Personal, Team- und Konfliktmanagement. Ute Reuter

Personal, Team- und Konfliktmanagement - Ute Reuter


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agiert. Die Kommunikation wird sozusagen von hinten her ermöglicht, gegenläufig zum Zeitablauf des Prozesses. Ego versteht oder unterstellt, dass es etwas mitgeteilt bekommt. Es bedeutet nicht inhaltliche Verständigung. Alter und Ego müssen die Mitteilung, das, was mitgeteilt wird, nicht gleichsinnig verstehen. Sie müssen sich nicht einig sein. Konsens ist nicht erforderlich. (vgl. Fürst/Sukowski, 2018: 14 ff)

      Charakteristisch für Kommunikation ist ihre Selektivität. Kommunikation heißt, zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen zu müssen. Dabei ist jede Selektionsentscheidung kontingent und damit auch immer anders möglich. Kommunikation ist Prozessieren von Selektion. Kommunikation ist ganz allgemein dazu da, eine Information mitzuteilen, die auch anders ausfallen könnte. Die ersten beiden Selektionen liegen bei Alter, die Dritte bei Ego. Zwei Akteure in drei Akten lassen sich beobachten und beschreiben. Die Selektion bezieht sich sowohl auf das Was als auch auf das Wie. Eine Mitteilung ist also immer eine Selektion: eine Entscheidung für eine bestimmte Information, gegen andere mögliche, für bestimmte inhaltliche Sinnvorschläge und formale Darstellungsweisen gegen andere mögliche. (vgl. Luhmann, 1987: 195)

      Kommunikation ist robust, sie ist nicht unterzukriegen und gleichzeitig so formelastisch, dass sie passt, so lange es Gesellschaft gibt. Kommunikation ist stabil genug, um sich durchzusetzen, was immer nun passiert, ob sich ein Börsencrash ereignet oder was auch immer. Es kann immer noch darüber geredet werden, es kann immer noch kommentiert werden (vgl. Fürst/Sukowski, 2018: 13). Die Kommunikation ist wie das Leben eine sehr robuste, qua Autopoiesis formelastische Erfindung der Evolution. Ein autopoietisches System ist ein selbstreferentiell- zirkulär geschlossener Zusammenhang (vgl. Krause, 1999: 198).

      Daher ist Kommunikation von zentraler Bedeutung für den Fortbestand einer Organisation. Aus systemtheoretischer Perspektive besteht eine Organisation nicht aus Mitarbeitern, sondern aus dem, was sie miteinander teilen; nämlich Kommunikation und Entscheidungen. Ein Mitarbeiter (= das psychische System) kann wahrnehmen. Die Organisation (= das soziale System) kann nicht wahrnehmen. Eine Organisation muss sich auf das verlassen, was die Mitarbeiter an Wahrnehmungen in der Kommunikation zur Verfügung stellen. Mitarbeiter nehmen Fehler wahr und können Prozesse optimieren, wenn diese Wahrnehmung in der Kommunikation geteilt wird. Mitarbeiter haben Vorstellungen von Zielen, die, wenn sie kommunikativ geteilt werden, zu Zielen für die Organisation werden können.

      Nun gibt es einen interessanten Unterschied in der Kommunikation. Das psychische System, der Mitarbeiter, erwartet in der Kommunikation bei der Annahme also, dass das Gegenüber, der andere, ihn versteht. Für das soziale System ermöglicht eine Nicht-Annahme in der Kommunikation, dass die Kommunikation fortgeführt wird. Psychische Systeme kommunizieren solange, bis die Erwartung, dass das Gegenüber versteht, gelingt. Für das soziale System bedeutet dies Fortbestand, weil die Kopplung über Kommunikation gelingt. Wenn psychische Systeme sich in der Kommunikation schnell angenommen fühlen, also verstanden werden, gibt es keine Anschlusskommunikation und das soziale System der Organisation verliert seinen Klebstoff.

      Luhmann weist darauf hin, dass auch die Sprache als fundamentales Kommunikationsmedium keineswegs dem Konsens den Vorzug gibt: Sprachlich ist es ganz gleichgültig, ob man ja oder nein sagt. Anders als bei konventionellen Definitionen und in der Alltagsauffassung ist bei Luhmann eine erfolgreiche inhaltliche Verständigung keineswegs Ziel von Kommunikation. Kommunikation ist nicht auf Konsens angelegt, auch nicht auf Dissens. Kommunikation ist Differenz. Diese Theorie muss vor allem offenlassen, ob man zu dem Verstandenen Ja oder Nein sagt. (vgl. Luhmann, 1987: 209 ff)

      Kommunikation ist praktisch immer ein Missverstehen – ohne Verstehen »des Miss«. Wenn Kommunikation Konsens zum Ziel hätte, was wäre die logische Konsequenz, wenn Ziel und Zweck erreicht sind? Der Lauf würde enden! Konsens hergestellt – Kommunikation fertig! Das soziale System, das nur durch Kommunikation existiert, hätte sich selbst das Ende bereitet (vgl. Fürst/ Sukowski, 2018: 16). Kommunikation führt immer in einen Raum, mit offenem Ausgang und erst diejenigen, die ihre Wahrnehmungen in diesem Akt zur Verfügung stellen, tragen zu diesem Akt und seinem Fortbestand bei. Die systemtheoretische Perspektive ist für das vorliegende Buch insofern weiter relevant, weil sie die in Kapitel C.5 beschriebenen Dynamiken im Konfliktgeschehen in ein anderes Licht rückt. Die Ansätze der Verhandlung werden bereits im folgenden Kapitel betrachtet, weil sie einen methodischen Ansatz liefern, den Akt der Kommunikation wirksam zu gestalten.

      1.1.3 Verhandlungslösungen finden

      Mit den umfassenden Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt sowie dem Megatrend der Individualisierung ist die Verhandlungsfähigkeit von Führungskräften und Mitarbeitern als zunehmend erfolgskritisch zu betrachten. Dabei spielt die gestiegene Entscheidungsautonomie des Menschen in der heutigen Welt eine wichtige Rolle. Anders als in den vergangenen Jahrzehnten werden fremdgeleitete Entscheidungen nicht mehr ohne das eigene Zutun einfach akzeptiert. Menschen sind es gewohnt, Entscheidungen und Verhandlungen mittragen und steuern zu können. Durch die Zunahme an Entscheidungsverantwortung und komplexer werdende Umweltfaktoren steigt sowohl das Konfliktpotential als auch die Konflikttoleranz. (vgl. Fisher u. a., 2002: 9)

      Verhandlungen werden immer einen beachtlichen Bestandteil des menschlichen Miteinanders im Unternehmenskontext ausmachen. Mit folgenden Beispielen soll die Pluralität an Verhandlungen verdeutlicht werden, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit in einem Unternehmen relevant sein können:

      • Die Übereinkunft über den Kaufpreis für ein Grundstück, auf dem eine neue Fabrikhalle gebaut werden soll.

      • Die Verhandlung zweier Teammitglieder über die Wahl des (besten) Softwaretools für die Durchführung einer Videokonferenz.

      • Die Diskussion über die Gehaltserhöhung mit der Vorgesetzten.

      • Die Verhandlung zwischen zwei Anwälten von gegnerischen Unternehmen über die Schuldfrage im Rahmen eines Patentstreits.

      Die Anzahl der Verhandlungen wächst dabei stetig. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Mehrzahl der Verhandlungen zu einem für das Unternehmen und für die Mitarbeiter positiven Ergebnis führt. Hierzu bedarf es der Anwendung verschiedenster Verhandlungslösungen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Schritte des Harvard-Konzepts des Verhandelns näher eingegangen und es wird deren theoretischer und praktischer Nutzen aufgezeigt.

      1.1.3.1 Das Harvard-Konzept des Verhandelns

      Unter dem 1981 erschienen Originaltitel »Getting to yes« (in deutscher Übersetzung mit dem Titel »Das Harvard-Konzept«) brachten die Autoren Roger Fisher und William L. Ury einen Klassiker der Verhandlungstechnik heraus. Neben den beiden genannten Autoren war Bruce Patton, der Mitbegründer des Harvard Negotiation Projects, an der Veröffentlichung beteiligt. Mehr als 30 Jahre später ist diese Veröffentlichung noch immer ein ernstzunehmender Bestandteil der Gesprächsführung in Verhandlungen.

      Es ist nicht die Technik, mit der das Harvard-Konzept besticht, eher die Philosophie hinter den sachbezogenen Verhandlungsschritten, um eine konstruktive Einigung in (potentiell konfliktbehafteten) Verhandlungssituationen herbeizuführen – eine Win-Win-Situation (»Doppelsieg-Strategie«) für beide Verhandlungsparteien. Dabei versucht die Anwendung des Harvard-Konzepts nicht nur, das bestmögliche Ergebnis in der Sache zu erzielen, sondern auch die persönliche Beziehung der Verhandelnden aufzuwerten und die Beziehung zwischen den Verhandlungsparteien zu verbessern bzw. zu stärken.

      Die Anwendung des Harvard-Konzepts bietet neben den weichen und harten Verhandlungsarten eine weitere Alternative. Im Rahmen des Harvard Negotiation Projects wurde die »Methode des sachbezogenen Verhandelns« entwickelt – eine Verhandlungsstrategie, die Konfliktsituationen nach ihrem Sachgehalt bewertet und darauf abzielt, das optimale Verhandlungsresultat mit anhaltender Beziehungsverbesserung zu erreichen. Fisher u. a. (2002: 20 ff) betonen, dass das Harvard-Konzept »hart in der Sache, aber weich gegenüber dem Menschen« ist und daher eine unter allen Gegebenheiten offene, ehrliche Verhandlungsmethode, die auf fairen und objektiven Prinzipien basiert. Das Harvard-Konzept besteht aus vier Grundprinzipien:

      • Menschen: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln!

      •


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