NALA - Der Hexenberg. Gabriela Proksch Bernabé

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wooouuuuh...“

      Nala suchte hektisch nach ihrem Telefon. Den Klingelton

      „Wolfsgeheul“ hatte sie für ihre beste Freundin Rosalie ausgesucht. Unter einem Haufen achtlos am Boden liegender Klamotten zog sie ihr Handy hervor.

      „Hi, Feuerwolf, wie geht´s?“ Im Sommer hatten sich die beiden Mädchen auf einem Reiterhof in Südfrankreich kennengelernt und unglaubliche Abenteuer miteinander erlebt. Ihre Freundin bekam damals von einer indianischen Medizinfrau den Namen Feuerwolf und Nala wurde Sternenträumerin genannt.

      „Hi, ich habe aufregende Neuigkeiten für dich!“, begann Rosa- lie das Gespräch.

      Nala saß plötzlich viel aufrechter in ihrem gemütlichen, roten Sitzsack: „Das klingt ja spannend, was gibt’s denn?“

      „Du fehlst mir so! Aber stell dir vor, es gibt eine Möglichkeit, wie du in meine Nähe ziehen kannst, wenn du Lust hast!“

      Nala sprang vor Neugier auf: „Und wie soll das funktionieren? Du lebst in Tirol und ich in Bayern! Da ist immerhin eine Staats- grenze dazwischen.“

      „Die Schule, in die ich im Herbst wechseln werde, beginnt ein

      internationales Projekt. Sie suchen Schülerinnen aus verschiedenen anderen Staaten. Das Beste kommt aber noch! Es ist die Glasfach- schule hier in Tirol. Man erhält eine künstlerische Ausbildung, lernt das Gestalten und Entwerfen von Skulpturen aus Glas. Du hast doch den ganzen Sommer wie verrückt gezeichnet und Skizzen von unseren Pferdeabenteuern gemacht. Du bist total begabt dafür! Des- halb denke ich, diese Schule hier ist genau dein Ding!“

      Sternenträumerin, ließ sich wieder in den Sitzsack plumpsen. Sie war sprachlos. „War das möglich? Gingen Träume manchmal so schnell in Erfüllung?“ Sie hatte sich insgeheim nichts mehr ge- wünscht, als näher bei Feuerwolf zu leben. Ihre Abenteuer im Feri- encamp hatten die Mädchen zusammengeschweißt. Vor allem die verrückte und lustige Seite ihrer neuen Freundin gefiel Nala.

      „Was... ist... los?“, fragte Rosalie langsam. Die stumme Pause irritierte sie.

      Schon sprudelte Sternenträumerin ihre Antwort heraus: „Das ist ja sowas von genial! Ich bin dabei! Schick mir gleich den Link für die Anmeldung!“

      „Musst du nicht zuerst deine Eltern fragen?“, erkundigte sich Rosalie vorsichtig.

      „Klar, aber die freuen sich höchstens, wenn ich so eine Chance bekomme. Das wird wahrscheinlich kein großes Problem, vermute ich einmal. Sie wissen ja, dass Malen und Zeichnen das Größte für mich ist. Bis auf die Pferde natürlich.“

      Rosalie ergänzte: „Das Größte für mich wäre, wenn wir zusam- men sein könnten. Schließlich sind wir seit dem Ritt durch die Voll- mondnacht in der Zauberwelt miteinander verbunden!“

      Nach den Reitferien in Südfrankreich und ihrem nächtlichen Abenteuer mussten sich die beiden Freundinnen leider wieder tren- nen. Der Abschied von Rosalie und Lilou, der scheuen, weißen Ara- berstute, war für Nala traurig gewesen. Das Pferd und das schüch- terne Mädchen hatten ein magisches Band geknüpft. Auch der ur- alte Steinkreis unter der mächtigen Eiche mit der Schamanin Blaue Feder, deren Lehrling Wolfsherz und der Mustangherde waren ihr ans Herz gewachsen. Nala konnte sich ein Leben ohne ihre neuen Freunde kaum vorstellen. Vor allem der Rabe Tendo, ihr Gefährte und Krafttier, fehlte ihr. Er hatte sie zum Lachen gebracht, indem er Streiche spielte und das Mädchen neckte. Schließlich war es Ster- nenträumerin sogar gelungen, seine krächzende Rabensprache zu verstehen.

      Zwei Wochen später hielt Nala einen großen, weißen Umschlag mit dem aufgedruckten Symbol eines Adlers, dem Wahrzeichen Tirols, in der Hand. Ihre Finger zitterten vor Neugier und Ungeduld. Mit einem Ruck riss sie den Brief auf. Sternenträumerin musste un- bedingt wissen, ob er die ersehnte Nachricht enthielt. Ihre Mutter Simone, die am Schreibtisch saß, beobachtete die Szene gespannt. Sie war von der Idee, dass Nala die Glasfachschule besuchen wollte begeistert gewesen. Auch Nalas Vater Florian und der kleine Phillip, ihr Bruder, freuten sich, dass Sternenträumerin in dieser Schule ihr Talent zum Zeichnen und Malen ausleben würde.

      Nala hielt das so banal aussehende weiße Blatt in die Höhe und sprang wie ein Gummiball auf und ab, während sie die Nachricht laut vorlas:

      Aufnahmebestätigung

      Sie haben die Kriterien für die Aufnahme an die Glas- fachschule Tirol erfüllt. Wir erbitten umgehende Ant- wort, falls Sie am 9. September ihre Ausbildung zur Glaskünstlerin bei uns beginnen wollen. Ein Platz in unserem Internat steht bei Bedarf zur Verfügung.

      Mit freundlichen Grüßen

      Die Direktion Mag. Oskar Krämer

      „Juhuuu! Was für ein Glück! Ich bin drin! Muss sofort packen! Nein, halt, Rosalie anrufen! Sie wartet sicher darauf.“

      „Lass dir erst einmal gratulieren!“ Nalas Mutter umarmte und drückte sie fest. „Ich vermisse dich jetzt schon. Doch die neue Schule ist nicht weit von München entfernt. Wir werden uns an den Wo- chenenden oft sehen, du bist ja nicht aus der Welt.“

      Nala strahlte vor Glück: „Ich fasse es einfach nicht! Ich ziehe nach Österreich und besuche diese einzigartige Lehranstalt! Das wird sicher fabelhaft. Lauter Mädchen und Jungs, die sich für Kunst interessieren, so wie ich. Wow, ich freue mich riesig!“

      Das war jedoch nicht die ganze Wahrheit. Schon seit einiger Zeit hatte Nala Probleme in der Schule. Nicht mit dem Unterricht, das Lernen fiel ihr leicht. Doch sie war eine Träumerin, stets mit dem Kopf in den Wolken und wurde deshalb immer wieder zur Außen- seiterin. Sogar Mobbing erlebte Sternenträumerin. Sie konnte und wollte mit den schicken Outfits und dem oberflächlichen Getue der meisten anderen Mädchen nicht mithalten. Außerdem war sie ein paar Kilos von einem offiziellen Idealgewicht entfernt. Das hatte sich im Reitcamp ein wenig verändert. Den ganzen Tag mit den Pferden unterwegs zu sein, machte Nala stärker und beweglicher. Sonnenge- bleichte Strähnen ließen ihre aschblonden Haare interessanter wir- ken. Doch ihre Erscheinung riss, zumindest ihrer eigenen Meinung nach, niemanden vom Hocker. Vor allem deshalb, weil Sternenträu- merin sich in ihren weiten, bequemen Klamotten eher versteckte als kleidete. In diesem Sommer in Südfrankreich hatte das Mädchen sich zum ersten Mal in einer Gruppe eingelebt und wohlgefühlt. Mit Hilfe der Medizinfrau Blaue Feder, ihrem Wissen über Horseman- ship und schamanischen Techniken, entwickelte Sternenträumerin sich zum unabhängigen, glücklichen Pferdemädchen. Es brauchte viel Mut, um sich aus ihrer Außenseiterrolle zu befreien. Das Selbst- vertrauen fühlte sich frisch und neu an. Nala war gestärkt und zu- versichtlich aus dem Feriencamp zurückgekommen. So warf sie ihre Bedenken und Ängste vor der unbekannten Klassengemeinschaft im Moment über Bord.

      „Soll ich sofort in der Direktion anrufen und Bescheid sagen, dass du kommst, oder willst du es dir noch überlegen?“

      „Überlegen? Darüber brauche ich mir nicht groß den Kopf zu

      zerbrechen! Ich darf dort zeichnen, entwerfen und Künstlerin wer- den! Abgesehen davon geht meine allerbeste Freundin in die gleiche Klasse!“, antwortete Nala ihrer Mutter.

      Das laute, unheimliche Wolfsgeheul ertönte. „Rosalie!“, jubelte das Mädchen.

      „Hallo Feuerwolf, ich wollte gerade anrufen“, keuchte Sternen- träumerin atemlos, „ich bin aufgenommen worden und ziehe nach Tirol.“

      „Das ist eine fantastische Nachricht!“, freute sich Rosalie mit ihrer Freundin.

      Nala sprach gleich weiter: „ Endlich lerne ich dein Pflegepferd Gandalf kennen. Gibt es im Stall vielleicht ein Pferd für mich? Aber, was rede ich denn da? Ich wünsche mir ja doch nur, dass Lilou bei mir sein kann. Leider ist mein Herzenspferd meilenweit weg, in Frankreich, und ich weiß nicht einmal, ob ich es je wiedersehen werde!“

      „Gandalf


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