Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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heute als morgen. Aber sagen Sie mir, wo man heute noch eine Landpraxis findet, die einigermaßen ihren Mann ernährt.«

      »Bei uns in der Kreisstadt. Unser Tierarzt geht in Pension. Er hat amtliche Funktionen und eine Praxis. Aber ich weiß natürlich nicht, ob der Posten inzwischen schon vergeben ist.«

      »Können Sie sich für mich erkundigen?«, fragte Gert Rhode mit lebhaftem Interesse. »Ich besitze genügend Kapital, um mich gegebenenfalls einkaufen zu können. Die nötigen Qualifikationen bringe ich auch mit. Sogar in Fleischbeschau und Schlachthoffragen bin ich bestens beschlagen und kann die erforderlichen Zeugnisse vorweisen.«

      »Ich will gern nachfragen, Dr. Rhode. Manchmal haben scheinbar zufällige Begegnungen einen besonderen Sinn. Ich dachte, es sei ein Segen für meinen Uwe, dass er mit Ihrem Töchterchen spielen kann und dass Gunni nun wirklich bleibt. Nun bietet sich mir unter Umständen die Möglichkeit, auch Ihnen einen Gefallen zu erweisen. Ich werde unseren alten Tierarzt am besten noch von Sophienlust aus anrufen, wenn Ihnen die Sache ernst ist. Man soll bekanntlich keine Zeit verlieren, wenn man etwas erreichen will.«

      »Telefonieren Sie! Ich wollte Sie schon darum bitten. Vielleicht kann ich mich telefonisch bewerben und die nötigen Unterlagen später nachreichen. Du meine Güte, ich wage noch gar nicht, mir Hoffnungen zu machen. Es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.«

      »Jubilieren Sie bitte nicht zu früh, Doktor. Es ist durchaus möglich, dass wir hier nichts als ein Luftschloss bauen, in das man leider nicht einziehen kann.«

      Vor ihnen bog Dr. von Lehn nun von der Straße ab. Sie folgten dem anderen Wagen und hielten einige Minuten danach vor dem Portal eines imponierenden kleinen Schlosses, das im Stil einer mittelalterlichen Trutzburg erbaut war und sogar einen Turm mit Wahrzacken aufwies.

      »Toll«, staunte Beate. »Ob das wirklich so alt ist, wie es aussieht?«

      »Ja. Das ist auch ein Grund, warum wir mitfahren. Dieses kleine Schloss stellt eine altertümliche Kostbarkeit in dieser Gegend dar. Die Eigentümerin soll ganz reizend sein. Sie züchtet Rassepferde und kann sich diesen Luxus leisten, weil sie unendlich reich ist. Der Stall wird von meinem Kollegen Hans-Joachim von Lehn betreut.«

      Sie kamen an diesem Nachmittag voll auf ihre Kosten. Sie bewunderten die gepflegten Stallungen und sahen die herrlichen Pferde auf den weiten Wiesenkoppeln. Sie schauten zu, wie Dr. von Lehn das erkrankte Tier sachkundig behandelte, und sie wurden in einem dämmerigen Speisesaal unter uralten Ahnenbildern mit englischem Tee, Toast, Schinken, Kuchen, Gelee und anderen Köstlichkeiten bewirtet. Die Kinder bekamen viel Milch und Zucker in den Tee, die Erwachsenen nahmen nur wenig, um das köstliche Aroma des Getränks zu genießen.

      Die Schlossherrin hatte graues Haar, darunter jedoch ein jugendliches, freundliches Gesicht und lebhafte, strahlende Augen. Sie freute sich, dass ein zusätzlicher Gast an ihrer langen Tafel saß.

      Nick stellte hundertundeine Frage nach der Pferdezucht, und Uwe spitzte die Ohren.

      »Viel anders wäre es bei einer Zucht mit Liliputpferdchen auch nicht. Wenn Onkel Gert unser neuer Tierarzt wird, dann hätten wir auch gleich den richtigen Doktor, der uns hilft, wenn die Fohlen kommen oder wenn ein Pferd einmal krank würde«, erklärte Uwe voller Eifer.

      Beate Breuer sah Dr. Rhode erstaunt an. Auch der Doktor war verwundert.

      »Hast du denn gehört, was wir miteinander besprochen haben?«, fragte Beate ihren Sohn.

      »Hm, ihr habt doch ganz laut darüber geredet, dass du telefonieren willst, um keine Zeit zu verlieren.« Uwe sagte es in aller Unschuld. Von der Zucht der Liliputpferde war plötzlich nicht mehr die Rede.

      Die Gastgeberin mischte sich ein. »Wenn es so eilig ist, wollen wir die Sache nicht aufschieben. Falls Sie telefonieren möchten, Frau Breuer, steht Ihnen mein Apparat natürlich gern zur Verfügung.«

      Beate kramte in ihrer Handtasche. Sie hatte ihr Notizbüchlein bei sich, in dem Adresse und Telefonnummer des Tierarztes in der Kreisstadt für alle Fälle sorgsam notiert waren. So konnte sie das wichtige Gespräch sofort führen. An einem altertümlich geschnitzten Eichenschreibtisch wartete sie, bis sie mit dem Tierarzt, der im Garten gewesen war, verbunden werden konnte. Zuerst glaubte er, sie wolle ihn auf den Heidehof rufen. Dann erst verstand er, worum es sich handelte. Die Auskunft, die Beate erhielt, war erfreulich. Mit zufriedenem Gesicht kehrte sie ins Speisezimmer zurück, um Bericht zu erstatten.

      »Ich habe mir die Adresse notiert, Dr. Rhode. Sie sollen sich sofort telefonisch bewerben. So viel unser guter Tierarzt weiß, ist die Stellung noch nicht vergeben. Natürlich hat er keinen Einfluss auf die amtliche Entscheidung. Aber er wird gern auf Ihre Bewerbung hinweisen. Außerdem hat er gehört, dass sich bisher nur sehr wenige Kollegen interessiert haben und dann wieder abgesprungen sind. Tierärzte gehen zwar gern aufs Land, aber die Lüneburger Heide ist den meisten jüngeren Herren dann doch zu abgelegen und einsam. Man kann schließlich nicht zu jedem Wochenende nach Hamburg fahren.«

      »Mir wäre die Lüneburger Heide schon recht. Ich werde telefonieren. Wer nicht wagt, der gewinnt auch nicht.«

      Zum zweiten Mal bot die Gutsherrin ihr Telefon an, damit das Telegramm ohne Verzögerung aufgegeben werden konnte. Von einem eichenen geschnitzten Schreibtisch aus, an dem eben noch Beate Breuer gesessen hatte, formulierte Dr. Rhode seine Bewerbung.

      »Viel Glück, Doktor«, sagte Denise von Schoenecker herzlich, als er sich wieder zu den anderen gesellte. »Ich habe das Gefühl, dass es klappen wird.«

      »Danke, Frau von Schoenecker. Im Augenblick will ich jedoch nicht zu optimistisch sein, sonst ist die Enttäuschung nachher gar zu groß.«

      »Gute Wünsche schaden nicht«, schaltete Beate sich herzlich ein. Sie war seit langer Zeit nicht mehr so heiter und unbeschwert gewesen wie an diesem Nachmittag auf dem kleinen mittelalterlichen Schloss.

      Erst am Abend, als Beate wieder das gemütliche Gastzimmer auf Gut Schoeneich bezogen hatte und aus dem Fenster hinüber nach Sophienlust blickte, legte sie sich die Frage vor, warum sie an diesem Freitagnachmittag so glücklich gewesen war. Schoenborn und Schoeneich, diese Namen sind recht ähnlich, überlegte sie. Liegt darin eine besondere Bedeutung?

      Sie schüttelte den Kopf. Nein, mit Schoenborn und Schoeneich hatte es nichts zu tun. Das waren Namen, die offenbar in dieser Gegend häufig vorkamen. Es kam auch nicht daher, dass alle Leute heute so besonders freundlich zu ihr gewesen waren. Es war vielleicht die Aussicht, dass Dr. Rhode als Tierarzt ganz in ihre Nähe kommen würde. Sie musste sich zwar sagen, dass er nichts, aber auch gar nichts, mit ihr persönlich zu tun hatte, aber trotzdem blieb ein Restchen von heimlicher Hoffnung in ihrem Herzen, dass der Doktor nicht allein wegen seiner Vorliebe für eine Landpraxis so spontan seine Bewerbung auf den Weg geschickt habe.

      *

      Zur gleichen Stunde saßen Hans-Joachim von Lehn und Gert Rhode bei einem letzten Glas Wein beisammen.

      »Man kann dir nur die Daumen halten, Gert«, erklärte Hans-Joachim. »Natürlich müsstest du dir die Gelegenheit an Ort und Stelle ansehen. Aber es ist anzunehmen, dass es sich um eine gute Praxis handelt. Denn Frau Breuer sieht so aus, als wisse sie, wovon sie redet.«

      »Eine fantastische Frau«, versetzte Gert Rhode nachdenklich. »Ist sie eigentlich geschieden?«

      Hans-Joachim hob die Schultern. »Keine Ahnung. Häusliche Schwierigkeiten, deutete meine Schwiegermutter an. Ob sie mehr weiß, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie wäre nämlich die Letzte, die die Familienangelegenheiten anderer Leute herumtragen würde. Immerhin würde ich dir raten, dir nicht gleich Hoffnungen auf Frau Breuer zu machen. So glatt geht nichts im Leben. Gestern hast du dir eine Landpraxis gewünscht, gleich übermorgen findest du eine und dazu noch eine Frau und einen Stiefsohn, der sich für Tierarztprobleme aufrichtig interessiert und auch mit deinem Töchterchen besonders gut harmoniert. So etwas gibt es nicht einmal im Kino. Es wäre ganz einfach zu schön, um wahr zu sein.«

      Andrea war schlafen gegangen. Sie hatte tüchtig im Haushalt geschafft, war müde gewesen und hatte sich deshalb entschuldigt. So konnte Gert Rhode ohne Scheu


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