Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
»Du hast eine Engelsgeduld, Holger«, sagte Annedore. »Und wenn ein anderer kommt…«
»Dann könnte ich es nicht ändern. Ich würde ihr nur wünschen können, daß sie glücklich wird.«
»Und wenn es wieder ein Fiasko wäre?«
»Dann hat sie in mir wenigstens einen Freund.«
*
Nico saß mit Sandra noch am Frühstückstisch. Sie hatten lange geschlafen und warteten nun auf Winnie.
»Wie lange ist Winnie deine Freundin, Mami?« fragte Nico.
»Zwanzig Jahre!« Schweigen folgte, Nico rechnete. »Dann warst du acht Jahre, als ihr Freundinnen wurdet. Zwei Jahre älter als ich.«
»Toll, wie du rechnen kannst«, sagte Sandra.
»Aber wie kommt es, daß ihr euch kennengelernt habt?« fragte er weiter. »Winnie wohnt doch in Wien.«
»Damals war ihr Vater in München tätig. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, bis zum Abitur. Kurz vorher war Winnies Vater gestorben, und dann zog ihre Mutter nach Wien und nahm Winnie mit.«
»Und warum zog sie nach Wien?«
»Weil sie dort geboren war.«
»Und wo wohnt sie jetzt?«
»Sie ist leider auch gestorben.«
»Dann hat Winnie nicht mal eine Mutsch? Das ist traurig. Wir haben wenigstens unser Ömchen. Ach, wie wird ihr jetzt nur zumute sein, so allein.«
»Holger bringt sie heute zur Insel. Da ist sie nicht allein.«
»Holger könnte uns wirklich auch besuchen.«
»Vielleicht tut er das, wenn du ihn bittest.«
»Warum bittest du ihn nicht?«
»Mir wäre es lieber, wenn du ihn bittest, Nico.«
»Das tue ich auch«, erklärte Nico. »Du, da kommt Winnie.« Er sprang auf und lief ihr entgegen. Zärtlich umarmte er sie.
»Du bist aber lieb«, wunderte sich Winnie.
»Weil ich jetzt weiß, daß du nicht mal eine Mutsch hast, Winnie. Bloß deine Freundin und mich.«
Winnie drückte ihn zärtlich an sich. »Ich bin sehr froh, daß ich euch habe«, sagte sie. »Leider werde ich nicht viel Zeit für euch haben, da es mein Auftraggeber plötzlich sehr eilig hat, sein Haus zu beziehen.«
»Wir können ja helfen«, sagte Nico.
»Du bist geschafft«, sagte Sandra, als sie Winnie umarmte.
»Und wie!« Winnie ließ sich in den Korbsessel fallen. »Aber jetzt bekomme ich wenigstens ein gutes Frühstück. Ich bin weg ohne alles. Erfolg gut und schön, aber es zehrt an den Nerven, Sandra. Doch wem sage ich das! Nachher muß ich mir gleich das Haus anschauen. Nach den Plänen kann man sich kein Urteil bilden.«
»Es sind wohl sehr anspruchsvolle Leute?« fragte Sandra.
»Vor allem reiche. Da ist das Beste gerade gut genug. Ich habe sie noch gar nicht kennengelernt. Der Auftrag ist mir zugeschanzt worden, aber es springt wenigstens was dabei heraus. Und da braucht man nicht zu sparen, und es wird nicht gemeckert.«
»Ist das sonst häufig so?« fragte Sandra.
»Meistens. Die Wünsche sind oft unermeßlich, aber wenn es ans Bezahlen geht, dann wird lamentiert. Aber jeder Beruf hat seine Tücken.«
Später fuhren sie zu dem Haus. »Ein Traumhaus«, sagte Sandra bewundernd.
»Toll«, sagte Nico, als er den Swimming-pool sichtete.
»Stammer ist ein genialer Architekt«, sagte Winnie.
»Danke für das Kompliment«, ertönte eine tiefe Männerstimme, »wenigstens das gestehen Sie mir zu, Winnie.«
Winnie zuckte erschrocken zusammen, Nico betrachtete den schlanken Mann skeptisch, dessen hageres Gesicht von mehreren Narben gezeichnet war und dessen schmallippiger Mund einen spöttischen Zug hatte. Sandra sah zuerst die Augen, und die gefielen ihr. Aber sie spürte sofort, daß Winnie mit ihm auf Kriegsfuß stand.
»Sie haben mir zwar den Auftrag zugeschanzt, aber reinreden lasse ich mir nicht«, sagte sie aggressiv.
»Der Besitzer wird aber doch wohl einige Wünsche äußern dürfen«, sagte Leo Stammer.
»Kommt er her?« fragte Winnie neugierig.
»Er ist schon zugegen«, erwiderte Stammer lässig.
»Wo?«
»Er steht vor Ihnen.«
Winnie starrte ihn betroffen an und errötete. »Sie? Sie sind der Besitzer? Wieso haben Sie mir den Auftrag gegeben?«
»Weil ich Sie für die fähigste Innenarchitektin halte, die ich kenne«, erwiderte er gelassen.
»Das ist ja ganz was Neues«, sagte sie erbost. »Es ist noch nicht lange her, da haben Sie mich als unbelehrbare Emanze bezeichnet.«
Er wurde tatsächlich ein wenig verlegen. »Das ist aus dem Zusammenhang gerissen«, erklärte er schnell. »Aber darüber können wir bei Gelegenheit sprechen. Sollten wir uns nicht bekannt machen?« wandte er sich dann höflich an Sandra.
»Meine Freundin Dr. Sandra Diehl und ihr Sohn Nico«, sagte Winnie bissig. »Sie sollten sich eine andere Innenarchitektin suchen. Vielleicht Insa Keller.«
In seinen Augen blitzte es auf. »Sie haben den Auftrag angenommen und müssen ihn nun auch ausführen«, erklärte er.
»Sie haben mich hinters Licht geführt.«
»Das ist nicht wahr. Ich habe Ihnen gesagt, daß sich der Besitzer ganz auf Ihren guten Geschmack verläßt.«
»Damit Sie dann hinterher meckern können«, brauste sie auf.
»Winnie«, sagte Sandra mahnend.
»Sie hat was gegen mich«, sagte Leo Stammer lächelnd. »Sind Sie auch Architektin, gnädige Frau?«
»Meine Mami ist keine gnädige Frau, sondern sie ist Rechtsanwalt«, warf Nico ein.
Leo Stammer war sichtlich überrascht, aber geistesgegenwärtig sagte er: »Dann kann deine Mami das Schwälbchen ja gleich belehren, daß Verträge erfüllt werden müssen.«
»Winnie hat sich doch auch darauf gefreut«, sagte Nico. »Warum redest du wütend mit dem netten Mann, Winnie?«
»Ja, das würde ich auch gern wissen«, sagte Leo anzüglich.
»Vielleicht sollten Sie jetzt allein mit Winnie sprechen, Herr Stammer«, sagte Sandra einlenkend. »Komm, Nico, wir schauen uns ein bißchen um.«
Nico trabte neben ihr her. »Winnie ist doch sonst so nett«, sagte er nachdenklich.
Sandra hatte so eine ferne Ahnung, warum Winnie sich so aggressiv gab. Und sie hatte auch eine Ahnung, warum Stammer Winnie den Auftrag gegeben hatte. Aber davon sagte sie nichts zu Nico.
»Weißt du, das ist wahrscheinlich gar nicht ernst gemeint, nur so ein Geplänkel.«
»Winnie ist aber ganz schön giftig«, stellte Nico fest. »Das Haus ist doch so toll.«
»Können wir nicht mal Waffenstillstand schließen, Winnie?« fragte Leo Stammer indessen. »Wer hat Ihnen eigentlich von dieser Bemerkung erzählt?«
»Niemand, ich habe sie selbst gehört auf dem Kongreß.«
»Dann hätten Sie aber ein bißchen länger lauschen sollen«, sagte Leo.
»Ich lausche nicht. Ich habe die Bemerkung rein zufällig gehört.«
»Leider aber nicht, daß ich es bedauert habe, daß eine so reizvolle Frau wie Sie einen so männlichen