Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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Holz.«

      Er schubste sie grob vor sich her bis hinüber zum Felsen, stieß sie dagegen und ließ sie gleichzeitig los, so dass ihr Kopf mit Schwung gegen den Fels prallte. Der kurze Augenblick ihres Schmerzes genügte ihm, um den Dolch gegen die Axt zu tauschen und eine Position zu beziehen, die sie zwischen dem Fels und seiner Axt einklemmte. Sie erkannte ihre Lage, nachdem sie sich die Schmerztränen aus den Augen gewischt hatte. Sie sah sich wild nach einer Fluchtmöglichkeit um, rührte sich aber nicht von der Stelle.

      Was er da aus dem Wald gefischt hatte, erzürnte Thork. Er konnte die Menschen nicht leiden. Kein vernünftiger Zwerg konnte das. Wie sollte man auch ein Volk leiden mögen, das sich benahm, als gehörte die Welt ihm allein, das sich in erschreckendem Tempo vermehrte und ausbreitete, hässliche Städte baute, freie Wanderer mit Wegezoll belästigte, grundlos blutige Kriege führte und die Zwerge immer weiter in Gebirge und Stein zurück drängte, eine Umgebung, die unter Menschen als lebensfeindlich galt, was nach der Meinung der Zwerge ein Glück war. Thork hatte auf seinen Reisen genug Menschen getroffen, um all die üblen Geschichten bestätigt zu finden, und darüber hinaus empfand er die Menschen, selbst wenn sie sich gerade friedlich verhielten, als überaus anstrengend. Sie lebten ihr Leben in einem Tempo, das ihn schwindelig machte. Alles musste sofort getan werden, nichts hatte Zeit zu reifen und sich zu entwickeln. Sie verbrachten jeden Augenblick getrieben von der Kürze ihrer Lebensspanne, als säße der Tod ihnen bereits im Nacken. Kämpfe mussten härter sein, Trinken und Feiern musste rauschhafter sein, Streit musste lauter sein, Gefühle mussten intensiver sein, größer, besser, schneller, weiter. Besonders ausgeprägt war dieser Zug bei den jungen Menschen. Es würde unvermeidlich Ärger geben mit dieser jungen Frau.

      Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihr Gesicht zu betrachten, in dem der Waldboden dunkle Flecken hinterlassen hatte.

      Er atmete ein und wieder aus, tief, ganz ruhig, unbewegt.

      Götter, war sie schön.

      Dort, wo sie nicht von Erde braun gefärbt war, schimmerte ihre Haut wie heller Marmor. Ihre Augen waren groß und dunkel und ein wenig mandelförmig, und zügellose Wut stand in ihnen zu lesen. Ihr Mund zitterte vor Anspannung, das Kinn hatte sie trotzig nach vorne geschoben. Die Götter mochten wissen, was sie anrichten konnte, wenn sie lächelte.

      Ihre Kleidung verriet ihm, dass sie zu den Fahrenden gehören musste, den Sidarthi, wie sie sich selbst nannten, einem Volk, das zu allem sonstigen Übel auch noch Umgang mit Pferden pflegte. Thork verabscheute Pferde beinahe mehr als Menschen.

      Vielleicht war er für einen winzigen Augenblick abgelenkt, jedenfalls hielt sie plötzlich ein langes, schmales Messer in der Hand. Als er bemerkte, wie sie es aus ihrem Stiefelschaft zog, war es schon zu spät.

      »Du Dreckskerl«, keuchte sie. »Du hättest mich töten sollen, so lange es noch möglich war. Ich werde dich aufschlitzen!«

      »Mit diesem Spielzeug? Das ist nicht dein Ernst«, entgegnete er abfällig, obwohl er sehr wohl erkannte, dass die schmale, biegsame Klinge gut dazu geeignet war, sein Kettenhemd zu durchdringen.

      Ganz offenbar war es ihr Ernst, denn ein blitzartiger Angriff von ihr zwang ihn, die Axt hochzureißen und zu parieren. Sie nutzte diesen Augenblick, um sich mit einem weiten Satz aus der Klemme zwischen Felswand und Zwerg zu befreien. Er wusste nicht, ob es Dummheit oder Mut war, was sie zu einem Messerangriff gegen einen schwer bewaffneten Zwerg bewog, und sie ließ ihm keine Zeit, sich diese Frage zu beantworten, sondern setzte nach. Sie war gut, wendig und reaktionsschnell, und ihre rücksichtslose Art zu kämpfen überraschte ihn. Er musste sich eingestehen, dass er seine Gegnerin unterschätzt hatte, spätestens als sie einen Angriff durchbrachte, den er kaum hatte kommen sehen, und vor dem ihn nur sein Kettenhemd schützte.

      Er versuchte, sich für eine Kampfstrategie zu entscheiden, während er ihre Angriffe blockierte. Er durfte die Axt nicht zum Einsatz bringen. Das Blatt würde durch ihren leichten Lederpanzer fahren wie durch Butter. Er sah, wie ihre Deckung aufriss, als sie erneut versuchte, einen Treffer zu landen, und ließ die Gelegenheit verstreichen. Es schien einfach nicht richtig, diese wutschäumende junge Menschenfrau mit einem Schlag der Gelegenheit zu berauben, aus ihren Fehlern zu lernen. Eine Schwäche, möglicherweise, die man sich im Kampf besser nicht leistete. Es blieb die Hoffnung, dass sie irgendwann ermüdete – bevor er es tat.

      Er veränderte seine Position, brachte den Adlerfelsen auf seine linke Seite, um seinen blinden Bereich einigermaßen abzusichern. Allmählich verstrich mehr Zeit zwischen ihren Schlägen, sie umkreiste ihn lauernd wie eine Wölfin.

      »Vielleicht erklärst du mir zwischendurch, warum wir eigentlich kämpfen«, versuchte er es auf eine andere Art.

      Sie schnaubte wie eines ihrer Pferde und spie ihm vor die Füße.

      »Das ist doch wohl klar«, sagte sie, und ihre Stimme war angefüllt mit Verachtung. »Du hast mich angegriffen.«

      »Ich habe was? Du bist an meinem Lagerplatz herumgeschlichen, wenn ich dich erinnern darf! Ich habe nur nach dem Rechten gesehen!«

      »Du hast mir fast das Kreuz gebrochen!«

      »Ich hätte dich töten können«, erwiderte er und versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Mehr als einmal mittlerweile. Ich hab’s nicht getan, Gròr mag wissen, warum. Also, wenn du klug bist, verzieh dich einfach von meinem Lagerplatz, und wenn du zu den Göttern betest, dann danke ihnen für dein Leben.«

      »Auch ich hätte dich töten können. Ich hätte nur warten müssen, bis du schläfst.« Er sah, wie sie versuchte, ihren Atem beim Sprechen zu kontrollieren. Ihre Schultern und Arme zitterten. Auch sie war also dankbar für eine Kampfpause.

      »Dann sind wir ja quitt«, sagte er. »Ich habe kein Interesse daran, dich zu töten oder irgendetwas anderes. Jeder geht seinen Weg, und wir vergessen, dass wir uns jemals getroffen haben.«

      »Nachdem wir aber den gleichen Weg haben, wird das nicht so einfach sein«, erwiderte sie kalt und sah mit ihren sehr dunklen Augen zu ihm hinunter.

      Alarmbereitschaft flutete durch seinen Körper, der gerade begonnen hatte, sich zu entspannen.

      »Was meinst du?«

      »Der Troll.«

      Sein verbliebenes Auge verengte sich zum Schlitz.

      »Woher weißt du?«

      »Ich kam durch das Dorf am Waldrand. Heute Morgen. So wie du gestern. Ich fragte die Leute nach dem Troll, und sie sagten mir, das hätte am Vortag schon jemand getan. Ich muss sagen«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu, »ihre Beschreibung wird deiner Hässlichkeit in keiner Weise gerecht.«

      Er überhörte die Bemerkung.

      »Du willst also behaupten, du würdest dich auf Trolljagd befinden. Habe ich das richtig verstanden? Mit diesem Zahnstocher?« Er wies mit dem Kinn auf ihr Messer.

      »Du hast mein Schwert gesehen«, erwiderte sie wütend. »Und du kannst von Glück reden, dass ich dir nicht gezeigt habe, wie ich damit umzugehen weiß!«

      »Geh nach Hause, Mädchen«, sagte er. »Nimm dein Schwert mit und such dir einen Schrat zum Spielen.«

      »Nenn mich nicht Mädchen! Und nach Hause kannst du gehen, denn der Troll gehört mir.«

      »Vergiss es«, sagte er mit aller Entschiedenheit seines Zwergenwillens. »Der Troll gehört mir.«

      »Ich hatte befürchtet, dass du es nicht begreifen willst«, erwiderte sie, und er bekämpfte das spontane Bedürfnis, ihr die Herablassung mit den Fäusten auszutreiben. »Deshalb erkläre ich’s dir noch einmal im Guten. Dies ist meine Jagd. Verzieh dich in deinen komischen Berg und komm mir nicht mehr in die Quere.«

      »Mein Anrecht ist älter«, widersprach er finster. »Es ist entstanden, als deine Eltern Kinder waren.«

      »Weißt du was?« Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Das ist mir völlig egal. Ich kümmere mich nicht um das Recht. Er ist meiner, und Ende der Debatte.«

      Er hob die Axt. »Ich will dir nichts tun.


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