Gekonnt leiden. Jürgen Löhle

Gekonnt leiden - Jürgen Löhle


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rel="nofollow" href="#uaa9173d0-4cd1-5a3d-b637-a0e93666975e">Wallfahrt

       Dabeisein ist alles

       Zitterpartie

       Dabei sein ist alles

       Ferienlager

       Triumph in Alpe d’Huez

       Nomadenleben

       Urlaub von Anfang an

       Holiday on Ice

       Sehnsucht nach Leberkäs

       Sieger am Galibier

       Belgischer Härtetest

       Vive la France!

       5. BRÄGEL GIBT SICH FAMILIÄR

       Tierversuch

       Familienbande

       Frühlingsgefühle

       Vaterfreuden

       Der Stammhalter

       Vorsorglich fürsorglich

       Brägel allein zu Haus

       PA34SY678GPZ – Liebe im Netz

       Generationskonflikt

       Mit Drive

       Willkommen zu Hause

       Eheglück am Samstag

       Gemeinsam einsam

      1

      IMMER KETTE RECHTS – BRÄGELS SPEZIELLE ART, EIN RENNRAD (UND MEHR) ZU BEWEGEN

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      KURZ UND FLACH? GESCHENKT!

      WAS RADFAHRER SO ALLES SAGEN, UND WAS SIE DAMIT WIRKLICH MEINEN: EIN KLEINER KURS FÜRS ÜBERLEBEN AUF ZWEI RÄDERN

       1994

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      »Gaaaanz ruhig bleiben«, ölt Brägel und kratzt sich die frisch rasierte Wade, »mach’ dir doch nicht ins Hemd. Wir fahren kurz und flach, und der Schwächste macht das Tempo.« Danach setzt er ein derart hundsgemein souveränes Lächeln auf, dass jedem Idioten sofort klar wird, dass er mit dem Schwächsten nur mich meinen kann. Da schau her, Brägel hat offenbar gewaltige Frühform. Wenn ich jetzt mitfahre, senkt mir der Kerl eine Tonne Blei in die Schuhe. Aber darum geht es gar nicht, man muss auch mal verlieren können. Viel gemeiner ist die Sprache. Wer Sprüche mit »kurz und flach« auch noch glaubt, den holt später der Teufel, das ist sicher. Verbale Stellungnahmen von Hobbyradlern sind nämlich ungefähr so wahrheitsgetreu wie die von Berufspolitikern. Eine Trainingsrunde unter zwei Stunden und ohne Steigungen ist genauso wahrscheinlich wie die Annahme, dass der liebe Herr Schäuble den Waffenhändler mit dem Koffer für einen Finanzbeamten mit einer Steuerrückerstattung gehalten hat. In Brägels speziellem Fall war »kurz und flach« übrigens 90 Kilometer über Mallorca, mit dem Anstieg nach Soller und einem Abstecher nach Valldemossa. Extrem flach und ziemlich kurz, stimmt schon. Einer, den Brägel erfolgreich überredet hat, saß am Abend ziemlich grau überm Spaghettiteller. Opfer der verbalen Radlerkeule.

      Damit Sie nicht auch solche leidvollen Erfahrungen machen müssen, erklären wir Ihnen den Unterschied zwischen Äußerungen Rad fahrender Menschen und ihrem tatsächlichen Handeln. Und das ist ein gewaltiger, das können Sie glauben. »Kurz und flach« ist dabei das Paradebeispiel. Wer tatsächlich piano rollen will, sagt nämlich in aller Regel gar nichts. Gut trainierte Hobbyrenner versuchen Sie dagegen mit »kurz und flach« zunächst aufs Rad und an der ersten Steigung ins Verderben zu locken. Sie können den wahren Inhalt der Aussage aber am Blick erkennen. Wer kurz und flach sagt und dabei lächelt, der meint das Gegenteil. Wenn Sie darauf hereinfallen, erleben Sie am ersten Anstieg die nächste Schweinerei. »Lass’ dir ruhig Zeit, wir warten oben«, heißt es dann gönnerhaft. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Neulich bin ich mit so einer Horde gefahren und plötzlich kam Brägel (wirklich erstaunliche Frühform) mir wieder entgegen und erkundigte sich mit grauenhafter Fürsorge, ob denn wirklich alles in Ordnung sei, mit dem Puls und so und überhaupt. Das ist dann die Höchststrafe. Und »oben warten« heißt in Wahrheit, dass die Meute mit genervtem Blick am Straßenrand steht. Manche gähnen demonstrativ, andere tun so, als stünden sie schon vier Stunden dort. Mindestens. Und wenn du schließlich halbtot angekeucht kommst, schwingen sie sich in der gleichen Sekunde wieder in den Sattel. »Weiter, wir werden sonst kalt«, heißt es. Das stimmt ausnahmsweise, aber mir kocht die Birne und der Pulsmesser jault. Mit Warten hat das nun gar nichts zu tun.

      Unten dann die nächste Lüge. »Häng’ dich hinten rein, wir nehmen dich mit«, heißt es. Hier die Übersetzung: »Jetzt fahren wir dich vollends aus den Schuhen, du Schattenparker. Wir drücken immer schön den dicken Gang, genau einen Zacken härter, als du Weichei es verträgst.« »Geht’s denn mit dem Tempo?«, nervt Brägel (der muss übrigens gedopt sein, jede Wette). »Nein«, japse ich, »es ist ein bisschen zu schnell.« Die Reaktion: nullkommanull. Überhaupt nix passiert, der Zug donnert weiter auf den nächsten Anstieg zu, keine Chance, den Puls in den aeroben Bereich zu drücken. Aber das soll auch genau so sein. Kurz und flach ins Verderben.

      Die verbale Trickserei setzt sich im Radladen fort. Immer wieder gern genommen werden die Bezeichnungen »geschenkt«, »fast geschenkt« oder »echt geschenkt«; insbesondere gegenüber nichtradelnden Lebenspartnern in Gütergemeinschaft. Brägels echt geschenkte neue Magnesium-Pedale haben 356 Mark gekostet, der Alurahmen fürs Zweitrad war für 1.998 Märker natürlich »fast geschenkt«. Ich wollte auch so ein Ding und habe leider erst beim Zahlen bemerkt, dass geschenkt wohl ein kleines bisschen billiger gewesen wäre. Jetzt habe ich Madame zu erklären, warum ein bisschen Nichts, das kaum mehr wiegt als ein gemischter Salat für zwei Personen, genau so viel kostet wie eine Woche Skiurlaub im Viersterne-Hotel. Den habe ich nämlich mit Blick auf die Finanzen abgelehnt.

      Auch


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