Digitale Transformation von Arbeit. Hartmut Hirsch-Kreinsen

Digitale Transformation von Arbeit - Hartmut Hirsch-Kreinsen


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von Technik und Arbeit verbindet sich damit jedoch die Konsequenz, dass sich je nach Funktionszusammenhang sehr unterschiedliche Relationen und Gestaltungskorridore für Arbeit ergeben.

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      2.3 Organisationstechnologie

      Die Kategorie der Organisationstechnologie geht auf eine von Willi Pöhler geäußerte Überlegung zurück, wonach die neuen Technologien auf eine rationelle Verzahnung von Produktionstechnik und Arbeitsorganisation zielen und Teilprozesse nach einem vorgegebenen Schema organisieren (zit. n. Brandt et al. 1978, S. 20). Ähnlich argumentiert Gert Schmidt (1989, S. 247), der von Informationstechnologie als einem »Organisationsphänomen« spricht, in dem die Apparatur mit organisatorischen Regelungskomplexen verschmelze. Daher gelte es, »nicht mehr nur dem Einfluss der Technologie auf die Arbeitsorganisation, sondern vor allem umgekehrt den Auswirkungen ökonomisch bedingter Organisationsprinzipien auf den technischen Wandel nachzugehen.« (Brandt et al. 1978, S. 20 f.)

      Organisationstechnologie umfasst demnach Planungs-, Steuerungs- und Kontrollverfahren, die früher organisatorisch erbracht worden sind, setzt sie in Daten und Informationen über einen anzustrebenden Produktionsablauf um und steuert auf diese Weise nicht mehr allein Arbeit, sondern den Produktionsprozess in seiner Gesamtheit mit seinen technischen, sozialen und organisatorischen Elementen in der betrieblichen wie auch überbetrieblichen Dimension. Die Spezifika dieser Kategorie verdeutlichen Brandt et al. mit der Formulierung: »Organisierung heißt (…) nicht nur Veränderung des materiellen Produktionsgefüges, sondern zugleich Entwicklung eines betrieblichen Informationsprozesses, über den die Steuerungsfunktionen, die aus der unmittelbaren Sphäre der einzelnen Teilarbeiten herausgenommen worden sind, zentral koordiniert und gelenkt werden können.« Daher »ist der Informationsprozeß (…) ein die materielle Produktion organisierender Prozeß und die damit verbundene Informationstechnologie eine Organisationstechnologie der materiellen Produktion.« (ebd., S. 64 ff.)

      In leicht modifizierter Weise lassen sich daher die damaligen Bestimmungen von Organisationstechnologie auch für die aktuelle Debatte und die Funktionen von digitalen Technologien übernehmen:

      • Organisationstechnologie ist nicht nur auf Teilprozesse zugeschnitten, sondern bezieht sich auf einen organisatorischen Gesamtzusammenhang der Produktion;

      • ihre Funktion besteht darin, Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu steuern und nicht die Produktion direkt auszuführen; und

      • sie schafft keine Produktionskapazitäten, sondern nutzt vorhandene Kapazitäten aus und optimiert diese nach vorgegebenen Kriterien.

      Die besondere ökonomische Bedeutung der solchermaßen verstandenen Organisationstechnologie lässt sich dabei vornehmlich auf mehrere Rationalisierungsziele zurückführen: die Synchronisation von Teilarbeiten und die Integration des Produktionsprozesses zu einem Kontinuum, die Eliminierung unproduktiver Zeiten und die massive Beschleunigung der Prozesse sowie ihre gleichzeitige Standardisierung und Flexibilisierung (vgl. Benz-Overhage et al. 1982, S. 40). Im Verlauf der industriesoziologischen Debatte wurden Ende der 1980er Jahre ähnliche Überlegungen von Norbert Altmann, Dieter Sauer et al. mit der Kategorie der »Systemischen Rationalisierung« gefasst (vgl. Altmann et al. 1986).

      Diese Bestimmungen lassen sich unmittelbar mit der Vision Industrie 4.0 verknüpfen. So wird mit Industrie 4.0 insbesondere auf die Bewältigung schnell wachsender Flexibilitätsanforderungen der Absatzmärkte, eine zunehmende Individualisierung der Produkte, kürzer werdende Produktlebenszyklen sowie eine steigende Komplexität der Prozessabläufe und Produkte abgestellt. Die bisherigen technologischen und wirtschaftlichen Grenzen des Einsatzes von Produktionstechnologien sollen angesichts steigender Flexibilitätsanforderungen der Absatz- und Zuliefermärkte deutlich hinausgeschoben werden. Acatech folgend ist das Ziel des Konzepts Industrie 4.0 eine Individualisierung von Produkten: »Industrie 4.0 ermöglicht die Berücksichtigung von individuellen kundenspezifischen Kriterien bei Design, Konfiguration, Bestellung, Planung, Produktion und Betrieb einschließlich kurzfristiger Änderungswünsche. Dank Industrie 4.0 kann dabei selbst die Produktion von Einzelstücken und Kleinstmengen (Losgröße 1) rentabel werden.« (Forschungsunion/acatech 2013, S. 19) Zudem soll es möglich werden, Geschäftsprozesse und Lieferketten im Hinblick auf Qualität, Zeit, Risiko, Robustheit, Preis, Umweltverträglichkeit etc. dynamisch zu gestalten. Dieser Perspektive zufolge werden sich daher herkömmliche Wertschöpfungsketten in Richtung verstärkter Markt- und Serviceorientierung verändern und neue Geschäftsmodelle etablieren. Grundsätzlich wird erwartet, dass Betriebe damit eine neue Qualität der flexiblen technisch-organisatorischen Prozessgestaltung erreichen, die den dynamisch sich wandelnden Marktbedingungen Rechnung trägt.

      Obgleich man annehmen darf, dass die zunehmende Dominanz marktökonomischer Anforderungen einen generellen Trend bezeichnet, ist davon auszugehen, dass dieser sich empirisch-konkret in verschiedenen Industrien in sehr unterschiedlicher Weise ausprägt. Intervenierende Faktoren sind hier unterschiedliche markt- und betriebsstrukturelle Bedingungen, wie sie sich etwa in Merkmalen wie Kundenbezug und Absatzstrategien, Seriengröße und Produktstrukturen, aber auch unterschiedlicher Technologieintensität und Betriebsgröße darstellen. Entsprechend ungleichzeitig und verschieden sind auch die je konkrete Nutzung und die Funktionsweisen digitaler Technologien als Organisationstechnologie. Es liegt auf der Hand, dass sich für Arbeit damit sehr divergierende Gestaltungsoptionen und Trends verbinden.

      2.4 Kontingentes Verhältnis von Technik und Arbeit

      Zu diskutieren ist abschließend, welche Konsequenzen sich aus den skizzierten Besonderheiten und Perspektiven digitaler Technologien für die – arbeitssoziologisch alte und nun wieder aktuelle – Frage nach dem Verhältnis von Technik und Arbeit ergeben und inwieweit die früheren Argumente für eine Abkehr vom Technikdeterminismus präzisiert werden müssen. Fraglos haben die früheren kritischen Einwände gegen eine lineare und eindimensionale Sicht der Determinierung von Arbeit durch technologische Bedingungen bis heute ihre Triftigkeit nicht eingebüßt, ja sie gewinnen unter den Bedingungen smarter digitaler Technologien eine neue Aktualität. Die Entwicklung von Arbeit unterliegt, um ein Argument von Joachim Bergmann (1989, S. 42 f.) aufzugreifen, einer »mehrfachen Kontingenz«, die in den oben skizzierten Zusammenhängen begründet ist:

      • Zum ersten ist die Kontingenz der Entwicklung von Arbeit Resultat der gerade auch durch digitale Technologien vorangetriebenenschnellen Automatisierung


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