glättet. Dort erfahren wir, dass das Zentrum der Karantanenfürsten auf dem Zollfeld in der Civitas Carantana (Karnburg) lag. Ebenfalls auf dem Zollfeld befand sich der »Fürstenstein«; das slowenischsprachige Ritual bei der Kärntner Herzogseinsetzung, das im Spätmittelalter beschrieben wurde, könnte auf die karantanische Frühzeit zurückgehen. Nicht weit davon, in Maria Saal, wurde nun eine der ersten Kirchen errichtet; eine weitere lag in Liburnia, also in oder um den ehemaligen Bistumssitz Teurnia. Tassilo III. und seine geistlichen Partner gründeten auch gezielt Klöster an den Grenzen zum slawischen Siedlungsgebiet, und zwar in Mondsee (vor 748), in Innichen (769), in Kremsmünster (777) und in Mattsee (vor 784); dazu kam im Grenzgebiet des romanisch besiedelten Tirol Scharnitz/Schlehdorf (763), das bald über große Güter im Oberinntal verfügte. Der Tassilo-Kelch in Kremsmünster oder das sogenannte Rupert-Kreuz von Bischofshofen zeigen beispielhaft die hochwertige Ausstattung der Klöster des 8. Jahrhunderts.
Die Karolingerzeit
768–814
Karl der Große König der Franken
785–821
Arn Bischof, seit 798 Erzbischof von Salzburg
788
Absetzung Tassilos III., direkte fränkische Herrschaft in Bayern
788–799
Gerold I. Präfekt in Bayern und im Ostland
791–796
Zerstörung des Awarenreiches
817/840–876
Ludwig »der Deutsche« König im Ostfränkischen Reich
828
Ablösung der Karantanenfürsten durch Grafen
833–854
Graf Ratpot Präfekt im Ostland
863–885
Method als Kirchenlehrer in Mähren; 870 verurteilt auf einer Synode in Regensburg
873–907
Erzbischof Theotmar von Salzburg
881
Erste Kämpfe gegen die Ungarn bei Wien
887–899
König Arnulf
907
Ungarnschlacht bei Pressburg, Niederlage der Bayern
Der rasche Aufstieg der Karolinger, die sich seit 751 Könige der Franken nennen durften, setzte bald auch das bayerische Herzogtum unter Druck. 774 eroberte Karl der Große (768–814) das Langobardenreich. 787/788 wandte er sich schließlich gegen seinen Vetter Tassilo, wobei er bereits auf einige Unterstützung in Bayern zählen konnte. Unter dem Vorwand einer 25 Jahre zurückliegenden Verletzung der Heerfolgepflicht wurde der Bayernherzog auf einer Reichsversammlung in Ingelheim verurteilt und abgesetzt. Auch ein Pakt mit den Awaren wurde Tassilo vorgeworfen, und tatsächlich marschierten die Awaren drohend an der Grenze auf. Karl setzte über Bayern keinen Herzog mehr ein, sondern seinen agilolfingischen Schwager Gerold I. (gest. 799) als Grafen und »Präfekten«. Die karolingische Offensive endete nicht an der Enns, der »sicheren Grenze« gegen die Awaren. 791 begann Karl den Awarenkrieg; ein Brief an seine Frau Fastrada aus dem Lager an der Enns beleuchtet die liturgische Vorbereitung des Heidenkrieges mit dreitägigem Fasten, Messfeiern und Psalmengesängen. Die Franken stießen mit zwei Heeren entlang der Donau tief ins Awarenland bis an die Raab vor, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, mussten sich allerdings ohne entscheidenden Erfolg wieder zurückziehen. Doch löste die fränkische Offensive schwere Konflikte unter den höchsten awarischen Würdenträgern aus, die in Zentralasien übliche Titel wie Khagan, Iugurrus und Tudun trugen. Daraufhin erreichten fränkische Truppen 795/796 in zwei raschen Vorstößen von Italien aus den »Ring« zwischen Donau und Theiß, die Residenz der Khagane, und erbeuteten riesige Schätze. Karls Erfolg im Heidenkrieg und die reichen Gaben an kirchliche Institutionen aus der Beute waren ein wichtiger Schritt auf seinem Weg zur Kaiserkrönung im Jahr 800. Das Awarenreich hingegen zerfiel.
Die Franken mussten nun, ähnlich wie die Römer 800 Jahre zuvor, einen ausgedehnten und dünnbesiedelten Raum organisieren. Eine direkte Besiedlung und herrschaftliche Erfassung war zunächst nur an der Donau zwischen Enns und Wienerwald möglich, wo unter anderem St. Pölten, Traismauer und Tulln ausgebaut wurden. Zum Unterschied vom etwa zur selben Zeit eroberten Sachsen wurden im neugewonnenen Gebiet keine Bistümer gegründet, sondern der Raum wurde zwischen Salzburg, Passau und Freising geteilt, was fast das ganze Mittelalter hindurch die kirchenpolitische Struktur Österreichs bestimmte. 798 wurde Bischof Arn von Salzburg zum Erzbischof erhoben, zuständig für die gesamte bayerische Kirchenprovinz sowie die neueroberten Ostgebiete. Die alten Ansprüche Aquileias wurden 811 mit den neuen Salzburgs durch Festlegung der Bistumsgrenze an der Drau verglichen. Die Fortschritte der Mission in den neuen Herrschaftsgebieten blieben aber relativ bescheiden. Auch die politische Konsolidierung im ehemaligen Pannonien gelang nur teilweise. Einige Zeit lang versuchten die Karolinger, einzelne Awarengruppen in abhängigen christlichen Fürstentümern zu organisieren, von denen eines 805 »zwischen Carnuntum und Savaria (Szombathely/Steinamanger)« errichtet werden sollte. Doch die Awaren, deren politische Identität stark an die Führung eines Reiches gebunden war, konnten sich nicht halten; 822 kam eine letzte Gesandtschaft zu Kaiser Ludwig dem Frommen, dann verschwinden die Awaren nach über 250 Jahren aus den Quellen.
Die Initiative im Raum östlich des Wienerwaldes und südöstlich von Karantanien ging an slawische Fürsten über. Sie standen mehr oder weniger unter der Kontrolle der regionalen Beauftragten der Reichsregierung – Herzöge (in Friaul), Grafen oder Präfekten in Bayern und im neuerworbenen bayerischen Ostland. Sprachgebrauch wie administrative Abgrenzung waren noch im Fluss. Marchio war zunächst die Bezeichnung für den Grenzer in einer »Mark«, einem noch unspezifisch verstandenen Grenzgebiet; erst im späten 9. Jahrhundert bezeichnete der Begriff den »Markgrafen« im engeren Sinn, der in einem zumindest ungefähr angegebenen Gebiet über andere Grafen gebot. Damit ersetzte dieser Titel den eher antik-literarisch geprägten des »Präfekten«. Auch die Bezeichnungen des Raumes östlich der Enns schwankten im 9. Jahrhundert noch stark. Oft wird er zunächst nach den früheren Herren oder einheimischen Bewohnern Avaria oder terra Sclavorum, Slawenland, genannt. Die verbreitete ländliche slawische Besiedlung zeichnet sich beiderseits der Donau unterhalb der Ennsmündung sowie entlang des Alpenostrandes bis in die Bucklige Welt nun im archäologischen Befund deutlich ab. Auch der alte Provinzname Pannonia wird für das Ostland häufig verwendet, während das bayerische Altsiedelland nun mit Noricum und der alemannische Bereich mit Raetien identifiziert werden. Erst im Lauf der zweiten Jahrhunderthälfte wird die unspezifische Bezeichnung plaga orientalis, Ostland, üblich, aus dem schließlich das 996 erstmals bezeugte Ostarrîchi werden konnte. Auch die Organisation auf niedrigeren Ebenen machte Fortschritte. In Bayern war das Land in pagi, Gaue, sowie in Grafschaften gegliedert. Im Jahr 828 wurden auch östlich davon regional Grafen eingesetzt, ohne dass sich diese Grafschaften zunächst territorial genau abgrenzen lassen (die älteste Grafschaftsgrenze ist 844 bezeugt). Die abhängigen karantanischen Fürsten verloren ihre Stellung und wurden durch Grafen ersetzt.
Seit 817 war Ludwig »der Deutsche«, Sohn Kaiser Ludwigs des Frommen (reg. 814–840), Unterkönig zunächst in Bayern und später König im ostfränkischen Bereich in der antiken »Germania« –