Wir sind die Flut. Annette Mierswa
leuchtete im warmen Abendlicht. Poppy rollte sich in ihrem Körbchen zusammen, das neben meinem Bett stand. Es war mein kleines Reich. Ich hatte sogar ein eigenes Bad hier oben. Der Blick aus dem Fenster reichte bis zu Krusos Hügel hinüber. Gerade ging die Sonne unter und setzte den Bäumen leuchtende Kronen auf. Meine Welt, dachte ich, meine schöne Welt. Ich beugte mich über Poppy und streichelte sie.
»Ava?« Mama klopfte an die Tür.
»Hm.«
Sie kam herein und ging mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, wie man auf ein lauerndes Tier zuging, das man fangen wollte. »Wir lieben dich doch.« Okay, Mamas Methode. Ich wich einen Schritt zurück. »Du weißt ja, wie Papa ist. Er macht sich einfach Sorgen um dich. Wir verstehen, dass du Angst hast, aber es bringt nichts, sich da so reinzusteigern. Es kann doch auch noch alles gut werden.«
Ich stöhnte auf. »Genau, Mama. Und dann sitze ich da, ohne Schulabschluss, verlaust und dreckig, ohne Perspektive, dumm wie Stroh und düster wie die Nacht. Stimmt’s? Und dann geht es euch Armen schlecht. Dann müsst ihr euch für eure Tochter schämen, die ihr Leben weggeworfen hat, weil sie einem falschen Propheten glaubte. Dagegen ist der Untergang des Planeten natürlich ein Scheißdreck. Tut mir wirklich leid, dass ich euch so enttäuschen muss. ABER …« Ich zog die Referatskarten aus einer Mappe, die auf meinem Nachttisch lag, und wedelte damit vor ihren Augen herum. »Aber wenn niemand anfängt, etwas zu ändern, dann geht eh alles den Bach runter. Wenn ich nichts tue, dann werde ich morgens in den Spiegel schauen und eine Verzweifelte sehen, die sich nicht nur machtlos, sondern auch schuldig fühlt. Wenn ich jetzt aber anfange, etwas zu tun, dann kann ich mir in die Augen sehen und wissen, dass ich alles versucht habe, was auch immer dabei herausgekommen ist. Und wenn ich so enden sollte wie in deinen schrecklichsten Visionen, wird doch ein wärmendes Licht in mir leuchten, weil ich frei sein werde.«
Ich war selbst so ergriffen von meiner Rede, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Auch Mama war völlig aufgelöst und weinte. Wir umarmten uns lange, und ohne dass Mama noch etwas sagen musste, wusste ich, dass sie mich nicht mehr stoppen, sondern zu mir halten würde. Und ich musste mir eingestehen, dass mir das viel wichtiger war, als ich gedacht hatte. Die Hütte war zwar noch immer eine Hütte und kein Palast, denn Frieden war das in meinem Herzen noch lange nicht. Aber es war immerhin ein Anfang.
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