Sprache als psychotherapeutische Intervention. Steven C. Hayes
Arbeit erfolgreicher zu machen. Diesem Thema widmen wir im Folgenden unsere Aufmerksamkeit.
1.7 Zusammenfassung des Kapitels
Dieses Kapitel stellt die Grundprinzipien dar, die Sprache mit ihren Möglichkeiten zum Aufbau symbolischer Beziehungen zwischen Objekten und Ereignissen zu einer einzigartigen Form des Lernens machen. Hier sind die wichtigen Kernaussagen, die für die Lektüre des folgenden, eher praxisorientierten Teils dieses Buches hilfreich sind:
• Der Begriff »Sprache« bezeichnet ein erlerntes Verhalten, das es ermöglicht, symbolische Bezugnahmen zu etablieren und darauf zu reagieren. Dieses Verhalten ist deswegen außergewöhnlich, weil es die Art und Weise, wie Menschen ihre Welt erleben, verändert, Objekte und Ereignisse mit Bedeutung versieht und damit ihren Einfluss auf Gedanken, Gefühle und Handlung verändert.
• Beziehungen herzustellen bedeutet, auf eine Sache in Abhängigkeit von einer anderen Sache zu reagieren. Einige Tierarten sind in der Lage, spezifische Beziehungen herzustellen oder auch zu lernen, wie sie Dinge anhand intrinsischer Merkmale zueinander in Beziehung setzen können. Aber nur der Mensch kann symbolische Beziehungen herstellen. Die Fähigkeit, Dinge symbolisch miteinander in Beziehung zu setzen, erhöht die Effizienz, mit der Menschen lernen, in dramatischer Weise. Ganze Netzwerke abgeleiteter Beziehungen können sich aus einer kleinen Anzahl erlernter Beziehungen ergeben.
• Symbolische Beziehungen »formen« (frame) menschliche Erfahrungen und verändern dadurch deren Bedeutung und Auswirkung. Menschen kombinieren die Informationen, die in diesen verschiedenen Beziehungen enthalten sind, und leiten daraus ein umfangreiches Netzwerk von Bedeutung und Verstehen ab. Die Art und Weise, wie Menschen innerhalb dieses Netzwerks über Dinge denken, fühlen und handeln, wird stark durch deren symbolische Beziehung zu weiteren Objekten und Ereignissen beeinflusst.
• Relationales Lernen ergibt sich aus einer Kombination von Evolution und einer besonderen Art von operanter Lerngeschichte. Menschen lernen, Objekte und Ereignisse eher auf der Basis sozial etablierter Hinweisreize miteinander in Beziehung zu setzen. Dies geschieht weniger auf der Grundlage der intrinsischen Eigenschaften der Dinge. Das macht Sprache zu einer Form der Zusammenarbeit. Sprache fußt hier auf der sozialen Natur menschlicher Gruppen und verstärkt somit eine Kultur prosozialen Verhaltens, in der Menschen gedeihen können.
• Symbolisches Verhalten basiert ursprünglich auf Kontingenzlernen. Trotzdem verändert es die Auswirkung aller Lernformen dadurch, dass symbolische Beziehungen die Art und Weise verändern, wie vorangehende und nachfolgende Stimuli den Lerneffekt beeinflussen.
• Es gibt viele Arten symbolischer Beziehungen oder »Bezugsrahmen«, beispielsweise der Koordination, der Unterscheidung, des Gegensatzes, des Vergleichs, der Hierarchie und der Perspektivübernahme. Sie alle können an Analyse und Lösung von therapeutischen Problemen beteiligt sein.
• Symbolische Beziehungen sind nicht schlichtweg als einfache Worte zu sehen – sie sind stark mit nahezu allem verwoben, was für Menschen bedeutungsvoll ist. Gedanken und mentale Bilder, Erinnerungen, Meinungen, Stimmung und Affekt, Selbstwahrnehmung und Bewusstsein sind abhängig von symbolischen Beziehungen. Dieser Denkansatz erlaubt es Therapeuten auf eine kohärente und wirksame Weise, mit einer geringen Zahl von behavioralen Prinzipien ein breites Spektrum von Störungen zu behandeln.
• Die meisten Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die für den therapeutischen Prozess von Bedeutung sind, beinhalten ein Zusammenspiel von symbolischen Beziehungen und anderen, erlernten und nicht erlernten Prozessen. Therapeuten können das Thema Sprache nicht vermeiden. Selbst dann nicht, wenn Sprache nicht zu den zentralen Bestandteilen ihrer Therapiemethode gehört. Selbst Methoden, die Stille betonen, Imagination nutzen, Hypnose induzieren oder Achtsamkeitsübungen durchführen, entfalten ihre Wirkung dadurch, dass sie symbolische Beziehungen einsetzen.
• Die Fähigkeit, symbolische Beziehungen abzuleiten, sowie die Veränderungen der Hinweisreize durch symbolische Beziehungen, eröffnen eine Vielfalt von Verhaltensmöglichkeiten und stellen so ein enormes evolutionäres Potenzial dar. Sprache ist die Quelle der größten menschlichen Errungenschaften, aber sie ist auch die Quelle eines großen Teils menschlichen Leids. Auf der Zeitachse der Evolutionsgeschichte ist symbolisches Lernen eine relativ junge Errungenschaft. Die Menschheit ist noch dabei zu lernen, wie sie die Macht dieser Fertigkeit nutzen kann, ohne unbeabsichtigt Leid zu erzeugen. Die Gespräche, die in der Psychotherapie stattfinden, und die Behandlungsmethoden, die dort angewandt werden, sind also auch Teil eines Lernprozesses. Dabei üben Therapeutinnen und Patientinnen, mit Bezugsrahmen und kontextuellen Hinweisreizen so umzugehen, dass sich Wohlergehen entwickeln kann.
1 Mit Weltanschauung ist hier eine »World Hypothesis« im Sinne des von Stephen Pepper geprägten Begriffs gemeint. Für eine erste Orientierung hierzu lesen sie den Eintrag »World Hypothesis« in Wikipedia.
2 Mit intrinsisch meinen wir nicht »unabhängig von unserer Wahrnehmung«, sondern »unabhängig von unserer symbolischen Interpretation«. Demnach ist, im Kontext dieser Definition, die Farbe einer Rose, die wir als rot sehen, intrinsisch, weil sie nicht von Sprache abhängt, sondern von unserer Wahrnehmung (einige Tiere oder Menschen mit beeinträchtigter Sehfähigkeit sehen sie anders).
3 Obwohl der Begriff »verbal« in der Behaviorismus-Literatur zum Thema Sprache als Synonym für das Wort »symbolisch« genutzt wird, nutzen wir diesen Begriff in diesem Buch nur, wenn es sich auf Symbole bezieht, die aus Wörtern bestehen, um dadurch eine Verwechslung für Leser zu vermeiden, die mit dieser Literatur nicht vertraut sind. Nach unserer Definition können auch non-verbale Reize symbolisch sein (z. B. Gesten, Piktogramme). Wir nennen nicht-symbolische Hinweisreize und Funktionen »intrinsisch«. Wenn wir jedoch den Begriff »verbale Interaktion« nutzen, dann beziehen wir uns im Allgemeinen auf symbolische Interaktionen (einschließlich Gesten, Körperhaltungen, Gesichtsausdrücke, Ton der Stimme usw.), um der allgemeineren Verwendung dieses Begriffes zu entsprechen.
4 Technisch gesehen ist es allerdings niemals vollkommen »gratis«, weil wir uns auf den Prozess der Ableitung einlassen müssen. Sobald dieser Prozess aber erlernt und gut verinnerlicht wurde, erfolgt er so schnell und natürlich, dass er sich automatisiert und mühelos anfühlt, wenn die Beziehungen, die hergeleitet werden sollen, relativ einfach sind. Wenn wir versuchen, ein komplexes Problem zu lösen, erleben wir den Prozess der Ableitung meist als sehr anstrengend.
5 In diesem Buch steht »<« für »kleiner als oder weniger als« und »>« steht für »größer als oder mehr als«.
6 Gelegentlich weiten wir den Begriff »Sprache« um den Zusatz »Kognition« aus, um Sie daran zu erinnern, dass aus der Sicht der Relational Frame Theory das Denken und das Sprechen dem Aufbau von und dem Reagieren auf symbolische Beziehungen entspricht.
2 Sprache und Psychopathologie
Es ist verwunderlich, dass trotz des Erfolges der Spezies Mensch psychisches Leid so allgegenwärtig ist. Keine andere Spezies fürchtet sich, soweit wir das wissen können, vor Entbehrung, auch wenn sie im Überfluss lebt, hat Ängste, ohne Gefahren ausgesetzt zu sein oder fühlt Einsamkeit, obwohl sie in einer liebevollen Gemeinschaft lebt. Durch Sprache werden die Quellen von Fülle, Sicherheit und Fürsorge zum Ausgangspunkt von Kampf, Angst und Isolation. Symbolisch-relationales Lernen fördert das Wohlergehen der Menschen und stört es gleichzeitig, da Stärke und Kampf denselben Ursprung haben.
2.1 Probleme bei der Flüssigkeit und Flexibilität des Herstellens von Bezugsrahmen
2.1.1 Fertigkeitendefizite im logischen Denken und Problemlösen