G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
dafür entschuldigt er sich gleich noch.«
»Mensch, du Zwerg, ich blase dich auf den Mond!«
Cleydron kocht, Lee Dorlan lächelt schmal und gefährlich.
»Mister«, sagt er träge und spricht nun genau wie Joe. »Wenn du dich weiter so aufbläst, wirst du noch eher auf dem Mond landen, als du dir träumen läßt. Ich habe keine Lust, mich mit dir zu schießen, aber wenn du es nicht anders haben willst, dann gut. Ich bin noch nie weggelaufen.«
»Dorlan, mach keinen Fehler«, sagt Stuart hinten. »Er ist wütend, dann schießt er auch ohne lange Vorrede. Junge, laß das sein, du kennst ihn nicht.«
Sicher hört Cleydon ihn auch, vielleicht grinst er darum etwas selbstgefällig.
»Ich kenne diesen Hinkefuß ganz genau«, eriwdert Lee trocken. »Auf eine Art erinnert er mich an ein Pferd, so prächtig große Zähne hat er. He, Cleydon, nimm einen Rat an: schwing dich auf dein Pferd und reite schnell weg, du wirst sonst ganz lahm sein und auf Krücken gehen müssen.«
Cleydon wird kreideweiß und beißt die Zähne zusammen. Und es gibt Leute, die seine Zähne knirschen hören wollen.
»Junge, ich schieße dich tot«, sagt er mit fürchterlichem Ernst. »Das hat mir noch niemand gesagt. Zieh, ich warte!«
»Soll ich einen Vorteil nehmen, wenn du einen brauchst?« erkundigt sich Lee gedehnt. Seine linke Hand schwebt dabei über dem linken Revolver, während die rechte etwas höher sitzt, und er sicher ist, daß Cleydon ihn nun für einen Trickser hält, der rechts schießen wird, links aber trickst. »Wenn du nicht zu feige bist, dann ziehst du zuerst. Du bist doch hergekommen, wie? Ich sehe schon die Leute lachen, wenn du zu langsam…«
Genau das hat ihm der alte Sam Hondo und später auch Joe immer wieder gesagt: Merkst du, daß dein Gegner wütend ist, dann reize ihn noch mehr. Und dann schnappe mit der Hand herunter, als ob du ziehen willst. Es muß aussehen, als wenn du bluffst, aber du darfst nicht bluffen. Du mußt sofort nachgreifen und den Revolver ziehen, so schnell du kannst.
Jetzt bewegt er die linke Hand einmal schnappend und sieht Cleydon keine 15 Yards vor sich.
Cleydon zuckt nun auch, aber als seine Hand nach unten klatscht, ist Lee Dorlans Bewegung schon ein Stück weiter. Nach dem kurzen Zucken kommt der Bruchteil einer Sekunde, in dem die rechte Hand zuzugreifen scheint. Aber dann ist es doch die Linke, die rasend schnell den Colt erreicht, während die Rechte quer über die Hüfte schießt und flach ausgestreckt in der Luft stehenbleibt.
Lee Dorlan, dessen Begabung für einen Schuß von der Hüfte aus Joe genau erkannte, scheint rechts schießen zu wollen und trickst nun Cleydon aus.
Blitzschnell drückte Lee den Kolben seines alten Eagle-Revolvers nach hinten, seine rechte Hand aber schlägt einmal von vorn nach hinten über den Hammer des Revolvers hinweg.
Und dies ist die Sekunde für Lee, in der er genau weiß, daß er niemals so schnell gewesen ist.
Cleydon hat seinen Colt knapp aus dem Halfter, als Lees Revolver brüllend kracht und Cleydon zugleich einen wilden und schmerzhaften Schrei ausstößt.
»Das rechte Bein, du Narr«, sagt Lee fauchend und dreht sich leicht nach links. »Hatte ich es gesagt?«
Slim Cleydon stürzt wie von einem Axthieb gefällt zu Boden und rollt sich sofort herum. Sein Bein ist getroffen worden. Er hat keine Chance aufzustehen, aber kauern kann er. Aus seiner Rolle nach rechts reißt er das linke Knie hoch. Der Schwung befördert ihn hoch, er kniet und hat den Colt hoch.
Der Staub ist vor ihm wie ein Schleier. Lee sieht ihn trotzdem gut genug und schlägt mit der Rechten noch einmal über den Hammer.
Die beiden Schüsse fallen fast zugleich und jedem, der den Kampf sieht, ist mit einem Schlage klar, daß Lee Dorlan Cleydon glatt erschießen konnte, ehe er ganz kniete.
Haarscharf über Lee hinweg, so daß er den Luftzug zu spüren glaubt, zischt die Kugel fauchend in das Blau des Himmels.
Drüben aber kommt Cleydons rechte Hand immer höher, der Colt zeigt in den Himmel, Cleydons rechte Schulter färbt sich. Dann ächzt der Revolvermann einmal hörbar und fällt um. Seltsam verdreht bleibt er am Boden liegen.
Lee Dorlan aber steht leicht zusammengeduckt da und dreht sich von rechts nach links.
»Ist da noch jemand?« fragt er eiskalt. Dabei gleiten seine hellen Augen über die Gehsteige hinweg, erfassen jeden Mann. »Dieser Narr, ich wollte ihn nicht umbringen. Bennet, geh hin und sieh nach, die zweite Kugel muß in seiner Schulter sitzen.«
Bennet stiert ihn wie einen höllischen Geist an, bewegt die Lippen und endlich auch die Beine. Dann stolpert er los, kommt laufend bei Cleydon an und bückt sich nach dessen Colt, der einen Fuß vor Cleydons Hand liegt.
»In die rechte Schulter«, sagt Bennet. »Und das rechte Bein, du hast ihn mitten durch den Unterschenkel geschossen, Dorlan.«
Lee Dorlan sagt gar nichts, er klappt seinen Colt auf, stößt die beiden leeren Hülsen aus und steckt zwei neue Patronen in die Trommel. Nun geht er los, erreicht Cleydon und behält den Colt in der linken Hand.
Von rechts kommt Tabe Colony angerannt, bleibt aber stehen, als Lee leicht den Colt hebt und kurz zu ihm hinsieht.
Auf den Gesichtern der Leute spiegelt sich nackte Furcht. War Joe Simmons schon ein schlimmer Schießer zu seiner Zeit, dann ist Cleydon noch wilder. Und dieser Junge hat Cleydon glatt niedergschossen, etwas, was niemand für möglich gehalten hat. Sie alle haben Lee Dorlan für einen Maulhelden gehalten.
Leichenblaß steht Liz Walker vor dem Store. Sie starrt auf den besten Mann ihres Vaters und auf Lee.
Dann stöhnt Cleydon auch schon, zieht das linke Bein an und wimmert leise. Er ist aber augenblicklich still, nachdem er die Augen aufmacht und Lee über sich erkennen muß.
»Mister«, sagt Lee singend. »Es fehlt noch etwas. Du mußt dich jetzt entschuldigen. Tust du es nicht, dann bekommst du deinen Colt zurück und eine Kugel dazu. Willst du dich jetzt bei der Lady entschuldigen, Cleydon?«
»Ich werde… Verdammter Junge, ich werde…«
»Gib den Revolver her, Bennet, er möchte sterben.«
»Also gut, ich entschuldige mich, Lady und…« fällt zusammen und Lee dreht sich langsam um. Sein Colt wirbelt einmal um den Zeigefinger und landet dann im Halfter. Dann greift er an seinen Hut, nimmt ihn kurz ab und sagt träge:
»Lady, er hat sich entschuldigt. Tut mir leid, daß er nicht besser war.«
Er dreht sich um und geht los. Niemand sagt etwas.
Und der Mann, der auf seinem schwarzen Pferd hinter dem Schuppen der Overland hält, denkt mit funkelnden Augen:
Das wußte ich, aber für so schnell habe ich dich nicht gehalten, Lee. Junge, jetzt wollen wir sehen, was dieser Narr Olbright macht. Ich wette, er verliert seinen Kopf.
Dann zieht Joe Simmons sein Pferd zurück, denkt noch eine Sekunde daran, daß der Reiter Olbrights, den er traf, ihm von dem heutigen Besuchstermin erzählte. Er denkt weiter an jemanden auf der Walker-Ranch, der einen Zettel für Slim Cleydon mit auf den Weg nahm.
So ist das, denkt Joe Simmons nachdenklich, und sein Lächeln danach kommt zufrieden und breit. Da hat Cleydon ganz umsonst auf mich gewartet. Seltsam, wie man alles tun kann. Als hätte ich ihnen Fäden um die Beine gebunden und brauchte nur zu ziehen, um sie hampeln zu sehen. Das hat mein Vater auch schon immer gesagt. Joe, hat er gesagt, du hast einen zu schlauen Kopf, du denkst für mich und alle anderen. Sei nie zu schlau, Junge.
Joe Simmons verschwindet zwischen den wenigen Bäumen und Büschen in der Senke und lenkt sein Pferd dann nach Osten hin.
Hier biegt er in das Tal des Stillwater ein und stößt wenig später auf die frische Fährte von sechs Pferden.
Er schlägt den nächsten Haken und prescht in ein Tal.
Dort