Die Villen vom Attersee. Marie-Theres Arnbom
Ein Kindergarten kümmert sich um die Arbeiterkinder, denn deren Situation entsetzt Arthur Faber: »Die Kinder hatten ein trotziges, scheues Wesen und lagen meist schreiend und balgend auf der Straße herum, der Gefahr vorüberfahrender Wagen ausgesetzt.«51 Der Kindergarten bietet regelmäßige Mahlzeiten, Kleidung, Beschäftigung und Erziehung. Und das alles auf Deutsch in einer rein tschechischen Umgebung, um den Kindern bessere Chancen für die Zukunft zu bieten, denn Deutsch ist die Amtssprache der Monarchie. Ähnliches gilt für die neu errichtete Schule, die sich der weiteren Erziehung annimmt.
In dieser Atmosphäre der Rechtschaffenheit und sozialen Verantwortung wächst Arthur Fabers Sohn Richard auf. 1886 tritt er in die Firma ein und kann noch nicht ahnen, dass schwierigste wirtschaftliche Zeiten auf ihn zukommen. Doch in den ersten Jahrzehnten seiner Tätigkeit läuft alles prächtig, Spitzen, Tüll und Vorhangstoffe finden dank eines umfangreichen Vertriebsnetzes erfolgreich ihren Weg in alle Regionen der großen Monarchie.
1902 erwirbt Richard um 72 000 Kronen einen stattlichen Besitz in Attersee – ganz in der Nähe des Yacht-Clubs, kein unwichtiges Kriterium für einen fanatischen Segler. Wirklich interessant gestaltet sich die Dokumentation der Baugeschichte des dort entstehenden prachtvollen Hauses, wirft sie doch ein bezeichnendes Licht auf den Stellenwert von Archivalien. Denn anhand der Aktenlage können weder der Architekt noch der Zeitpunkt des Baues eindeutig fixiert werden. Ein erstaunlicher Befund, handelt es sich doch nicht um ein unbedeutendes Haus nach einem gängigen Schema, sondern um eine herrschaftliche Villa mit durchaus eigenständigem Aussehen. Die ältesten Pläne sind mit 1904 datiert52, als Architekt wird Max Fabiani angenommen – da der Bauherr selbst großes architektonisches Interesse hat, hat er wohl bei der Planung viele seiner eigenen Ideen umsetzen lassen und so ein gemeinsames Projekt geschaffen. Spektakulär ist neben dem aufwendig gestalteten Park vor allem das Bootshaus, 1909 von den Architekten Franz von Krauß und Josef Tölk erbaut, dessen Turm man schon von Weitem sehen kann. Es ist so großzügig dimensioniert, dass man mit aufgetakeltem Boot hineinfahren kann – eine Seltenheit im Salzkammergut, aber für einen passionierten Segler wie Richard Faber völlig passend.
Werbung für die Spitzenprodukte der Firma Faber im Jahrbuch des Yacht-Clubs Attersee, 1936
»Kiellinie beim Ansegeln« lautet die Beschriftung im Fotoalbum der Familie Meiss-Teufen (links). Am Boot darf ein Radio nicht fehlen (rechts). 1928
In den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelt sich die Villa Faber zu einem gesellschaftlichen »Hotspot«53. Anlässlich der vielen Regatten auf dem See finden regelmäßig Feste statt, zu denen sich die gesamte Atterseer Sommergesellschaft einfindet. 1930 gibt es eine Premiere: Erstmals in Oberösterreich veranstaltet der Yacht-Club eine »Außenbordmotor-Regatta«, wie die erste Motorboot-Regatta etwas umständlich genannt wird. Die Boote erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 55 km/h, nur das Boot eines Prinzen Liechtenstein schafft es angeblich auf 75 km/h, wie die Linzer Tages-Post am 22. August 1930 begeistert berichtet: »Die spannenden Kämpfe wurden von zahllosen Motorbooten und Ruderbooten beobachtet. Auch auf dem Klubplatz herrschte reges Leben. Das neuartige Rennen bildete damit einen glänzenden Abschluß der diesjährigen Atterseewoche. Mittags fand dann ein Frühstück und Empfang beim Vizepräsidenten des Klubs Generaldirektor Doktor Richard Faber statt.« Zehn Jahre später stirbt Richard Faber und mit ihm eine unwiederbringliche Epoche der Sommerfrische. In der Todesanzeige der Firma M. Faber & Co. werden seine Verdienste zusammengefasst: »Wir verlieren in dem Dahingeschiedenen den langjährigen zielbewußten Führer, der sich durch seine hervorragenden Kenntnisse, seine unermüdliche Arbeitskraft, durch seinen vornehmen Charakter und seine Fürsorge für alle seine Mitarbeiter unvergängliche Verdienste um unser Unternehmen erworben hat. Er wird uns stets ein leuchtendes Vorbild bleiben.«54
Der Yacht-Club Attersee in frühen Jahren
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