Funkelsee – Das goldene Fohlen (Band 3). Ina Krabbe

Funkelsee – Das goldene Fohlen (Band 3) - Ina Krabbe


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ertönte plötzlich ein Hey Honey! neben ihr und ein Leuchten drang aus dem Schutt hervor. Eine Nachricht von Lea! Ausnahmsweise mal genau zum richtigen Zeitpunkt! Malu schob die Trümmer beiseite und fischte ihr Handy heraus. Es schien noch völlig in Ordnung zu sein. Gut, dass sie auf Edgars Panzerfolien-Tipp gehört hatte. (Das würde sie ihm natürlich nicht sagen!).

      Sie schaltete das Licht wieder an und leuchtete zu ihrer Mutter hinüber, die etwas gequält ins Helle blinzelte. Malu zuckte erschrocken zusammen. Das Bein ihrer Mutter stand in einem unnatürlichen Winkel ab und die Hose war rot vor Blut.

      »Ich rufe Hilfe, Mama«, stammelte sie und tippte hektisch die Notruf-Nummer ein. Sie hatte nur einen halben Balken – kein Empfang. So ein Mist!

      »Keine Panik da unten«, erklang zum Glück in diesem Moment eine Stimme über ihnen. Malu leuchtete nach oben, direkt in das bleiche Gesicht des jungen Chefs, das sich über die Einbruchstelle geschoben hatte. Paul.

      »Am besten bleibt ihr genau da unter der Einsturzstelle, ich weiß nicht, wie stabil der Rest des Bodens hier oben ist. Nicht, dass euch noch etwas auf den Kopf kracht«, sagte er. »Feuerwehr und Rettungswagen sind unterwegs, die holen euch gleich da raus.«

      Malu nickte erleichtert und winkte Paul kurz, der seinen Kopf zurückzog, um wieder auf sicheren Boden zurückzurobben. Rebecca drehte sich zu ihrer Tochter und sog dabei vor Schmerz scharf die Luft ein. Malu kroch schnell zu ihr herüber und nahm ihre Hand. »Beweg dich nicht, Mama. Dein Bein ist bestimmt gebrochen.« Sie warf einen kurzen Blick auf das verdrehte Bein, Übelkeit stieg in ihr hoch. Schnell guckte sie wieder weg.

      »Was schreibt Lea denn?«, fragte ihre Mutter mit brüchiger Stimme. Das sollte wohl ein kleines Ablenkungsmanö­ver sein. Malu war es nur recht.

      Sie wischte durch ihre Nachrichten.

      »Wo bleibst du – vier Fragezeichen. Ich warte seit Stunden – fünf Ausrufezeichen«, las Malu vor. »Da muss sie jetzt noch ein bisschen länger warten. Ich schreib schnell zurück.«

      Bin mit meiner Mum durch den Boden gekracht. Sie hat sich das Bein gebrochen. Wir warten auf den Rettungs­wagen. See you, tippte Malu.

      Hey Honey! - Lea:

      Du bist was???? Wo denn??? Deine arme Mum.

      Was MACHST du????

      Malu:

      Ich MACHE gar nichts. Ich sitze hier im Stockdunkeln und warte auf Rettung. Und damit mir dabei nicht langweilig wird, schreibe ich dummes Zeug

      Hey Honey! - Lea:

      Dir passieren immer soooooo komische Sachen. Man kracht doch nicht einfach durch den Boden. Das war eindeutig zu viel Schokolade in letzter Zeit.

      Malu:

      Oder zu viel Eis im Muffins. Da säße ich jetzt auch lieber als hier im staubigen Keller zu hocken

      Rebecca stöhnte leise. Sie war ganz bleich im Gesicht. Vielleicht lag es aber auch an dem bläulichen Licht des Handydisplays, dass ihre Mutter so elend aussah, hoffte Malu. Schnell schrieb sie weiter: Sag Edgar Bescheid, er soll ins Krankenhaus kommen, wenn du ihn in der Schule siehst. Der hat bestimmt sein Handy ausgeschaltet.

      Hey Honey! - Lea:

      Immer brav, unser Edgar. Mach ich. Seid tapfer!!

      »Ich träume noch von diesem Hey Honey«, stöhnte ihre Mutter. »Vielleicht solltest du mal deinen Nachrichtenton ändern, wenn wir hier raus sind – was hoffentlich bald der Fall sein wird.«

      »Hey Honey ist doch super«, lachte Malu. »Das hat eine Stunde gedauert, bis Lea und ich das eingesprochen hatten.«

      »Wow, eine Stunde für zwei Worte.« Ihre Mutter versuchte auch zu lachen, aber es klang eher wie ein hohles Husten. »Wo sind wir hier eigentlich?«

      Gute Frage. Malu leuchtete mit dem Handy einmal rundherum. Der Raum war nicht besonders groß, vielleicht drei mal drei Meter. Na ja, Raum war vielleicht auch das falsche Wort, es sah eher wie ein Verlies aus. In die grob gemauerten Wände waren Eisenringe eingelassen, ansonsten gab es hier unten nichts – wenn man mal von dem Schutt und den heruntergekrachten Holzdielen absah. Die Decke über ihnen war kaum mehr als zwei Meter hoch – zum Glück! Malu betrachtete das Loch, das über ihnen klaffte. Es war auffällig eckig. Und jetzt entdeckte sie auch die Eisenstufen, die aus der Wand herausragten und nach oben führten. Malu konnte wetten, dass dort oben eine Falltür gewesen war, deren Holz mit der Zeit morsch geworden war.

      Sie ließ den Lichtkegel weiterwandern. Was war das? In der Wand gegenüber gähnte ein dunkles Loch. Ein Gang! Er führte geradewegs in die Dunkelheit. Malu schauderte. Wohin mochte er einen bringen? Es gab also tatsächlich einen Geheimgang in Schloss Funkelfeld!

      Rebecca lag auf dem Rücken und hatte deswegen nur die Öffnung über sich im Blick. »Und? Wie sieht es aus?«, fragte sie.

      Malu hörte, dass sie dabei die Zähne zusammenbiss. Hoffentlich kam dieser verdammte Rettungswagen bald! Sie wischte sich ein paar Tränen weg, die sich aus ihren Augenwinkeln gestohlen hatten. »Gemütlich«, sagte sie. »Ich glaube, ich will mein Zim­mer nach hier unten verlegen. Man hat seine Ruhe und im Sommer ist es immer schön kühl.«

      Ihre Mutter schnaubte.

      Malu leuchtete in den Gang hi­nein, aber es gab nicht viel zu sehen, nur Mauerwände, die ins Dunkle verliefen und – ein Glitzern ... Was war das? Wie ein Fremdkörper leuchtete das goldfarbene Etwas auf dem staubigen grauen Boden. Malu stand auf, um sich ihren Fund näher anzusehen.

      »Du rührst dich nicht vom Fleck«, zischte es neben ihr. »Was wenn der Rest der Decke auch noch runterkommt!«

      Malu nickte ergeben, jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihrer Mutter zu streiten. Aber während sie auf Hilfe warteten, wanderten ihre Augen immer wieder zu dem glitzernden Ding auf dem Boden des Geheim­­­­gangs.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit waren endlich von oben Geräusche zu hören und dann ging alles ganz schnell. Zwei Rettungskräfte wurden mit einer Bahre abgeseilt, auf der ihre Mutter festgeschnallt wurde. Während die Männer und Frauen damit beschäftigt waren, Rebecca nach oben zu bugsieren, machte Malu schnell ein paar Schritte nach hinten, drehte sich um und hastete in den Gang.

      »He, hiergeblieben!« Eine Hand packte sie an der Jacke und zog sie zurück. Blitzschnell bückte sie sich und schon schlossen sich ihre Finger um das goldene Ding. Der Mann, der eben noch so mitfühlend ausgesehen hatte, blickte sie genervt an. »Du bist jetzt dran.«

      Malu zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sie musste sich auf einen Tragesitz setzen und wurde dann wie auf einer Schaukel nach oben gezogen. Durch das Loch in der Wand konnte sie selber krabbeln und als sie im Flur herauskam, wurde sie direkt von einer Sanitäterin in Empfang genommen, die sie auf den Schlosshof und dort zu einem Krankenwagen brachte.

      Malu beteuerte, dass sie nicht verletzt war, aber die Frau bestand darauf, dass sie sich untersuchen lassen musste. Die Bahre mit ihrer Mutter wurde gerade in einen anderen Rettungswagen geschoben. Gesine und Arno von Funkelfeld, der Vater ihrer Großcousine Lenka (Würg!) standen daneben und redeten beruhigend auf Rebecca ein.

      »Ich muss zu meiner Mutter«, stieß Malu hervor und rannte zu den anderen.

      »Ach, mein armes Schätzchen«, rief Gesine und drückte Malu an sich. Ausnahmsweise durfte sie das auch, eigentlich war Malu natürlich schon zu alt für solche öffent­­lichen Liebesbekundungen – immerhin wurde sie in ein paar Tagen 14. Aber heute war wohl eine Ausnahme.

      »Malu, ich muss dir noch was sagen«, rief Rebecca heiser aus dem Krankenwagen.

      Mit einem Kopfnicken erlaubte der Arzt Malu, zu ihr zu kommen. »Aber nur kurz.«

      Sie setzte sich neben ihre


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