Personal, Team- und Konfliktmanagement. Ute Reuter

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aus der Radiotechnik auf die menschliche Kommunikation übertragen (image Abb. A.1).

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      Sender-Empfänger-Modelle verstehen unter Kommunikation einen Prozess, bei dem eine innere Repräsentation (z. B. die Definition des Wortes Kommunikation) mit Hilfe eines Codes (z. B. Sprache) verschlüsselt wird. Der verschlüsselte Code wird über den Kommunikationskanal zum Empfänger geleitet und muss von dort wieder entschlüsselt werden. Die Entschlüsselung wird auch als Dekodierung bezeichnet. Sender-Empfänger-Modelle zielen demnach überwiegend auf ein umfassendes Verständnis bzgl. der Verschlüsselung, Übertragung und Entschlüsselung von Mitteilungen ab. Sie versuchen, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie eine Botschaft optimal übermittelt werden kann. Dieser Vorgang der Übermittlung von Nachrichten wurde von verschiedenen Kommunikationswissenschaftlern erforscht und in Modellen dargestellt. Bühler (1934) z. B. unterscheidet drei verschiedene Aspekte von Sprache: den Aspekt der Darstellung, den Aspekt des Ausdrucks und den Aspekt des Appells. Watzlawick u. a. (1969) wiederum unterscheiden zwischen zwei Aspekten: dem Inhaltsaspekt und dem Beziehungsaspekt von Nachrichten. (vgl. Schulz von Thun, 2018d: 33) Eines der bekannteren Modelle dieser Art ist das »4-Ohren-Modell« von Schulz von Thun (image Kap. A 3.6.4.2).

      In den Kommunikationsmodellen wird sowohl dem psychosozialen Gehalt einer Nachricht Gewicht zugeschrieben als auch dem sachlich-faktischen Inhalt (vgl. Schulz von Thun, 1999: 134 ff). Wenn widersprüchliche emotionale Signale gesendet werden, kann ein Gesprächspartner nicht einschätzen, wie etwas gemeint ist. Dann spielen Körpersignale und Stimme, Lautstärke und Melodie sogar eine wichtigere Rolle für das Verständnis als der Inhalt. (vgl. Mehrabian, 1981: 73 ff) Zudem wird deutlich, dass ein bedeutender Teil dessen, was in der Kommunikation geteilt wird, nicht unbedingt nur über die verbalen Aspekte passiert. Diesem Umstand geschuldet, gehen die psychologischen Kommunikationsmodelle der Frage nach, welche Einflussquellen es gibt. Eric Berne hat mit seinem Modell der Transaktionsanalyse dazu einen wichtigen Beitrag geleistet (image Kap. C 3.2.1). Darüber hinaus hat sich Virgina Satir mit den kongruenten und inkongruenten Kommunikationsstilen und ihren Wirkungen beschäftigt (image Kap. A 3.2.3).

      Mit dieser individualpsychologischen Perspektive auf Kommunikation stehen die Methoden der Ermöglichung von Verstehen im Fokus der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter (image Kap. A 3.6.2 und image Kap. A 3.6.4.3) und ebenfalls beim Lösen von Konflikten (image Kap. C 7.2).

      Zudem kann Kommunikation nur kontextgebunden verstanden werden. »Und als Kontext fungiert zunächst das, was das eigene Wahrnehmungsfeld bereitstellt« (Luhmann, 1987: 217). Wie die Prozesse der Wahrnehmung wirken, wird ausführlicher in Kapitel C 3.1 erläutert.

      1.1.2.3 Die systemtheoretische Perspektive auf Kommunikation

      Im Regelfall betrachten die Ansätze des Personalmanagements die Mitarbeiter einer Organisation aus der psychologischen bzw. Individuum-zentrierten Perspektive. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass Mitarbeiter auch Mitglieder einer Organisation sind. Und Organisationen sind soziale Systeme, die mit ihren Strukturen und Prozessen den Mitarbeiter beeinflussen. An dieser Stelle wird die systemtheoretische Perspektive als Kontrast eingefügt. Die Kommunikation und deren Einfluss auf die Mitglieder werden im Folgenden als einer der Hauptprozesse in Organisationen unter die Lupe genommen.

      Wenn der Akt der Kommunikation aus der systemtheoretischen Perspektive näher betrachtet wird, fällt ein entscheidender Unterschied zu anderen Modellen der Kommunikation auf. In Sender-Empfänger-Modellen wird angenommen, die Kommunikation übertrage Informationen vom Absender auf den Empfänger. Damit suggerieren sie, dass der Absender etwas weggibt, was der Empfänger erhält. Darüber hinaus liegt der Fokus auf der Geschicklichkeitsanforderung des Mitteilenden.

      Niklas Luhmann, der Vater der deutschen Systemtheorie, gibt diese Metapher auf. Nach Luhmann ist »diese Dingmetaphorik des Habens, Gebens und Erhaltens ungeeignet« (Luhmann, 1984: 193). »Die Mitteilung ist nichts weiter als ein Selektionsvorschlag« (Luhmann, 1984: 194).

      Niklas Luhmann macht das deutlich mit seinem Kommunikationsmodell: Kommunikation ist die Einheit von

      • der Selektion der Information,

      • der Selektion der Mitteilung und

      • der Selektion des Verstehens (vgl. Luhmann, 1987: 194).

      Luhmann bezeichnet in seinen Erläuterungen den Adressaten einer Mitteilung als »Ego« und den Mitteilenden als »Alter« (Luhmann, 1987: 195). Dieses Verstehen – als selektive Aktualisierung einer Differenz von Mitteilung und Information – ist etwas anderes als ein psychisches Verstehen. Verstehen innerhalb der Operation Kommunikation heißt: Eine Mitteilung und eine Information werden unterschieden und zugeschrieben. Verstehen heißt nicht, die Gefühle, Motivationen, Gedanken des anderen zu erfassen, wie es in den psychologischen Ansätzen gemeint ist.

      Die Selektion der Annahme des Verstehens liegt beim Ego. Das Ego kann die Mitteilung annehmen oder auch nicht. D. h. das Ego nimmt die Mitteilung als solche an und deklariert das, was es hört, nicht als Rauschen. Erst im Verstehen, nicht schon bei der Mitteilung, kommt Kommunikation zustande. Die dritte Selektion bedeutet: verstehen, dass es sich um eine Mitteilung handelt, nicht jedoch richtig verstehen, welchen Inhalt einem jemanden mitteilt bzw. welchen Sinnvorschlag jemand macht. Ego versteht das, was er von Alter hört oder sieht, als Mitteilung. Er interpretiert es als Mitteilung und damit als gewollt – nicht etwa als versehentliches Geräusch oder zufälliges Verhalten. Im Extremfall sogar: Er unterstellt, dass der andere die Absicht hat, ihm etwas mitzuteilen. Egos Selektion enthält Alters Selektionen eins und zwei. Es ist eine Synthese, also etwas völlig anderes als eine Summe der Handlungen von zwei Akteuren. Eine Mitteilung verstehen bzw. eine mitgeteilte Information verstehen ist damit immer Verstehen von Differenz. Das trägt den Hinweis auf eine mögliche Irritation, ein Defizit, einen Risikofaktor in sich: Was hat der andere zur Mitteilung ausgewählt und warum? Was hat er nicht ausgewählt? Warum sagt er mir das gerade jetzt und gerade so?

      »Daher setzt Kommunikation einen alles untergreifenden, universellen, unbehebbaren Verdacht frei« (Luhmann, 1987: 207). Jedes psychische System holt sich Informationen auf dem Weg über einfache, direkte, unmittelbare Wahrnehmungen. Das Ergebnis sind wahrgenommene Informationen. Von denen muss man den Eindruck haben, sie seien vollständig und unbedingt zutreffend: Schließlich traut man ja seinen eigenen Augen und Ohren, seinem Wahrnehmungsapparat. Auf dem Weg über Kommunikation bekommt man ebenfalls Informationen. Das Ergebnis sind mitgeteilte, d. h. durch eine andere Instanz selektierte Informationen. Es liegt nahe, das, was diese andere Seite vorher wahrgenommen und davon aus irgendwelchen Gründen mitgeteilt hat, keineswegs zweifelsfrei für vollständig und unbedingt zutreffend zu halten. Für das Bewusstsein der Beteiligten sind die Wege grundverschieden, die Ergebnisse grundverschieden und die Konsequenzen grundverschieden. In der dritten Selektion sind die erste und zweite Selektion enthalten. Darum ist sie die entscheidende. Und das ist der


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