Funkelsee – Das goldene Fohlen (Band 3). Ina Krabbe

Funkelsee – Das goldene Fohlen (Band 3) - Ina Krabbe


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und Lea und Jaron angeboten hatten, Gesine bei der Versorgung der Pferde zu helfen, hatte sie schließlich zugestimmt. Rebecca würden sie allerdings von diesem Ausflug nichts verraten. Sie würde sich nur aufregen und das war in ihrem schwachen Zustand bestimmt nicht gut.

      Endlich verkündete eine blecherne Stimme Marschdorf aus dem Lautsprecher. Sie waren da! Die Geschwister zerrten die beiden Taschen aus dem Gepäcknetz und wankten dann schwer beladen Richtung Ausgang. Edgar hatte seinen alten Schulfreund Bjarne angerufen, der sie abholen würde und bei dem sie auch übernachten konnten.

      Das war der andere Grund, warum Malu so aufgeregt war. Sie würde die Vergangenheit ihres Bruders kennenlernen. Edgar war wirklich kein redseliger Typ und von einem Bjarne hatte er noch nie etwas erzählt. Und nun plötzlich zauberte er seinen guten Schulfreund aus dem Hut. Undenkbar für Malu. Wenn sie hätte von zuhause wegziehen müssen, dann hätte sie doch trotzdem noch ununterbrochen mit Lea Nachrichten und Bilder hin- und hergeschickt. Aber vielleicht waren Jungs da eben anders. Jaron war auch keiner, der ihr ständig Botschaften schickte.

      Die Tür öffnete sich mit einem lauten Stöhnen und sie wuchteten die Taschen auf den Bahnsteig.

      »Ey, Alter«, schallte da schon eine Stimme hinter ihnen. Ein pummeliger Junge mit dunkelbrauner Haut und rundem, freundlichem Gesicht lief auf sie zu, umarmte Edgar und klopfte ihm wild auf den Rücken. »Mann, schön dich zu sehn, Alter!«

      Edgar griente und befreite sich von seinem Freund. »Ich freu mich auch, Bjarne«, sagte er.

      Malu musste grinsen. Edgar meinte es tatsächlich so, auch wenn man es ihm nicht anmerkte, er hatte es eben nicht so mit emotionalen Bekundungen. So gut kannte sie ihren Bruder inzwischen. Aber Bjarne schien ihn auch zu kennen, denn er nahm ihm seine Schroffheit nicht übel.

      »So, du Stoffel, jetzt stell mich mal deiner Schwester vor.«

      »Malu, das ist Bjarne. Bjarne, das ist Malu, meine Schwester.«

      »Brav«, grinste der Junge und hielt Malu die Hand hin. »Hi, ich bin ein alter Freund von deinem Bruder. Bestimmt hat er dir schon rasend viel von mir erzählt.«

      »Ein bisschen«, übertrieb Malu schamlos. Tatsächlich hatte Edgar ihn nicht ein einziges Mal erwähnt.

      »Na los, kommt«, sagte Bjarne, schnappte sich Malus Tasche und lief vor.

      »Ein echter Gentleman, dein Freund«, sagte Malu. Edgar schnaufte neben ihr, während er seine vollbepackte Reise­tasche zum Ausgang schleppte.

      Marschdorf schien nicht gerade ein beliebtes Reiseziel zu sein. Nur der Bahnhofsvorsteher grüßte Bjarne, als sie durch die leere Halle liefen.

      »Fahr nich’ wieder so schnell, min Jung«, rief er Bjarne nach. »Sonst gibt’s wieder ein Knöllchen.«

      »Das ist mein Onkel«, raunte der Junge Malu zu, als sie sich durch die große Glastür schoben. »Und das mit dem Knöllchen ist natürlich Quatsch.«

      Malu hatte sich schon gefragt, ob hier im Norden die Jugendlichen schon mit 15 Auto fahren durften, denn älter war Bjarne sicher auch nicht.

      »Meine Ponys sind zwar schnell, aber ein Knöllchen habe ich noch nicht mit ihnen bekommen.« Bjarne lachte und machte eine einladende Handbewegung in Richtung einer kleinen hellblauen Kutsche, vor die zwei Ponys ge­­spannt waren. Eines war braun-weiß gescheckt – fast wie Alibaba – das andere schokoladenfarben. Geduldig warteten die Tiere auf einem Parkplatz vor dem Bahnhofsgebäude auf ihre Passagiere.

      Während Bjarne und Malu es sich auf dem Kutschbock bequem machten, wuchtete Edgar die beiden Reisetaschen hinten auf eine Ablage. Dann quetschte er sich neben seine Schwester. Der Platz reichte gerade so für drei.

      »Darf ich vorstellen: Der gescheckte Herr ist Mister Fleck. Sehr originell, was? Den Namen hat meine kleine Schwester ausgesucht.« Bjarne verdrehte die Augen.

      Malu kicherte und warf ihrem Bruder einen vielsagenden Blick zu. »Ich sag nur Ping und Pong.«

      Edgar tat so, als wüsste er nicht, wovon Malu redete.

      Bjarne schnalzte, ließ die Zügel leicht auf die Pferde­rücken schlagen und schon setzte die Kutsche sich in Be­­wegung. »Die braune Schönheit ist Taka-Tuka.« Er grins­­­te. »Der ist von mir.«

      Edgar prustete los. »Taka-Tuka, nicht dein Ernst, Bjarne. Dagegen ist PingPong ja ein echt bodenständiger Name.«

      »Ich find’s süß.« Der dunkelhaarige Junge lächelte und trieb die Ponys zum Trab. »Ihr könnt in der Scheune schlafen, ich hab euch Strohballen hingestellt und Decken rübergebracht.« Als er Malus überraschten Blick sah, fügte er schnell hinzu. »Wenn es euch nichts ausmacht, aber da habt ihr wenigstens eure Ruhe, bei uns im Haus ist es nämlich ziemlich voll.«

      »Bjarne hat noch sechs Geschwister«, erklärte Edgar, »und Hunde – wie viele sind es genau?«

      »Nur drei.« Der Junge verzog das Gesicht. »Marvin ist vor zwei Monaten gestorben. Ein paar Katzen haben wir auch noch. Und natürlich die Ponys.«

      Vielleicht war es doch ganz gut, dass sie in der Scheune schlafen konnten, dachte Malu.

      Die Ponys wurden etwas langsamer und Bjarne lenkte das Gespann auf einen holprigen Feldweg. Obwohl sie fast im Schritttempo fuhren, wurden die Geschwister ordentlich durchgerüttelt.

      »Was macht denn Hauke?«, fragte Edgar über den Kopf seiner Schwester hinweg.

      »Der ist vor einem halben Jahr ausgezogen.« Bjarne schüttelte den Kopf. »Er wollte eigentlich eine Ausbildung als Pferdewirt machen, aber er hat die Lehrstelle nicht bekommen. Jetzt macht er mal dies, mal das und hilft auf den Höfen in der Umgebung aus. Meine Eltern sind darüber nicht gerade happy, kannst du dir ja vorstellen.«

      »Hauke ist sein Bruder«, klärte Edgar Malu auf. »Der war zwei Klassen über uns und hatte immer den besten Blödsinn auf Lager. Unser aller großes Vorbild«, grinste er.

      Malu verdrehte die Augen. Ein typischer Fall von Jungs-Gequatsche. Wenn dieses Geruckel vorbei war, musste sie als Erstes mit Lea schreiben.

      Eine Ansammlung von riesigen Eichen erhob sich vor ihnen. Als sie näherkamen, erkannte Malu einen kleinen Vier­­­kanthof, der sich unter die Bäume duckte. Auf dem Innen­­hof lagen Fahrräder, Roller und Bälle wie durchei­nander gewürfelt.

      »Willkommen auf dem Schwalbenhof.« Bjarne brachte die Ponys zum Stehen und sprang vom Kutschbock. Eine Horde Kinder rannte auf sie zu und sprang um den Wagen herum. Alle schrien durcheinander.

      »Was gibt’s zu essen, Bjarne?« – »Kann ich Mister Fleck ab­­­schnallen?« – »Nein, ich will Mister Fleck nehmen!« – »Wer sind die beiden?«

      Malu zählte drei Mädchen und zwei Jungs (vielleicht – so genau konnte sie das gar nicht erkennen, denn alle hatten halblange strohblonde Haare), ungefähr im Alter von vier bis zehn.

      Bjarne stöhnte und befreite sich von seinen Geschwis­tern. Kurzerhand bestimmte er zwei, die sich um die Ponys kümmern sollten, dann drehte er sich zu Malu und Edgar. »Kommt, ich zeig euch, wo ihr schlafen könnt und dann machen wir uns was zu essen. Meine Eltern kommen erst morgen wieder, die sind auf einer Messe.«

      Die Scheune war wundervoll! Einen schöneren Platz zum Schlafen hätte Malu sich gar nicht vorstellen können. Bjarne hatte nicht zu viel versprochen und anscheinend alle Decken, die er im Haus gefunden hatte, über die Stroh­­­­ballen geworfen. Dazu noch jede Menge Kissen. Die Nach­mittagssonne schien träge durch die Dachluke und brachte die staubige Luft zum glitzern.

      Malu ließ sich rückwärts auf ihr Strohbett fallen. »Das ist echt toll! Danke, Bjarne.«

      Unschlüssig stand Bjarne zwischen den Strohballen und vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Tja, gerne. Bad und Klo müsst ihr drinnen benutzen, die Tür ist aber immer offen.«

      »Sag mal, warst du in letzter Zeit mal auf dem Birken­hof?«, fragte Edgar unvermittelt.

      Sein Freund sah


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