Die Villen vom Attersee. Marie-Theres Arnbom

Die Villen vom Attersee - Marie-Theres Arnbom


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finden sich zehn Kränze mit weißen Blumen, alle mit der Inschrift »Max Schmidt – ewig der Deinige«.31 Die Farbe Weiß hatte Elsa schon immer für ihre Roben bevorzugt. Und so beschließt sie nun auch ihr Leben in einem weißen Seidenkleid, gebettet in einen weißen Sarg, umkränzt von weißen Blumen. Man ist versucht, an eine prunkvolle Hochzeit zu denken.

      Die Zeitungen stürzen sich natürlich auf dieses pikante Thema, in der Arbeiterinnenzeitung wird sogar das Verzeichnis von Elsas Wertgegenständen veröffentlicht, darunter eine beeindruckende Fülle an kostbarstem Schmuck, es funkelt geradezu vor Brillanten. Und die Erben stehen auch gleich bereit und verlangen ungeduldig vom Gericht, den Nachlass endlich freizugeben. Letztlich stellt sich allerdings heraus, dass die Firma Schmidt auch in Elsas Wohnung Großartiges geleistet hat, sind doch die meisten Gemälde nur – wenn auch meisterhafte – Repliken und dadurch leider wesentlich weniger wert als Originale von Rubens oder Dürer. Sehr zum Missfallen der Erben, die sich einen noch viel größeren Profit erwartet hatten. Immerhin 212 000 Kronen können sie für sich beanspruchen, in dieser Zeit ein kleines Vermögen.

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      Die »Magnaten-Elsa«, meist in Weiß gekleidet. Abbildung in Das interessante Blatt, 22.1.1914

      Max Schmidt lässt neben seinem Besitz in Kiscell nahe Budapest ein Grabmal für Elsa errichten. Der bereits zu Wort gekommene Alexander Nadas schildert das weitere Leben des von Elsa »Fabrik-Bácsi«, also Onkel Fabrikant, genannten Max ebenso romanhaft: »Er machte aus ihr nach ihrem Tode einen Kult. Aus dem Fabrik-Bacsi wurde ein trauriger alter Mann; sein Leben war zerbrochen. Er kam und ging, er arbeitete, er sah aber jeden Tag trauriger aus dem Fenster des Zeller Schlosses auf das Grabmal. Er verheiratete sich auch einmal. Auf kurze Zeit. Die Ehe war unglücklich. Er heiratete eine feine Dame. Eine elegante, kultivierte Frau32. Sie gefiel Max nicht. Aber die kleine primitive Wilde beweinte er bis zu seinem Tode.«33

      Das Schloss in Kiscell beherbergt nicht nur eine museale Kapelle für Elsa, feierlich eingeweiht am ersten Jahrestag ihrer Ermordung34, sondern vor allem Max Schmidts enorme Altertumssammlung: Um Repliken perfekt herstellen zu können, erwirbt er die Originale und schafft auf diese Weise eine beeindruckende Kollektion kostbarster Stücke, die ihn weltweit als Kapazität bekannt machen. Die Schauspielerin Lina Loos erinnerte sich anlässlich von Max Schmidts Tod an ihn, der bei ihrer Hochzeit mit Adolf Loos als Trauzeuge fungiert hatte. Er war eine »große, helle Erscheinung, war liebenswert schrullenhaft«. Und wieder taucht etwas Romanhaftes auf: »Dickens hat in seinen Romanen solche ältere, gütige Herren mit sonderbarem Gebahren meisterhaft geschildert.«35 Bis heute kann Max Schmidts Vermächtnis in Kiscell bewundert werden.

      Ein größerer Gegensatz in künstlerischen Vorstellungen zwischen Max Schmidt und Adolf Loos ist kaum vorstellbar – hier der Vertreter historistischer Repliken, da der Verfechter einer schnörkellosen, »echten« Moderne. Und doch: Schmidt engagiert Loos für seine Firma und weist damit zugleich in die Zukunft: Ein gemeinsames Projekt ist das berühmte Café Gerbeaud in Budapest. Loos vertritt seine radikalen Ansichten, seine völlige Ablehnung aller Ornamente vor allem in der Architektur, der Außen- und Raumwirkung. Doch in Bezug auf Einrichtung und Möbel liegt ihm gediegene Behaglichkeit durchaus am Herzen – so erweist sich die Partnerschaft als ideal, um Alt und Neu miteinander zu verbinden. Auch andere Künstler der Moderne holt Max Schmidt an Bord: Dagobert Peche und Josef Hoffmann entwerfen Tapetenmuster, die F. O. Schmidt erzeugt und auch ausstellt, so bei einer Ausstellung des Werkbundes im Oktober 1916.

      Bei einer Ausstellung im k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie im März 1914 stellt die Firma F. O. Schmidt komplett eingerichtete Zimmer im Stil des Historismus der 1870er-Jahre aus, um die Besucher zu beeindrucken. Nach Ende der Ausstellung lässt Max Schmidt diese Zimmer in der Villa Daheim einbauen und bewahrt dadurch den Makart-Stil als Relikt vergangener überladener Zeiten. Nur wenige Monate später bricht der Erste Weltkrieg aus und fegt alles Übertriebene, rein Dekorative hinweg. Nach 1918 ändern sich die Zeiten auch im Hinblick auf Einrichtungsstile – dennoch kann sich das Konzept der Firma F. O. Schmidt halten, denn gerade in Zeiten der Unsicherheit greifen die Menschen auf Wohlvertrautes zurück. Auch wenn es schwieriger wird, ganze Schlösser, Botschaften oder großzügige Wohnungen auszustatten, bleibt die Klientel dem Unternehmen treu. Bei den Textilien wird der Einfluss der Moderne besonders spürbar: Max Schmidt umschifft diese Zeit gekonnt. Ein wenig geometrische Formen und reizende Figuren hier, zarte Pflanzen und kleine Blumenarrangements dort zeigen eine gewisse Zurückhaltung, ohne aber das Dekorative zu vernachlässigen.

      1935 stirbt Max Schmidt unter Hinterlassung eines enormen Vermögens – jedoch keiner Kinder. Seine Nichten und Neffen erhoffen sich einen Anteil, doch der Verstorbene überrascht selbst nach seinem Tod: »Seit Jahren hat eine letztwillige Verfügung nicht solches Aufsehen im In- und Ausland hervorgerufen, als das Testament des Möbelfabrikanten Max Schmidt«, berichtet das Salzburger Volksblatt am 8. Mai 1935. Doch worin liegt das Aufsehenerregende? Er bedenkt öffentliche Institutionen: Die Stadt Wien erhält wie eingangs erwähnt Schloss Pötzleinsdorf samt Park, mit der Auflage, es der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Der Stadt Budapest schenkt er den Besitz Kiscell mit dem Museum für die Magnaten-Elsa. Und dem Stift Schlägl vermacht er die Villa Daheim in Seewalchen mit sehr genauen, um nicht zu sagen belastenden Vorgaben: »Die museumartige große Villa soll als Museum gezeigt werden, und ordne ich hiemit ausdrücklich an, dass für immerwährende Zeiten, meine Familienmitglieder in der großen und kleinen Villa nicht wohnen dürfen.« Immerwährende Zeiten – was für eine Kränkung muss sich hinter einer solchen Verfügung verbergen? Es drängt sich der Gedanke auf, dass dies mit der Magnaten-Elsa zu tun haben könnte – denn die sehr gediegene, fast ist man versucht zu sagen spießbürgerliche, Familie Schmidt fand wohl keinen großen Gefallen an ihr. Traditionen bedeuten zwar auch Max Schmidt viel, dennoch bricht er mit seiner Familie: »Auf Wunsch meines seeligen Vaters ordne ich hiemit an, dass für immerwährende Zeiten nichts am Hause umgebaut oder umgeändert werden könne. Die Villa Seewalchen wurde mir von meinem seeligen Vater vererbt mit dem ausdrücklichen Befehle, das Haus als ›Pietätshaus‹ für mein ganzes Leben zu pflegen und zu erhalten und auch meinerseits nur in würdige Hände zu vererben.« Welcher Erbe freut sich über solch eine Bürde? Doch Schmidt geht in seinen Forderungen noch weiter: »Es wäre mir sehr erwünscht, wenn der Herr Prälat des Stiftes Schlegl für die Sommermonate in dieser Villa wohnen wollte, für welche Zeit das Haus für Besuche gesperrt bleibt.«36

      Es verwundert nicht, dass das Stift Schlägl eine mit solchen Auflagen verbundene Erbschaft nicht annimmt. Nach einem langen Verfahren geht die Villa letztlich in den Besitz von Max’ Neffen über.

       5 Eine Insel für die adorierte Primadonna. Eduard Springer

       Litzlberg, Insel

      Wer sich den Luxus erlaubt, auf einer einsamen Insel im Attersee ein schlossartiges Anwesen zu bauen, muss zumindest ein Baron sein. Das war jedenfalls bis jetzt die vorherrschende Meinung in der Literatur. Weit gefehlt: Man ist zwar versucht, beim Namen Springer an die bekannte und angesehene Bankiersfamilie gleichen Namens zu denken, doch Eduard Springer, Erbauer des Schlosses Litzlberg, hat mit den reichen Bankiers überhaupt nichts zu tun. In seinem Verlassenschaftsakt aus dem Jahr 1917 wird als Adresse Lilienbrunngasse 15 in der Wiener Leopoldstadt angegeben – für einen reichen Bankier wäre dies nicht standesgemäß.

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      Die Insel Litzlberg

      Doch wer ist Eduard Springer? Abteilungsvorstand der Ersten Österreichischen Sparkasse und Realitätenbesitzer, steht lakonisch in seinem Verlassenschaftsakt. Katholisch und ledig, erfährt man weiter. Und bei der weiteren Lektüre eröffnet sich Erstaunliches: In Wertpapieren hinterlässt er 280 000 Kronen, dazu mehrere Zinshäuser in Wien, meist in der Leopoldstadt, sowie einige Liegenschaften in Zell bei Nussdorf am Attersee. Nur zwei Monate vor seinem Tod hat er seinen Besitz in Litzlberg, der die Insel umfasst, an den Industriellen Erwin Böhler verkauft.

      Bei


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