Sprache als psychotherapeutische Intervention. Steven C. Hayes
für Farbbezeichnungen (z. B. ()() = gelb, ^^ = rot) erlernen. Die Probanden sollten anschließend farbige Knöpfe in der richtigen Reihenfolge betätigen, nachdem sie bestimmte Hinweisreize wie »()() – ## – ^^« (d. h. gelb – nach – rot) erhalten hatten.
Netzwerke dieser Art ermöglichen, dass Regeln die Konsequenzen eines bestimmten Verhaltens festlegen, ohne dass die Person mit den tatsächlichen Auswirkungen in Kontakt tritt. Eine Regel wie: »Wenn Sie angespannt sind, atmen Sie langsam und Sie werden sich besser fühlen.«, beinhaltet beispielsweise ursächliche Beziehungen (wenn – dann) und auch Äquivalenzbeziehungen zwischen »sich besser fühlen« und Wahrnehmungen, die man mit einem entspannten Zustand in Verbindung bringt, usw. Diese Beziehungen sind vergleichbar mit künstlich hergestellten Beziehungen wie »()() – ## – ^^«.
Wenn Menschen mit Hilfe von Regeln lernen (wie im vorherigen Bespiel mit einem Reiseführer), lernen sie zwar schneller, zahlen dafür aber einen Preis. Regelgeleitetes Lernen wird der Situation häufig nicht so gerecht, wie Verhalten, das durch direkte Erfahrung und Rückmeldung geprägt ist. Der Schlüssel für die Steuerung des Verhaltens ist dann ein symbolisches Netzwerk, das auf einer gemeinsamen Sprache basiert. Regeln erzeugen Verhalten, das keine Sensitivität gegenüber Veränderungen hat, die von der Regel nicht antizipiert werden. Dies ist ein Grund, warum Menschen sehr lange in regelgeleitetem Verhalten verharren, das in der aktuellen Lebenssituation überhaupt nicht mehr hilfreich ist.
Experimentelle Forschung im Bereich von regelgeleitetem Verhalten bestätigte immer wieder diesen Effekt (siehe Hayes, 1989 für eine umfangreiche Zusammenfassung). In einer Studie hatten die Probanden die Aufgabe, einen roten oder einen blauen Knopf zu drücken, die abwechselnd aktiviert wurden, um Punkte mit einem bestimmten Geldwert zu sammeln (Hayes, Brownstein, Zettle, Rosenfarb & Korn, 1986). Wenn der rote Knopf aktiv war, erhielten die Probanden einen Punkt, wenn sie den Knopf durchschnittlich zehnmal gedrückt hatten. Beim blauen Knopf erhielten sie einen Punkt, nachdem sie einmal für etwa 10 Sekunden gedrückt hatten. Die Probanden waren in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt die Information: Die beste Strategie ist, den roten Knopf schnell und den blauen Knopf langsam zu drücken. Die andere Gruppe musste eigenständig lernen. Wie Sie sich vorstellen können, entwickelten die Probanden, die den Tipp erhalten hatten, sehr viel schneller ein Verhaltensmuster, das Ihnen viele Punkte einbrachte, als die Probanden, die sich die beste Vorgehensweise selbst erarbeiten mussten.
Nachdem beide Gruppen das Verhaltensmuster verinnerlicht hatten, wurden heimlich die Bedingungen verändert. Jetzt wurde ein Punkt vergeben, nachdem der blaue Knopf im Durchschnitt 10 Mal gedrückt worden war. Der rote Knopf musste nur einmal und für etwa 10 Sekunden gedrückt werden, um einen Punkt zu erhalten. Die Probanden wurden über diese Veränderung nicht informiert. Sie konnten allerdings fortlaufend die Entwicklung ihres Punktestandes beobachten. Die Probanden, die in der ersten Phase ihr Verhaltensmuster durch direkte Erfahrung entwickelt hatten, passten sich an die neuen Umstände viel schneller an als jene, die in der ersten Phase zutreffende Instruktionen erhalten hatten. Die Regel half ihnen, schneller zu lernen, machte sie aber gleichzeitig weniger sensibel für Veränderungen in ihrer Umwelt. Die Möglichkeit einer Veränderung war in der ursprünglichen Information nicht vorgesehen.
In gewisser Weise ist das Problem sogar erwünscht. Unempfindlichkeit gegenüber Veränderung bietet einen Vorteil. Wenn wir laut rufen: »Lauf nicht auf die Straße!«, wollen wir nicht, dass Kinder die Relevanz dieser Anweisung erst durch Versuch und Irrtum testen. Ein einziges vorbeifahrendes Auto könnte ein Test zu viel sein. Aber Sprache und Kognition neigen dazu, sich auf Gebiete auszuweiten, in denen sie nutzlos oder sogar schädlich werden, wenn sie den Kontakt mit direkter Erfahrung verhindern. Dieses Phänomen ist nicht auf Anweisungen von außen beschränkt. Manchmal verursacht auch das Aufstellen eigener Regeln ausreichend psychologisches Unheil in Bereichen wie Einfühlungsvermögen, Kreativität, Spiel, Sex und Beziehungen. Wir können einerseits Probleme lösen, indem wir Vernunft und Problemlösestrategien anwenden. Gleichzeitig erschaffen wir durch die Dominanz von Sprache und Kognition neue Probleme.
Ein besseres Verständnis des dominanten Einflusses der Sprache kann zur Lösung dieses Problems durch die Steuerung des Kontexterlebens beitragen. Menschen können dann »die Sprache an die Leine« nehmen, dafür sorgen, dass sie hilfreich und flexibel ist, sie aber gleichzeitig begrenzen, wenn sie das nicht ist.
2.3.2 Verschiedene Arten von regelgeleitetem Verhalten können zu Inflexibilität führen
Bisher lag das Hauptaugenmerk auf Prozessen, die bedeutsam bei der Entwicklung von Regeln sind. Genauso wichtig sind jedoch die Prozesse, die zum Einhalten von Regeln führen. Wir werden uns in diesem Teil zunächst mit zwei dieser Prozesse befassen.
Betrachten Sie folgendes Beispiel: Eine Mutter sagt zu ihrem Kind: »Zieh deinen Mantel an – es ist kalt draußen.« Das Kind zieht den Mantel aber nur an, um Ärger mit der Mutter aus dem Weg zu gehen. In diesem Fall wird die Übereinstimmung zwischen dem in der Regel beschriebenen und dem tatsächlichen Verhalten von anderen beobachtet und belohnt. Dies nennt man Pliance (es handelt sich hier um einen Terminus technicus, der in ACT bewusst gewählt wurde, und an den Begriff »Compliance« (Regelkonformität) angelehnt ist). Pliance ist der Ausgangspunkt für regelgeleitetes Verhalten. Sie ist entscheidend für die moralische und soziale Entwicklung von Kindern. Beim Entdecken einer neuen und gefährlichen Welt ist die Übernahme von Erfahrungen der Eltern ein enormer Vorteil. Das Überleben hängt vom Funktionieren des regelgeleiteten Verhaltens ohne viel Ausprobieren und Erklären ab. Beispielsweise haben Eltern meist nicht genug Zeit ihren Kindern zu erklären, warum sie sich von zerbrochenem Glas fernhalten, nicht auf die Straße laufen oder vorsichtig gehen sollten, wenn der Fußboden feucht ist.
Ein großer Teil des regelgeleiteten Verhaltens, das zwischenmenschliche Interaktionen steuert, war wahrscheinlich ursprünglich Pliance. Kinder, die lernen »bitte« oder »danke« zu sagen, haben vermutlich keine Ahnung, warum sie das tun sollen. Der einzige Grund ist, dass die Eltern darauf bestehen. Möglicherweise halten die Eltern Dinge zurück, bis Kinder die »Zauberworte« benutzen. Später stellen Menschen fest, dass dieses Verhalten weitere Vorteile mit sich bringt, beispielweise soziale Beziehungen fördert. Ursprünglich gründet das Verhalten darauf, dass auf regelgeleitetes Verhalten positive soziale Konsequenzen folgen. Menschen lernen ganz einfach Regeln einzuhalten. Das systematische Nichtbefolgen einer Regel entspricht ebenfalls einer Form der Pliance, nämlich »Counterpliance«. Sie wird ebenfalls durch soziale Konsequenzen auf die Regelbefolgung bestimmt. Dabei ist die Beziehung zwischen Handlung – Regel umgekehrt (z. B. »Ich werde diese Regel nicht befolgen, weil Menschen in meiner Kultur nicht gerne Regeln einhalten.«). Anders ausgedrückt brauchen sowohl Regelkonformität als auch Rebellion eine Dominanz von sozialen Verstärkern für regelgeleitetes Verhalten.
Menschen halten aber auch Regeln ein, weil sie mit den Konsequenzen des in der Regel spezifizierten Verhaltens in Kontakt kommen. Ein Beispiel ist ein Junge, dem seine Mutter sagt: »Zieh deinen Mantel an – es ist kalt draußen«. Er macht anschließend die Erfahrung, dass dieses Verhalten tatsächlich vor unangenehmen Temperaturen schützt. Die Befolgung einer Regel aufgrund der Erfahrung von Verstärkung im Kontakt mit Konsequenzen, die durch eine Regel bestimmt wurden, nennt man Tracking7 . Es handelt sich ebenfalls um einen ACT Terminus technicus. Es handelt sich um einen metaphorischen Ausdruck, der beschreibt, dass man mit einer Regel einem symbolischen Pfad (Track) folgt, ähnlich wie man es mithilfe einer Landkarte tut. Die Konsequenzen sind beim Tracking auch vorhanden, wenn sie nicht in einer Regel gefasst waren. Das Tragen eines Mantels, wenn es kalt ist, verhindert das Frieren, egal ob dieser Hinweis gegeben wurde oder die Mutter weiß, dass er befolgt wurde. Bei Pliance ist das anders – hier gibt es die Belohnung nur, »wenn man tut, was gesagt wurde«. Hierzu ist erforderlich, dass jemand weiß, was gesagt wurde, und wie man sich verhalten hat. Beachten Sie, dass der Unterschied zwischen Tracking und Pliance nicht einfach auf der sozialen Verstärkung beruht. Wenn eine Therapeutin ihrer Patientin erklärt, wie sie sich erfolgreich mit einem Mann oder einer Frau verabredet, und die Regeln sind hilfreich, dann folgt sie diesen Regeln und macht günstige zwischenmenschliche Erfahrungen. Die Menschen, mit denen sie sich getroffen hat, werden sich aber nicht deshalb