Du, mein geliebter "Russe". Nelli Kossko

Du, mein geliebter


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Diebstahl.

      „So, Jungs.“ Pawel war offensichtlich zufrieden mit dem Handel. „Jetzt seid ihr für den Winter gewappnet, und der steht schon vor der Tür. Passt auf eure Sachen auf und genießt die letzten Sonnenstrahlen, denn warm ist es hier nur ganz kurz. Bekanntlich ist das hier ein wunderlicher Planet, auf dem zwölf Monate lang Winter herrscht und den Rest des Jahres Sommer ist.“

      Er hatte, weiß Gott, recht: Frühling, Sommer und Herbst dauerten hier zusammen insgesamt weniger als zwei Monate. Dafür aber veränderte sich die Landschaft von einem Tag auf den anderen – stürmisch und ungestüm. Die Flora schien im Frühling zu bersten, als ob sie es eilig hätte und vieles nachholen wollte: Die dünnen schwindsüchtigen Lärchen bekamen neue leuchtend grüne Nadeln, und der sumpfige Boden und die Hänge der Hügel grüne Gewänder, sogar das Krummholz, das sich im Winter unter der Last der klirrenden Kälte auf der Erde ausgebreitet hatte, stand nach einigen Tage wieder kerzengerade, ganz zu schweigen von den Pilzen und Blaubeeren, die hier in der kurzen Zeit in rauen Mengen aus der Erde sprossen. Diese Eigenart der Natur war verblüffend, unerklärlich und, wie jedes Phänomen, ebenso faszinierend wie die unbeschreibliche, unglaubliche Jungfräulichkeit der Natur!

      Diese wenigen lauwarmen Tage waren trotz der Sklavenarbeit auf den Goldfeldern ein Segen für die Gefangenen, denn auf dem Weg zur Arbeit und zurück ließ die Wache die Lagerinsassen manchmal auf den unendlich weiten Blaubeerfeldern, die sich wie eine riesige blaue Decke bis zum Horizont erstreckten, „weiden“. Das war ein wahres Wunder, wenn man bedachte, dass sich dieser Schatz in einer Gegend mit Permafrostboden befand, wo im Sommer nur zehn bis fünfzehn Zentimeter der Erdoberfläche auftauten. Es gab so viele saftige, reife Beeren, dass man sie nicht einzeln pflückte, sondern eine Handvoll nach der anderen in den Mund stopfte, oft samt den Blättern. Das aber tat dem Appetit der Menschen keinen Abbruch, denn neben den jungen Kerzen und Nadeln des Krummholzes und der Lärchen waren die Blaubeeren ein wirksames Mittel gegen den Skorbut, der in den Straflagern wegen des Vitaminmangels wütete.

      Die Gefangenen mussten auch winters bei -50 Grad Celsius mit ihren mittelalterlichen Geräten Gold schürfen, die Norm war bis zu 150 Karren goldhaltiges Gestein pro Arbeitstag, und dieser dauerte 14 Stunden. Erfüllten sie die Norm nicht, wurde den Sträflingen ein Teil der ohnehin kargen Brotration entzogen. Es war die Hölle, die reinste Hölle, und sie hatten drei Jahre lang darin gesteckt!

      „… Und jetzt kommen die mit ihren Lehrgängen und so ‘nem Quatsch! Wird wohl wieder derselbe Salat sein, denn Gulag bleibt Gulag!“ Hans zog sich die Decke über den Kopf und versuchte einzuschlafen.

      Der nächste Morgen begann mit Überraschungen – nicht umsonst sagt der Volksmund: „Morgenstund hat Gold im Mund!“

      Zuerst bekamen sie ein herrliches Frühstück! Ein fürstliches, wie Arthur erstaunt ausrief: Brot mit etwas Butter(!) und Blaubeermarmelade, eine dünne Scheibe Fisch, einen Napf voll Graupengrütze und ein Glas trüber Flüssigkeit, die entfernt an Tee erinnerte.

      Dann überstürzten sich die Ereignisse. Als Erstes brachte man sie in die Aula der benachbarten Schule, wo schon ein Dutzend Anwärter auf einen Platz in den Lehrgängen versammelt war.

      Was weiter geschah, konnte anfangs keiner der Anwesenden begreifen. Denn das, was ihnen der Offizier da oben auf dem Podium zu erklären versuchte, war so absurd, so unmöglich, ja ungeheuerlich, dass keiner im Saal den Sinn seiner Worte begreifen konnte. Ihr Verstand, all ihre Sinne, ihr ganzes Wesen weigerte sich zu glauben, was der Mann da sagte:

      „In Abänderung des Strafurteils … teilweises Fehlurteil … in Anbetracht besonderer Umstände … Verbannung auf ewige Zeiten … Verbannungsort Kolyma … Freigänger …“ Die Satzfetzen prasselten auf die Häftlinge nieder, und es dauerte seine Zeit, bis sie sie einordnen konnten, bis ihnen der Kern der Rede einigermaßen klar wurde: Sie werden aus dem Lager entlassen, dürfen jedoch als Sondersiedler ihren Standort in der Kolymaregion nicht verlassen.

      Nach einigen Fragen und Erläuterungen wurde klar: Ab jetzt waren sie keine Häftlinge mehr, sondern Verbannte auf ewige Zeiten, sie durften sich am Ort ihrer Verbannung im Umkreis von zehn Kilometern frei bewegen – jeder weitere Meter konnte ihnen zum Verhängnis werden und Strafen bis zu fünfzehn Jahren Haft nach sich ziehen.

      Nachdem der Offizier seine Ausführungen beendet hatte, blieb es in der Aula still, so still, dass man das Summen einer Fliege hätte hören können, wenn sich denn um diese Jahreszeit eine hierher verirrt hätte. Eine Minute … zwei … drei … Dann explodierte der Saal – jubelnde Schreie, Lachen, Rufe und Tränen, Flüsse von Freudentränen, deren sich die gemarterten jungen Männer nicht schämten.

      Es war gewiss nicht die große Freiheit, aber man saß auch nicht mehr im Käfig, man musste nicht mehr nur dem fremden Willen folgen, man konnte, wenn auch in begrenztem Maße, einige Entscheidungen selbst treffen. Es war ein schon lange nicht mehr dagewesenes Glücksgefühl, Arthur und Hans kamen nicht aus dem Freudentaumel heraus.

      Nun galt es erstmal, in einem der Lehrgänge einen Beruf zu erlernen. Da der von Arthur angepeilte Lehrgang für Buchhaltung belegt war, entschied er sich für den Beruf eines Fachmanns für Standardisierung, Hans ließ sich auf die Liste der Dreher setzen.

      Statt der Spitzhacken und Brecheisen hielten sie nun Bücher in den Händen, richtige Bücher, sie durften lesen, so viel sie wollten, sie hatten auch Stifte und Papier, konnten jetzt schreiben, Briefe schreiben …

      Konnten Briefe schreiben … Ja, das auch, doch an wen und wohin? Weder Arthur noch Hans wussten, wo ihre entwurzelten, in der ganzen Welt verstreuten Familien und Verwandten waren. Und Liesel? Ihre Adresse wusste Arthur auswendig, doch wer würde schon einen Brief aus dieser Hölle ins besiegte, feindliche Deutschland durchlassen?

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