Fesseltrick. Klaus Stickelbroeck
Hier an den Enden kannst du sehen, wie das Seil sich in die Haut zieht. Soll wohl so sein. Ich gucke bei der Frau mal nach Narben und Tattoos«, sagte Alina.
Hartmann warf einen Blick auf Angie. Dann in den Topf. »Den kannst du ruhig ordentlich sauber schrubben. Nicht, dass ich Drachen und Häschen sehe, wenn ich mir demnächst Nudeln mache.«
»Ich kratz sogar die Restestücke vom letzten Jahr Weihnachten raus«, zischte Angie.
Hartmann nickte zur Couch, die in einem fleckenfreien Orange leuchtete. »Wie hast du die wieder so sauber bekommen?«
»Äh …«, setzte Angie an.
»Er gar nicht. Ich hab sie geschrubbt«, murmelte Alina, ohne vom Bildschirm aufzusehen. »Ich hab einen rumänischen Spezialreiniger. Kriegst du hier gar nicht zu kaufen. Ist was aus der Rüstungsindustrie. Löst die Flecken und killt in der Couch alles an Getier, was drin rumkriecht.«
»Ach?«
»Schwangere Frauen dürfen nach der Reinigung da drei Wochen nicht drauf sitzen«, erklärte Alina. »Und das Gesicht neben der Frau, das ist das vom Klienten?«
»Ja. Schwer vertraulich, das bleibt unter uns.«
»Klar«, sagte Alina.
»Sicher«, sagte Angie.
Und wie er es sagte, bereute Hartmann sofort, seinen Kumpel nicht in den Nebenraum zum Topfschrubben geschickt zu haben. Angie erkannte eine finanzielle Chance, wenn er sie sah.
»Tja, das Gesicht deines Klienten ist gut zu erkennen. Er ist jetzt nicht besonders glücklich getroffen, also, ich meine, echt nicht glücklich, aber zum Erpressen reicht es.«
Hartmann rieb sich die Augen. »Ich frage mich, warum ein Stick? Was ist an einem Computer-Stick besser als an einem Foto? Ich meine, du kannst zoomen, du hast die Hintergrunddetails, zum Beispiel wann genau das Foto gemacht worden ist. Wo ist der Sinn?«
»Vielleicht geht der Täter mit der Zeit. Ausgedrucktes Foto ist ziemlich old school«, mutmaßte Angie.
»Kann sein«, sagte Alina. »Aber da steckt auch schon eine erste Botschaft mit drin. Ein Stick ist sofort hochgeladen. Rein in den PC, ein paar Tasten gedrückt und zack, steht das Foto in Sekundenschnelle im Netz. Das ist auch eine Botschaft. Beeil dich, ich meine es ernst. Das macht die Erpressung noch überzeugender.«
Hartmann war sicher, dass genau das der Grund war. »Das ist es. Der Täter zeigt, dass er bereit und willens ist, seine Drohung sofort umzusetzen.«
»Krass«, schniefte Angie.
Hartmann klatschte in die Hände. »Ist spät geworden. Es macht Spaß, sich mit euch erotische Fesselfotos anzugucken, aber mir steckt noch der Halbmarathon in den Knochen. Ich muss ins Bett.«
»Ich verzieh mich auch«, murmelte Angie. »Bin noch verabredet.«
»Stört es dich, wenn ich noch ein bisschen bleibe und was recherchiere?«, fragte Alina. »Ich würde gerne noch nachgucken, ob ich was zur Örtlichkeit, zum hübschen Frauenkörper und zu den Fesseln finde. Ich zieh nachher die Wohnungstür zu.«
»Wenn es dich nicht stört, dass ich mich schon mal hinhaue.«
»Nö, passt. Mal so gefragt, weil wir jetzt ja quasi ein Team sind«, grinste Alina. »Hast du schon einen Plan, wie du den Fall angehen möchtest?«
»Ach so, ja.« Hartmann friemelte die von Busse gemachte Notiz aus seinem Hemd. »Natürlich habe ich einen Plan …«
»Klappen nur nie«, rief Angie beim Rausgehen.
»Mein Klient hat mir eine Liste mit zehn Personen gegeben, die an dieser Fesselsession teilgenommen haben«, fuhr Hartmann unbeirrt fort. »Ich nehme noch den Veranstalter des Events und das Fesselpärchen dazu. Einer aus diesem Kreis ist der Erpresser. Ich muss also ermitteln, wer der Veranstalter war, wer das Fesselteam ist und wer die zehn Teilnehmer waren. Als Zwischenschritt weiterbringen würde uns außerdem zu wissen, an welchem Ort diese Fesselsession stattgefunden hat.«
»Du hast … uns … gesagt«, freute sich Alina.
»Äh, ja.«
»Gut«, schürzte Alina ihre Lippen, nachdem sie die Notiz überflogen hatte. »Eine Teilnehmerliste ist ein guter Ansatz. Ich mach sie auf dem PC ein bisschen übersichtlicher. Die Liste halten wir auf dem aktuellen Stand. Bisher haben wir also deinen Klienten, einen Mann vom Baudezernat, einen befreundeten Fotografen und das Foto einer noch unbekannten, gefesselten Frau.«
Hartmann holte tief Luft. »Hör mal, was ganz anderes, äh, mit dem Drachen und dem Häschen, äh, und mir, war das eigentlich sehr unmännlich?«
Alina lachte. Hartmann bemerkte überrascht, dass sich in ihren Blick hinein etwas Warmes, Sanftes geschlichen hatte. Ihre Stimme klang weicher, als sie nun den Kopf zur Seite neigte und leise antwortete. »Wenn andere Männer sich die Wolken am Himmel anschauen, dann entdecken sie riesige Brüste, einen prallen Penis oder Sylt. Du erkennst ein kleines Häschen, das von einem bösen Drachen verfolgt wird und versuchst, dieses arme, hilflose Häschen zu retten. Das ist nicht unmännlich, Hartmann, das ist toll. Du bist anders als andere Männer.«
Hartmann schluckte ergriffen und war in diesem Moment sehr glücklich, den Auftrag angenommen zu haben.
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