Fesseltrick. Klaus Stickelbroeck

Fesseltrick - Klaus Stickelbroeck


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      Das war anders, ganz anders, als sie es geplant hatte. Das lief hier im Keller völlig falsch, das war gefährlich.

      »Hallo?«, rief die Person, die zu ihnen herunterstieg von der Treppe in den unbeleuchteten Keller hinein. Eine Frau. »Ist da unten jemand?«

      Sie spürte, dass sich der Druck auf ihrem Mund noch mal erhöhte. Keinen Laut, hieß der stumme, in ihre Lippen gedrückte Befehl, kein Mucks!

      Und sie? Wie sollte sie reagieren? Auf sich aufmerksam machen? Brauchte sie Hilfe? Sie spürte den muskulösen Körper in ihrem Rücken, die Hand um ihre Hüfte geschraubt. Dieser Griff, diese Nähe. Oh, wie hatte sie sich genau in diese Situation hineingefleht!

      Aber jetzt? Es war nicht … er. Nicht der Mann, den sie anzutreffen angenommen, ersehnt hatte. Nicht der Mann, mit dem sie vor wenigen Stunden heiß und frivol gechattet hatte.

      »Verdammt, schließ die Kellertür ab, du Idiot«, nahm ihr im gleichen Moment die Frau auf der Treppe die Entscheidung ab, denn schnaufend stieg die offenbar ältere Frau die Stufen der Holztreppe in diesem Moment wieder zurück nach oben.

      Die Chance, einen Laut von sich zu geben, verstrich, als sie hörte, dass die Frau oben angekommen war und ächzend die Kellertür von außen hinter sich schloss.

      Zeit, hier mal was klarzustellen. »Hey, ich …«

      Rüde wurde sie mit hartem Griff gedreht, gepackt, rückwärts geschoben und mit ihrem Rücken gegen die kalte Kellerwand gepresst. Mit fließender Bewegung wurde ihr gleichzeitig die Sommerjacke vom Körper gezogen. Sie schnappte nach Luft, Steinchen bohrten sich kantig durch den dünnen Dessous-Stoff in ihren Rücken.

      Ihre Nasenspitzen berührten sich fast, die Augen waren eiskalte Schlitze. Ein Zischen, wütend als Drohung durch die Lippen gepresst. »Kein Wort!«

      Sie öffnete den Mund, aber die Hand presste die Worte zurück in die Kehle, raubte Bestätigung, Protest und Sauerstoff. Sie wollte husten, aber selbst das war nicht möglich, nicht mal ein Krächzen.

      Ganz nah heran kam der rot geschminkte Mund. »Ich weiß, dass du jemand anderen erwartet hast, aber glaub mir, ich werde es dir genauso gut besorgen.«

      Als Antwort blieb ihr nur ein hilfloses, ergebenes Nicken.

      Es blitzte zufrieden in den engen Sehschlitzen ihres Gegenübers. »Guck mich an! Sieh mir in die Augen!«

      Die Hand verschwand von ihren Lippen. Stattdessen wurden ihre Arme mit kräftigem Zug vor ihrem Körper übereinandergelegt. Sie ahnte, was jetzt kam. Und ja, hatte sie nicht genau das erwartet?

      Sie nutzte die Gelegenheit, sich umzuschauen. Es durchfuhr sie wie ein Messerstich. Es war alles angerichtet. Direkt über ihnen entdeckte sie im schal einfallenden Licht den runden Haken, der in einem der massiven, alten Holzbalken eingeschlagen war. Links von ihr stand ein Tisch. Auf dem Tisch lagen grelle, leuchtend rote Seile. Sie entdeckte einen schwarzen Stoffstreifen und einen Beutel, der unförmig ausgebeult unter einem Paar Handschellen lag.

      Ein kräftiger Ruck ließ sie laut aufstöhnen.

      »Guck mich an, reiß dich zusammen, du Schlampe!«

      Ein Griff zum Tisch. Sekundenbruchteile später wurde eines der dicken Hanfseile um ihr Handgelenk geworfen.

      Sie hielt inne, hielt still. Sie konzentrierte sich, tat, was von ihr gefordert wurde. Sie musste jetzt, jetzt, jetzt kühl bleiben.

      Das Paar Hände, das vor ihrem Bauch arbeitete, wusste ganz genau, was zu tun war. Jede der Handbewegungen saß. Das Seil schnitt gemein in die Haut, fixierte ihre Hände, die Arme. Sie spannte sich an, erspürte jede Schleife, jede schwungvolle Drehung des Seils, erahnte, wie sich ein Knoten fest um ihr Gelenk formte. Sie ließ es geschehen, konzentrierte sich auf ihre Atmung. Jeder Zug, jeder Atemzug war jetzt wichtig.

      Wieder ein Griff zur Seite, in den Beutel hinein. Ein zweites Seil, etwas länger diesmal. Sie fühlte, wie das Seil mit fließender Bewegung mehrmals um ihren Körper herumgezogen wurde. Schließlich wurde das zweite Seil durch eine Knotenschlaufe der ersten Fessel gesteckt und das Seil dann nach oben durch die Öse im Balken geführt. Ein kräftiger Schlag am Strick ruckte ihre Arme in die Höhe, drehte ihren Körper und raubte ihr jeden Gedanken an Widerspruch. Es riss ihr die Arme aus den Schultergelenken, schmerzhaft schrie sie auf. Sie schloss die Augen, blutrote Punkte tanzten.

      »Locker bleiben, Schatz«, brummte die Stimme, tiefer und kälter als zuvor.

      Ihr gelang es tatsächlich, die Muskeln in den Armen zu entspannen. Das machte nur wenige Millimeter aus, tat aber gut. Sie blickte an sich herunter, das Kruzifix baumelte. Sie öffnete den Mund.

      »Schweig! Kein Wort!«

      Der zweite Strick wurde auf Spannung gebracht und sorgte dafür, dass sich ihr Körper stramm in die Aufrechte streckte. Sie stand auf Zehenspitzen, lediglich ihre Hüfte ließ sich bewegen. Sie sah einen weiteren Griff zum Tisch, in den Beutel. Rot …

      »Kein Knebel! Nein!«, stieß sie hervor.

      Ein, wie sie wusste, letztes Nein. Denn im gleichen Moment wurde ihr der rote Knebelball grob in den Mund gedrückt, ein schwarzes Gummiband brachte das Instrument auf Spannung. Ihre nächsten Worte waren kaum mehr als ein sinnloses Murren.

      Kein Knebel. Kein. Knebel!

      Diesmal spürte sie die Nasenspitze an der ihren, fühlte sie eine heiße Wange, den heißen Atem auf ihrer Haut. »Keinen Knebel, hattest du gesagt. Ich weiß. Das war für das heutige Treffen deine einzige Bedingung, ich erinnere mich. Dumm gelaufen, Honey, dumm gelaufen. Es läuft ja überhaupt ein wenig anders ab, als du es geplant hast, oder?«

      Sie wand sich zur Seite, weg. Der Schlag mit der flachen Hand in ihr Gesicht kam ansatzlos. Das Klatschen hallte durch den Keller, ihre Wange brannte.

      Wieder der Griff an ihre Kehle. »Erkennst du mich?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Du lügst, du Schlampe. Sicher erkennst du mich. Und ich, was viel wichtiger ist, habe dich auch erkannt!«

      Der Druck verstärkte sich, drückte auf die beiden Punkte, die ihr den Sauerstoff rauben würden. Sie blinzelte, ihr Bewusstsein trübte sich ein, ihr Blick wurde an den Rändern verschwommen, hilflos taumelte das Kruzifix.

      Die Frau mit den langen, schwarzen Haaren lachte. »Ich habe dich sogar sofort erkannt, du Miststück!«

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      Hartmann nippte vorsichtig am Heimathafen-Kaffeebecher. Es war sein dritter. »Boah, hab ich einen Schädel. Hammer! Als ob jemand stundenlang draufgekloppt hätte.«

      Alina saß am Schreibtisch. Der Bildschirm strahlte sie an. »Angies neue Cola-Mischung ist noch nicht ganz ausgereift.«

      Hartmann verdrehte die Augen. »Hör bloß auf. Ähm, ich weiß, du hast es mir vorhin schon mal gesagt, aber wo ist der Sack jetzt noch mal hin?«

      Die Computerexpertin tippte sich an den Kopf. »Das Zeug hat dir die Festplatte eingedickt und das Kurzzeitgedächtnis verklebt. Dein Kumpel Angie zog es vor, heute auswärts zu nächtigen.«

      »Er hat Angst vor mir«, knurrte Hartmann.

      »Das trifft es in etwa«, grinste Alina.

      Der Computer ratterte ein weiteres Programm an die richtige Stelle, Alina nickte zufrieden.

      »Wenn ich den Burschen in die Finger bekomme«, knurrte Hartmann und spielte in Gedanken einige Folterszenarien durch, von denen ihm die eine besser gefiel als die andere.

      Dabei drehte er den Kopf vorsichtig von links nach rechts, denn sein Nacken schmerzte wie drei Wochen Krankenhausbett. Alina schob den Bürostuhl zurück, stand auf, glättete ihre Jeans und zupfte die schwarze Sommerbluse glatt. Dann trat sie hinter Hartmann und legte sacht ihre Hände auf dessen Schultern. Behutsam gruben sich ihre Finger ins Fleisch.


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