Märchen aus Frankreich, Band 1. Группа авторов

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wünscht, so will ich es gern anschauen." Das Wunderpferd stand in einem wohl mit Stahl verankerten Gerüste, dessen geringsten Pfeiler kein Saumtier hätte tragen können. Mit drei goldenen Ketten war es um den Hals gefesselt und vier Paar Spannstricke hielten ihm die Füße zusammen, über der Haut mit Filz gepolstert. Futter und Hafer hatte es genug vor sich und es trank aus einem Gefäße, das mit Gold eingelegt war. Wasser lief vor ihm in einem Kanale und drei Kerzen brannten im Raum. Dreißig Wächter mußten das Roß behüten, und wenn fünfzehn schliefen, mußten die anderen fünfzehn wachen. Keiner hätte sich schlafend ertappen lassen dürfen: er wäre geblendet und des Landes verwiesen worden. Lubien nahm den Vorhang weg: das Tier hatte eine zarte Flanke und war an Kopf und Füßen weiß gezeichnet. Dann fragte er den Spitzbuben: "War das deinige so kostbar?" – "Nein," sagte dieser, "ich will es Euch nicht verhehlen: nie sah ich ein so schönes Roß und auch nie eines so wohl verwahrt." Dabei aber murmelte er zwischen den Zähnen, daß ihn keiner hörte: "So gut wird es doch nicht bewacht sein, daß ich es nicht stehlen kann. Herr Elias, wenn Ihr dieses Roß habt, so könnt Ihr Euch rühmen, daß im weiten Frankreich kein Ritter je auf einem solchen saß. Aber es ist gut verwahrt. Bei der Seele meines Vaters, lieber wäre es mir, wenn es draußen an einem Baume angebunden wäre."

      Von nun an hatte Galopin keine Ruhe mehr, und seine Gedanken waren stets bei dem Rosse. Die Wächter setzten sich zum Mahl, dann gingen sie schlafen, da sie an nichts Böses dachten und auf den kleinen Spitzbuben wenig achteten. Die andere Hälfte wachte beim Roß. Galopin trat an das Gerüst, stützte sich auf das Geländer und betrachtete das Tier. "Heilige Jungfrau Maria," betete er, "verschaff' mir das Pferd, aber so, daß es mich weder tritt noch verwundet." Das Tier erschrak vor seinem Atem und sprang mit allen Vieren zugleich. Die Wächter griffen zu ihren Waffen und suchten den Raum wohl siebenundzwanzigmal ab. Galopin stand im Schatten, und sie bemerkten ihn nicht, obwohl sie ihn fast berührten. Kein Wunder, daß der Dieb in Furcht geriet.

      Da die Wächter nichts fanden, setzten sie sich zum Schachspiel, und der eine sagte zum andern: "Was hat das Tier gehabt?" – "Bei meinem Kopf," sagte der Oberste, "es ist zu fett und ruht zu viel, beim kleinsten Anlaß erschrickt es." Galopin hatte ein Zauberkraut in der Tasche, das zog er nun hervor und rieb es, so daß der starke Geruch hervordrang. Er warf es durch die beiden Gitter hindurch, und die Wächter schliefen von dem starken Dufte ein. Nun war das Pferd unbewacht. "Bei Gott," frohlockte der Dieb, "ihr seid mattgesetzt. Der Emir wäre ein Dummkopf, wenn er euch nicht sämtlich hängen lassen würde." Dann nahm er das Gerüst bei den Gittern und riß es um. Er trat zu dem Pferde, streichelte ihm die Seiten und gedachte es fortzuführen. Doch das Roß kannte ihn nicht, es faßte ihn mit den Zähnen, stieß ihn zu Boden, hob ihn dann wieder in die Höhe und schleuderte ihn fünfzehn Fuß weit davon. Er rannte gegen einen Pfahl, daß er fast die Besinnung verlor, und rief Gott an, er möge ihn um Elias willen nicht verlassen. Als er furchtsam vorwärtskroch, fand er einen Prügel, den er beim dicken Ende packte. Dreißig Schläge gab er dem Tier auf die Flanken, bis es ruhig ward und sein Übermut verflog. "Halt die Füße still," rief er, "es wäre Torheit, wenn du dich bewegtest." Nun legte er dem Roß den Sattel auf, warf ihm den Zaum über den Kopf und schlug die Ketten herab.

      Galopin bestieg den verhängnisvollen Gaul, aber er konnte nicht reiten und stellte sich wie ein Tor. Beim ersten Schritt des Tieres lag er unten und hätte sich fast Rippen und Arme zerbrochen. Er schwur, nie wieder hinaufklettern zu wollen, und führte das Roß hinter sich her; so schnell schritt er, daß es ihm kaum folgen konnte. Das Pferd sah, daß er ein kleiner Knirps war, und hatte wenig Respekt vor ihm, es warf den rechten Fuß vor und stieß ihn zu Boden. Diesmal blieb er unbeschädigt, sprang leichtfüßig wieder auf und packte das Tier nun beim Leibgurt. Nie hätte der kleine Spitzbube das gute Roß gestohlen, wenn es sich besser gewehrt hätte. Doch er nahm einen ellenlangen Stock und gab ihm elf Schläge auf die feisten Flanken, bis es ruhig stand und ihm der Leib zitterte wie ein Lorbeerblatt. "Sicher", sagte Galopin, "ist Gewalt oft nützlich. Rühr dich nicht oder du mußt es büßen." Dann band er dem Tier einen Strick um den Hals und führte es so, daß es ihn nicht mehr treten konnte. Er zitterte, als er am Zelte des Emirs vorbeimußte, aber zu seinem Glück fand er ihn schlafend in dem kostbaren Pavillon. Dann überquerte er den Bach und gelangte in den goldbemalten Raum, wo Elias schlief. Ehe der Ritter erwachte, war das Roß, das er so heiß begehrt hatte, sein. Als Elias es erblickte, wurde er froh gestimmt, streckte die beiden Hände zum Himmel auf und rief: "Hei, Vater im Himmel, dir sei gedankt!"

      Hüon von Bordeaux

      Karl der Große hielt zu Pfingsten Hof in Paris, denn er wünschte wegen seines hohen Alters noch bei Lebzeiten sein Reich auf einen Nachfolger zu übertragen. Er schlug seinen Sohn Karlot als Nachfolger vor, und die Barone erklärten sich einverstanden. Der Verräter Amauri stellte das Fernbleiben der Brüder Hüon und Gerard als Unbotmäßigkeit dar und erbot sich, sie zur Aburteilung an den Hof zu bringen, dabei machte er mit Karlot aus, daß sich dieser in einen Hinterhalt legen sollte. So geschah es, und im Kampfe wurde Karlot von Hüon erschlagen. Amauri beschuldigte nun Hüon des wissentlichen Mordes am Königssohn; zwar entschied ein Zweikampf zugunsten Hüons, doch Karl wollte diesem sein Erbe nicht eher zurückgeben, bis er nach Babylon gehe, den ersten, der ihm am Hofe begegnete, erschlage, die Tochter des Emirs dreimal küsse und Bart und Zähne des Emirs selber mitbringe. Hüon trat selbzwölft die Reise an, und der büßende Ritter Jérôme schloß sich ihnen unterwegs an und zeigte ihnen den Weg.

      So gelangten sie in Oberons Zauberwald. Ermüdet streckte sich Hüon unter einer Eiche zur Ruhe: "Bei Gott," sagte er, "ich kann nicht mehr. Ich kann vor Hunger nicht mehr weiter reiten." "Schlecht versteht Ihr zu fasten," spottete Jérôme, "eßt doch von diesen Wurzeln. Ich habe seit dreißig Jahren keine andere Nahrung gehabt." "Das bin ich nicht gewohnt", meinte Hüon. Während sie so redeten, kam ein kleiner Mann durch den grünen Wald gegangen; der war so schön wie die Sonne am Sommertag; ein Mantel aus Seide, mit goldenen Bändern verziert, umhüllte ihn. Einen Bogen trug er in der Hand, der ihm stets Wildbret verschaffte; ein Horn aus reinem Elfenbein hing ihm um den Hals, welches Feen auf einer Insel im Meer gefertigt hatten. Die eine hatte ihm diese Gabe verliehen: wer das Horn ertönen hörte, der würde auf der Stelle gesund, und wäre er auch dem Tode nahe. Die zweite Fee hatte hinzugefügt: wer das Horn hörte, dessen Hunger und Durst würde alsogleich gestillt. Ein jeder, hatte die dritte bestimmt, müsse zu singen anfangen, wenn er den Ton des Hornes hörte, und drücke ihn die Sorge noch so schwer. Die vierte endlich gab ihm diese Kraft: wenn das Horn ertönte, in welchem Lande es auch sei, Oberon müsse den Ton vernehmen in Monmur, seiner Stadt. Der kleine Mann blies auf dem Horn, und die Ritter begannen sogleich zu singen. "Mein Gott," rief Hüon, "wer will uns besuchen? Ich spüre keinen Hunger mehr noch Schmerz." "Um Gottes willen, Herr," sagte Jérôme, "es ist der bucklige Zwerg. Redet ihn nicht an, wenn Euch Euer Leben lieb ist." Der kleine Bucklige rief ihnen mit lauter Stimme zu: "Ihr Männer, die ihr meinen Wald durchquert, seid mir gegrüßt beim Herrn der Welt! Ich beschwöre euch bei Gottes Majestät, bei Öl und Chrysam, bei der Taufe heiligem Salze, bei allem, was Gott geschaffen hat, beschwöre ich euch, daß ihr meinen Gruß erwidert." Die Ritter aber wandten sich zur Flucht zum großen Mißvergnügen des Zwerges, der mit einem Finger sein Horn berührte, worauf ein gewaltiges Unwetter entstand. Ein reißender Strom hemmte Hüons und seiner Gefährten Flucht. "Es ist der böse Zwerg, der das verursacht", beruhigte sie Jérôme, aber nur schwer erholten sie sich von ihrem Schrecken und setzten in Unruhe ihren Weg fort. Schon glaubten sie dem Zwerg entgangen zu sein, da stand er plötzlich auf einer schmalen Brücke vor ihnen. "Da ist der Teufel schon wieder", schrie Hüon. "Knabe," entgegnete Oberon, der es wohl gehört hatte, "nie war ich Teufel oder böser Geist. Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut wie du, und ich komme nochmals, im Namen Gottes und durch die Macht, die er mir gab, euch zu beschwören, daß ihr mir Rede steht." "Ums Himmels willen, flieht!" rief Jérôme, dann spornte er sein Roß, und seine Gefährten folgten ihm im Galopp. Ein drittes Mal stellte sich der Zwerg ihnen entgegen und versprach ihnen seine Hilfe bei der gefahrvollen Fahrt, wenn sie sich entschließen wollten, ihn anzureden. "Seid uns willkommen, Herr!" sagte Hüon. "Gott lohne es dir!" entgegnete Oberon. "Hüon, teurer Bruder, nie wurde ein Gruß besser gelohnt, als es der deinige werden soll." "Herr," sagte Hüon, "warum verfolgt Ihr mich?" "Ich liebe dich", erwiderte Oberon, "mehr als irgendeinen


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