Es war 1001 Mal. Margarete Wenzel
den weißen Wolf finden kann?“
Die alte Frau schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, wo er wohnt. Aber geh zum Wind. Der bläst überall hinein und kann ihn dabei leicht getroffen haben. Bleibe über Nacht bei mir. Ich will dir ein Lager richten. Und morgen früh zeige ich dir den Weg zu seiner Hütte. Nimm dir die Hühnerknochen aus der Suppe mit. Die können dir noch nützlich sein.“
Und so geschah es.
Am Abend sah die Prinzessin ein flackerndes Licht zwischen den Bäumen, ging hin, fand eine Hütte und klopfte an. Der Wind war zuhause. Er kochte Hühnersuppe und lud sie zum Essen ein. Sie erzählte von ihren Abenteuern und endete mit der Frage: „Weißt du, wo der weiße Wolf wohnt?“
„Nein“, brauste der Wind, „vom weißen Wolf weiß ich nichts. Aber ich rate dir, frag die Sonne. Die ist den ganzen Tag unterwegs und schaut überall hinein. Übernachte bei mir und morgen will ich dir den Weg zu ihrer Hütte weisen. Und nimm dir die Hühnerknochen aus der Suppe mit. Du wirst sie alle brauchen.“
So geschah es.
Nach langer Wanderung sah die Prinzessin ein Licht durch den dämmrigen Wald funkeln und gelangte zur Hütte der Sonne. Sie klopfte an. Die Sonne war zu Hause, kochte eine Hühnersuppe und hieß sie willkommen. Sie aßen und die Prinzessin erzählte von ihrem Weg. „Weißt du, wo der weiße Wolf zu finden ist?“, fragte sie schließlich.
„Vom weißen Wolf weiß ich leider nichts“, bedauerte die Sonne. „Aber übernachte bei mir und geh morgen zum Mond. Den Weg zu seiner Hütte zeige ich dir und der Mond ist unterwegs, wenn sonst keiner unterwegs ist, und schaut, wenn sonst keiner schaut. Vielleicht weiß er etwas und kann dir helfen. Nimm dir diese guten Hühnerknochen mit.“
Am nächsten Tag ging sie lange in die angegebene Richtung, wurde sehr müde und auch mutlos, gelangte aber endlich zur Hütte des Mondes. Der Mond war zu Hause. Und was kochte er? Hühnersuppe natürlich. Nach dem Essen lehnte die Prinzessin sich zurück, wagte kaum zu fragen, konnte doch nicht anders. Sie erzählte ihre Geschichte, wie wir sie nun auch gehört haben, stellte ihre Frage und wartete zitternd auf die Antwort.
„Leider“, antwortete der Mond, „habe ich keine Ahnung, wo der weiße Wolf wohnt. Aber gib nicht auf. Lass uns über die Sache schlafen. Morgen kann die Welt ganz anders aussehen.“
Und wirklich begrüßte er sie am nächsten Morgen mit einer Idee: „Ich weiß, wo du fragen kannst. Im Glasberg feiert der Prinz des Waldes Hochzeit. Da ist allerlei Volk geladen, und dort kannst du fragen. Irgendwer von ihnen wird es schon wissen.“
„Der Glasberg! Das ist es!“, rief die Prinzessin und sprang auf. „Davon hat der weiße Wolf gesprochen!“ Schon wollte sie davonrennen, da rief der Mond ihr nach: „Nimm die Hühnerknochen aus der Suppe mit. Du wirst sie brauchen.“ In aller Eile griff sie nach den Knochen, dankte hastig und lief in die Richtung, die der Mond gezeigt hatte, davon.
Sie gelangte zum Glasberg. Aber der war steil und glatt wie Eis. Das Glas hatte scharfe Kanten und Spitzen. Beim Versuch hinaufzuklettern rutschte sie aus, fiel hin, glitt wieder hinab und blutete aus vielen Schnitten.
Da fielen ihr die Hühnerknochen ein. Sie legte sie auf das Glas und sie rutschten nicht. Nun konnte sie über die Knochen Schritt für Schritt aufwärts gehen. Beschwerlich war es, aber sie erreichte beinah den Gipfel des Glasbergs und hörte bereits Musik aus dem Berg hervordringen. Doch da waren die Hühnerknochen aufgebraucht.
„Hätte ich nur beim Mond alle Knochen mitgenommen“, dachte sie nun. Aber wie es oft ist, nachher weiß man es besser als zuvor und es hat keinen Sinn, über vergossene Milch zu weinen. Und weil die Prinzessin nichts dringender wollte, als in den Glasberg hineinzukommen, schnitt sie sich einen kleinen Finger ab, legte diesen auf den Berg und gelangte glücklich auf den Gipfel. Von dort führt eine Treppe in den Berg hinein, wo in einem großen kristallenen Saal ein herrliches Fest im Gange war.
Die Prinzessin erkannte auf den ersten Blick das schwarze Männlein, wenngleich es seine Erscheinung sehr verändert hatte. Vornehm stand es in Gestalt eines strahlenden Prinzen an der Seite einer anderen Prinzessin. Als Braut und Bräutigam begrüßten sie die Gäste.
In ihrem zerrissenen und verschmutzten Kleid, verschwitzt und nach wildem Wolf riechend, fiel die Prinzessin in der festlich gekleideten Menge sofort auf. Die Feiernden rückten von ihr ab und rümpften die Nasen. Sie aber nützte den so entstehenden Raum, trat in die Mitte des Saales und erzählte, wie sie es auf ihrem Weg schon so oft getan hatte, ihre Geschichte.
Ihre Stimme klang voll und schön. Sie füllte den Raum und umspielte die Zuhörenden.
So wurde auch der Prinz auf sie aufmerksam. Zuerst dachte er, da habe sich eine Bettlerin oder Gauklerin bei seinem Fest eingeschlichen. Aber dann hörte er, woher die Prinzessin kam, was sie alles hinter sich hatte, wie sie dem schwarzen Männlein versprochen worden und auf dem weißen Wolf geritten war, wie sie Wind, Sonne und Mond befragt hatte, wie sie eine Treppe aus Hühnerknochen bestiegen und ihren kleinen Finger hergegeben hatte, nur um zu ihm zu kommen. Und nachdem er all das vernommen hatte, da trat er auf sie zu und schaute sie staunend an. Im Glasberg, inmitten der festlichen Gesellschaft, tanzten die beiden miteinander.
Die andere Prinzessin fand ihr Glück in ihrer eigenen Geschichte. Aber der Prinz, der ein schwarzes Männlein gewesen war, und die Prinzessin, die auf dem wilden, weißen Wolf geritten war, diese zwei feierten Hochzeit und leben froh bis auf den heutigen Tag.
Mushkil Gusha
aus Persien
Es war einmal ein armer Brennholzsammler, der seine Familie recht und schlecht unter großen Mühen ernähren konnte. Eines Tages war er unterwegs, fand aber an allen seinen Klaubholzplätzen nur leergefegte Flächen. Er streifte immer weiter umher, betrat Gebiete, die er sonst als zu weit entfernt gemieden hatte, und gelangte schließlich auf eine weite, karge Ebene, auf der es dürre Dornensträucher gab.
„Das ist immerhin ein brauchbares Unterzündholz. Es ist wenigstens etwas und das Einzige, was ich derzeit finde“, dachte er sich und machte sich, ohne auf die Schrammen und Kratzer zu achten, ans Abbrechen und Sammeln der dünnen Zweige.
Als es dämmerte, packte er das Reisig auf seinen Rücken und wanderte nach Hause, wo er lange nach Einbruch der Dunkelheit müde ankam. Seine Frau hatte den Riegel schon vorgelegt und in der Hütte rührte sich nichts. Erschöpft sank der Brennholzsammler vor der Tür nieder und fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem er, von seinen Sorgen unsanft geweckt, vor Sonnenaufgang wieder auffuhr. Er rappelte sich auf, erblickte das dornige Holz, das er am Vortag gesammelt hatte, und beschloss: „Am besten gehe ich gleich wieder dorthin und besorge mehr.“
Bis zum Abend raffte er drei Bündel dornige Zweige zusammen und schleppte sie nach Hause. Aber weil der Weg so weit war, war es spät und die Tür verschlossen. Wieder schlief der Erschöpfte vor der Tür seiner Hütte, eilte frühmorgens los, kehrte spät zurück, saß da wie ein Häuflein Elend.
Da hörte er Pferdegetrappel näher kommen und hoffte auf einen Brennholzkäufer. Ein vornehm wirkender Mann kam daher geritten. Sie grüßten einander.
„Warum siehst du so bekümmert aus?“, fragte der Fremde freundlich. Da erzählte der Brennholzsammler eben das, was wir schon geschehen sahen.
„Mein Freund, ich will dir helfen“, sprach der Reiter. „Steig hinter mir aufs Pferd, sprich sieben Gebete und schließe deine Augen.“ Das tat der Brennholzsammler.
Zuerst waren ihm die Geräusche und Gerüche der Gegenden, durch die sie ritten, noch vertraut, aber dann erreichten neue, ihm unbekannte Reize Nase und Ohr. Der Fremde ließ das Pferd anhalten und sagte: „Jetzt sprich abermals sieben Gebete, öffne deine Augen und steig vom Pferd.“
Da stand der arme Mann auf dürrem Boden mit nichts als Steinen um ihn her. Der Reiter jedoch blickte aufmunternd auf ihn hinunter.
„Nimm!“, nickte er ihm zu und zeigte eine Geste, als höbe er Steine auf und steckte sie ein.