Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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er­blick­te, er­hob er sich und blieb mit dem Käpp­chen in der Hand ste­hen, bis sich der große Bi­rot­teau ge­setzt hat­te.

      »Nein, ver­ehr­ter Herr; ja, ver­ehr­ter Herr; ach, mein ver­ehr­ter Herr, wenn ich ge­ahnt hät­te, daß mir die Ehre zu­teil wer­den wür­de, im Scho­ße mei­ner be­schei­de­nen Pe­na­ten ein Mit­glied der Pa­ri­ser städ­ti­schen Ver­wal­tung emp­fan­gen zu sol­len, sei­en Sie über­zeugt, daß ich es mir zur Pf­licht ge­macht hät­te, mei­ner­seits Sie auf­zu­su­chen, ob­gleich ich Ihr Haus­be­sit­zer bin, oder we­nigs­tens im Be­grif­fe bin, es zu wer­den.« Bi­rot­teau deu­te­te an, daß er sein Käpp­chen wie­der auf­set­zen möch­te. »Nein, das tue ich nicht, ich set­ze es nicht eher auf, als bis Sie Platz ge­nom­men und sich selbst be­deckt ha­ben, falls Sie etwa er­käl­tet sein soll­ten; mein Zim­mer ist et­was kalt, mei­ne be­schei­de­nen Ein­künf­te ge­stat­ten mir nicht … Zur Ge­sund­heit, Herr Bei­ge­ord­ne­ter.«

      Bi­rot­teau hat­te ge­niest, als er sei­nen Ver­trag her­vor­such­te. Er über­reich­te ihn, nicht ohne hin­zu­zu­fü­gen, um alle Ver­zö­ge­run­gen zu ver­hin­dern, daß Herr Ro­guin, der No­tar, ihn auf sei­ne Kos­ten auf­ge­setzt habe.

      »Ich be­strei­te nicht etwa die glän­zen­den Fä­hig­kei­ten des Herrn Ro­guin, ein un­ter dem Pa­ri­ser No­ta­ri­at wohl­be­kann­ter Name; aber ich habe so mei­ne klei­nen Ge­wohn­hei­ten, ich be­sor­ge mei­ne Ge­schäf­te selbst, eine ent­schuld­ba­re Ei­gen­heit, und mein No­tar ist …«

      »Aber un­ser Ge­schäft ist ja ein so ein­fa­ches«, sag­te der Par­füm­händ­ler, der an die schnel­len Ent­schei­dun­gen der Kauf­leu­te ge­wöhnt war.

      »Ein so ein­fa­ches?« rief Mo­li­neux aus. »In Miet­sa­chen ist nichts ein­fach. Ach, Sie sind nicht Haus­be­sit­zer, Herr Bi­rot­teau, um so bes­ser für Sie. Wenn Sie wüß­ten, bis zu wel­chem Gra­de die Mie­ter es an Ent­ge­gen­kom­men feh­len las­sen, und was für Vor­sichts­maß­re­geln wir tref­fen müs­sen! Hö­ren Sie, da hat­te ich einen Mie­ter …«

      Und Mo­li­neux er­zähl­te eine Stun­de lang, wie der Zeich­ner Gan­drin die Wach­sam­keit sei­nes Por­tiers in der Rue Saint-Ho­noré ver­ei­telt hat­te. Der Herr Gan­drin hat­te Scheuß­lich­kei­ten ver­übt, die ei­nes Ma­rat wür­dig wa­ren, ob­szö­ne Zeich­nun­gen an­ge­fer­tigt, was die Po­li­zei dul­de­te, so­weit geht die Läs­sig­keit der Po­li­zei! Die­ser Gan­drin, ein von Grund aus un­mo­ra­li­scher Künst­ler, brach­te leicht­fer­ti­ge Wei­ber mit nach Hau­se und mach­te da­mit die Trep­pe un­be­nutz­bar! Ein Streich, der zu ei­nem Men­schen paß­te, der Ka­ri­ka­tu­ren auf die Re­gie­rung zeich­ne­te. Und wes­halb alle die­se Schlech­tig­kei­ten? … Weil man am 15. die Mie­te von ihm ver­lang­te! Es kam zur Kla­ge zwi­schen Gan­drin und Mo­li­neux, denn ob­wohl er nicht be­zahl­te, woll­te der Künst­ler die Woh­nung nicht räu­men. Mo­li­neux be­kam an­ony­me Brie­fe, zwei­fel­los von Gan­drin, in de­nen er mit dem Tode be­droht wur­de, wenn er sich abends in den Win­keln des Hol­län­di­schen Ho­fes bli­cken lie­ße.

      »Das ging so weit, Herr Bi­rot­teau,« fuhr er fort, »daß der Herr Po­li­zei­prä­fekt, dem ich mei­ne Not klag­te … (ich habe da­bei die Ge­le­gen­heit be­nutzt, um ihm ei­ni­ge An­re­gun­gen über Än­de­run­gen der Ge­set­ze, die sich auf die­se Ma­te­rie be­zie­hen, zu ge­ben), mich au­to­ri­siert hat, zu mei­ner per­sön­li­chen Si­cher­heit mir Pis­to­len an­zu­schaf­fen.«

      Der klei­ne Alte stand auf und hol­te sei­ne Pis­to­len. »Hier sind sie, Herr Bi­rot­teau!« rief er aus.

      »Aber von mir, lie­ber Herr, ha­ben Sie doch nichts der­glei­chen zu be­fürch­ten«, sag­te Bi­rot­teau und warf Cay­ron einen lä­cheln­den Blick zu, in dem sich et­was von Mit­leid über einen sol­chen Men­schen mal­te.

      Mo­li­neux, der die­sen Blick be­merkt hat­te, fühl­te sich be­lei­digt durch eine sol­che Kund­ge­bung von Sei­ten ei­nes städ­ti­schen Be­am­ten, der doch die sei­ner Ver­wal­tung Un­ter­ste­hen­den schüt­zen müß­te. Was er je­dem an­dern ver­zie­hen hät­te, konn­te er Bi­rot­teau nicht ver­zei­hen.

      »Ver­ehr­ter Herr,« be­gann er wie­der in tro­ckenem. Tone, »ei­ner der ge­ach­tets­ten Han­dels­rich­ter, ein Bei­ge­ord­ne­ter, ein eh­ren­wer­ter Kauf­mann braucht sich mit sol­chen Klei­nig­kei­ten, denn es sind Klei­nig­kei­ten, nicht zu be­fas­sen. Aber in dem hier vor­lie­gen­den Fal­le kommt das Durch­bre­chen ei­ner Mau­er in Be­tracht, zu dem Ihr Haus­wirt, der Herr Graf von Grand­ville, sei­ne Ge­neh­mi­gung er­tei­len muß, es muß eine Ab­re­de ge­trof­fen wer­den, daß der Durch­bruch nach Ablauf der Miet­zeit wie­der be­sei­tigt wird; schließ­lich ist der Miet­zins un­ge­wöhn­lich nied­rig, er muß stei­gen, die Place Ven­dô­me wird sich im Wer­te he­ben, sie tut das schon! Die Rue Cas­tiglio­ne wird ge­baut wer­den! Ich bin­de mich … ich bin­de mich …«

      »Kom­men wir zu ei­nem Ende«, sag­te der ver­blüff­te Bi­rot­teau. »Wie­viel ver­lan­gen Sie? Ich bin ge­nü­gend Ge­schäfts­mann, um zu wis­sen, daß alle Ihre Be­den­ken vor dem wich­ti­ge­ren Be­den­ken, wie­viel ich zah­le, zum Schwei­gen ge­bracht wer­den. Also, wie­viel ver­lan­gen Sie?«

      »Ich stel­le nur eine an­ge­mes­se­ne For­de­rung, Herr Bei­ge­ord­ne­ter. Auf wie lan­ge wol­len Sie mie­ten?«

      »Auf sie­ben Jah­re«, er­wi­der­te Bi­rot­teau.

      »Was wird nicht in sie­ben Jah­ren mein ers­ter Stock für einen Wert ha­ben!« sag­te Mo­li­neux. »Wie teu­er wer­den dann zwei mö­blier­te Zim­mer in die­sem Vier­tel be­zahlt wer­den? Vi­el­leicht mit mehr als zwei­hun­dert Fran­ken mo­nat­lich! Ich bin­de mich, ich bin­de mich durch einen sol­chen Ver­trag. Wir wol­len also den Miet­zins auf fünf­zehn­hun­dert Fran­ken fest­set­zen. Bei die­sem Miet­preis er­klä­re ich mich da­mit ein­ver­stan­den, daß die bei­den Zim­mer von der Miet­woh­nung des Herrn Cay­ron hier«, sag­te er und warf einen schee­len Blick auf den Händ­ler, »ab­ge­trennt wer­den, und wil­li­ge in einen Miet­ver­trag mit Ih­nen auf sie­ben hin­ter­ein­an­der fol­gen­de Jah­re. Die Kos­ten des Durch­bruchs tra­gen Sie, nach­dem Sie mir die Ein­wil­li­gung und den Ver­zicht auf alle Rech­te sei­tens des Herrn Gra­fen von Grand­ville über­ge­ben ha­ben. Für al­les, was bei die­sem klei­nen Durch­bruch pas­siert, haf­ten Sie und über­neh­men die Ver­pflich­tung, die Mau­er, so­weit sie mich an­geht, wie­der­her­zu­stel­len, wo­für ich eine Ent­schä­di­gung von fünf­hun­dert Fran­ken, so­fort zahl­bar, ver­lan­ge: das ge­schieht um Le­bens oder Ster­bens wil­len, ich will hin­ter nie­man­dem her­lau­fen, wenn ich mei­ne Mau­er wie­der­her­stel­len muß.«

      »Die­se Be­din­gun­gen hal­te ich für im gan­zen an­ge­mes­sen«, sag­te Bi­rot­teau.

      »Fer­ner«, fuhr Mo­li­neux fort, »zah­len Sie mir sie­ben­hun­dert­fünf­zig Fran­ken, hic et nunc, die erst auf die letz­ten sechs Mo­na­te Ih­rer Miet­zeit ver­rech­net wer­den, wor­über im Ver­tra­ge quit­tiert wird. Im üb­ri­gen neh­me ich auch Wech­sel, mit dem Ver­merk ›Va­lu­ta in Mie­te‹ zu mei­ner Si­cher­heit, die Sie auf be­lie­bi­ge Da­ten aus­stel­len kön­nen. In Ge­schäf­ten bin ich kurz und bün­dig. Wir wol­len noch fest­le­gen, daß die Tür nach mei­ner Trep­pe ge­schlos­sen wird, die Sie zu be­nut­zen kei­ner­lei Recht ha­ben … und zwar auf Ihre Kos­ten … und zu­ge­mau­ert wird. Aber sei­en Sie un­be­sorgt, für die Wie­der­her­stel­lung


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