Fesseltrick. Klaus Stickelbroeck

Fesseltrick - Klaus Stickelbroeck


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ignorierte den Hinweis, denn er wollte das neue, sicher bahnbrechende Filmprojekt von Huren-Heinz-Entertainment nicht zum Thema machen. Viel mehr beschäftigte ihn etwas anderes. »Ich kaue noch auf der niedrigen Forderung des Erpressers rum.«

      »Wieso? Zehn mal 25.000 sind 250.000 Euro. Da muss eine Nutte lange für ficken«, summte Huren-Heinz.

      »Stimmt, aber die einzelne Forderung für jeden ist sehr gering. Das ist nicht stimmig. Ich trau dem Braten nicht.«

      Busse nickte heftig. »Genau das ist mir auch gleich aufgestoßen. Ich will nicht ausschließen, dass die Erpressung eine riesige, fröhliche Verarsche ist.«

      »Prost erst mal«, forderte Huren-Heinz.

      Gläser klirrten. Verdammt schmeckte das lecker, stellte Hartmann fest und hatte genau das befürchtet. Bacardi-Cola hatte er früher flaschenweise getrunken. Schlimm war das gewesen, denn Hartmann vertrug keinen Alkohol. Einer ging, zwei waren einer zu viel und bei dreien setzte oben im Stübchen der Verstand aus. Vier Getränke, und den Verlauf des Abends konnte man am nächsten Tag in der Zeitung nachlesen.

      »Es gibt noch ein kleines, logistisches Problem«, sagte Busse. »Ich fliege am kommenden Samstag, also in drei Tagen, am späten Abend für mehrere Tage nach Barcelona. Ein wichtiges Treffen. Fußball, Funktionäre, Watzke, Rummenigge, ich muss da hin. Ich kann das nicht delegieren. Ich stehe für Nachfragen dann nur noch telefonisch zur Verfügung.«

      Och, dachte Hartmann. »Das sollte wirklich machbar sein. Ich, ich habe auch noch ein kleines Problem, aber ich bin sicher, das bekommen wir aus der Welt geschafft.«

      Huren-Heinz und Lutz Busse schauten Hartmann erwartungsvoll an.

      »Als Honorar habe ich mir nämlich Folgendes vorgestellt«, sagte Hartmann und nippte am Bacardi-Cola.

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      Heidi Grütesaaper ist tot.

      Die furchtbare Erkenntnis traf Hartmanns Magen wie ein Faustschlag, es raubte ihm die Luft. Er war auf dem direkten Weg nach Hause, hatte die Haustür geöffnet, die Briefkästen zur Linken passiert und im Treppenhaus die erste Stufe genommen.

      Seine Nachbarin Heidi hatte das üble Trinkgelage mit Angie und seinen Kollegen nicht überlebt.

      Anders war der entsetzliche Geruch im Treppenhaus nicht zu erklären. In der ersten Etage überlagerte der ätzende Gestank sogar den fiesen Katzenpipiduft, der gewöhnlich aus Mortens und Sannes Wohnung unter der Tür durch ins Treppenhaus waberte. Vorm Massagestudio von Nicole und Petra in der zweiten Etage verbat der Mief jeden Gedanken an Erotik, Wellness und körperliche Entspannung.

      In der dritten Etage wohnte er selbst.

      »Verdammt.«

      Hier war der beißende Geruch mit den Händen greifbar. Um Himmels willen, der unmenschliche Gestank kam aus seiner Wohnung. Allerdings: Gott sei Dank, Heidi lebte!

      Eilig öffnete Hartmann die Wohnungstür, stürzte durch den Flur und traf im Wohnzimmerbüro auf Alina, die gerade dabei war, die Fenster aufzureißen.

      »Was ist denn hier los?«

      Alina hätte geantwortet, war aber damit beschäftigt, ihren Oberkörper so weit wie möglich aus dem Fenster zu recken und japsend den Würgereiz zu unterdrücken.

      Stattdessen schwankte Angie aus dem Bad ins Zimmer. Er hielt Hartmanns großen Suppentopf in den Händen und war blass wie der eiskalte Wintermorgen. »Hi, Hartmann!«

      »Was ist denn hier passiert?«

      »Ich hab was … angesetzt. Dann hat es einen Knall getan und gestunken. Alles gut, ich hab es ins Klo geschüttet.«

      Alina drehte sich ins Zimmer herein und flüsterte. »Du wirst uns alle umbringen.«

      »Du übertreibst!«, wehrte sich Angie.

      Hartmann trat ans Fenster und warf einen schnellen Blick nach unten auf den Bahnhofsvorplatz. »Da unten bei den Gullideckeln kippen reihenweise die Menschen tot um.«

      »Echt?«, fragte Angie.

      »Natürlich nicht«, verdrehte Hartmann die Augen.

      Der bestialische Geruch verflüchtigte sich allerdings erfreulich schnell. Schön. Aber wie hieß noch gleich das tödliche Gift, bei dem das auch der Fall war?

      Alinas Gesicht hatte wieder ein wenig Farbe angenommen.

      Hartmann winkte sie an den Schreibtisch und zog den Computer-Stick aus der Hosentasche. »Ich habe einen Fall, du musst was für mich checken.«

      »Muss ich?«

      Hartmann warf ihr einen Kuss zu. »Hier ist ein Stick. Mit dem Foto auf dem Stick wird jemand erpresst.«

      »Ach?«, fragten Alina und Angie gleichzeitig.

      »Sag mir zum Stick alles, was du weißt.«

      Alina setzte sich neben Hartmann an den Schreibtisch und war sofort in ihrem Element. Von ganz alleine schob sich ihre Zungenspitze zwischen die Lippen, was ganz schön sexy aussah.

      »Okay. Ganz normaler Stick. Sechzehn Gigabyte, herkömmliches Modell, gängige Marke, kriegst du in jedem Fachgeschäft.«

      »Bringt uns nicht weiter.«

      »Das Foto ist am 20.08. um 01:10 Uhr gemacht worden.«

      Alina zoomte das Foto größer. »Eine Frau, ein Mann. Der Mann trägt nichts, die Frau immerhin Fesseln. Drahtige Frau, blass, schwarze Haare. Ziemlich mager, aber kräftig.«

      »Trockenbauerin«, mutmaßte Angie von der Seite, der immer noch den Topf in den Fingern hielt.

      »Sind weitere Personen zu sehen?«

      Alina scrollte das Foto größer. »Nein, nur die beiden. Warte, ich suche das Foto auf Spiegelungen ab. Manchmal kann man da was erkennen.«

      Jow, dachte Hartmann, der mal eine fotografierte Flasche Astra zugewhatsapped bekommen hatte, in der sich die Fotografin in weißem Spitzen-BH gespiegelt hatte. Ein Glücksfall. Der hier allerdings ausblieb.

      »Fehlanzeige. Keine Spiegelungen.«

      »Kannst du zum Hintergrund was sagen?«

      Alina scrollte und zoomte sich durchs Foto, schüttelte dann aber den Kopf. »Die Aufnahme ist aus nächster Nähe gemacht worden, da ist nichts an Hintergrund zu erkennen.«

      »Aus nächster Nähe? Dann müssen die Fotografierten das Fotografieren doch mitbekommen haben.«

      »Sieht aber nicht so aus. Eine versteckte Kamera nehme ich an.«

      Hartmann kombinierte laut. »Versteckte Kamera würde bedeuten, dass das Fotografieren geplant war. Möglicherweise die folgende Erpressung auch. Der Täter wusste, was ihm vor die Linse kam.«

      »Jow«, stimmte ihm Angie zu.

      »Nichts mit Teleobjektiv oder so?«, fragte Hartmann sicherheitshalber.

      »Die Auflösung ist für ein Handy üblich, sieht nicht so aus, als ob mit einer Kamera gearbeitet worden ist. Auch die Qualität des Fotos ist eher entsprechend. Da wurde nichts nachbearbeitet. Schnappschuss, würde ich sagen.«

      Hartmann musterte noch mal das Foto. Es zeigte die Vorderseite einer schlanken Frau, das Gesicht war nicht vollständig zu erkennen, nur die Kinn- und Mundpartie. Helle, fast weiße Haut, lange, schwarze Haare. Die Arme der Frau waren in Brusthöhe gefesselt, fast sorgsam übereinandergelegt, die dick geflochtenen Seile in einem auffällig hell leuchtenden Rotton.

      »Was zum Strick?«

      »Die Farbe ist karminrot.«

      »Karminrot?«, fragte Hartmann. »Hab ich noch nie gehört.«

      »Da bin ich mir sicher«, erklärte Alina. »Ich hatte mal einen sündhaft teuren Lippenstift von Chanel in der gleichen Farbe.


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