Historische Translationskulturen. Группа авторов

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zu Beginn dieses Zeitraumes noch nicht normiert und aufgrund der historisch gewachsenen administrativen Zergliederung stark dialektal fragmentiert, eine Etablierung als Verkehrs-, Amts- und Bildungssprache wurde noch nicht vollzogen.

      Die Übersetzungen des RGBl. stellten aber auch aus weiteren Gründen für die slowenischen Translatoren eine große Herausforderung dar. Einerseits war der enorme Umfang des RGBl. problematisch. Im Jahr 1853 umfasste es beispielsweise 1.428 Seiten. Andererseits regelten die Gesetzestexte diverse Themenbereiche. Somit mussten in der weder funktional komplett ausgebildeten noch einheitlich standardisierten slowenischen Sprache Übersetzungen von Staatsverträgen oder Gesetzen in den Bereichen Schulwesen, Landwirtschaft, Steuern, Bergbau etc. angefertigt werden. Das fast vollständige Fehlen übersetzerischer Hilfsmittel stellte ein weiteres Problem dar. In den Jahren von 1825 bis 1848 (Melik 1994: 16f.) verfassten lediglich 62 Schriftsteller Bücher oder Artikel in der slowenischen Sprache; die periodische Presse, die den Übersetzern als Paralleltext dienen konnte, war kaum vorhanden. Auch in den verfügbaren Wörterbüchern war eine terminologische Recherche fast unmöglich, denn bis zum Jahr 1860 gab es nur drei umfangreichere deutsch-slowenische und zwei slowenisch-deutsche Wörterbücher.3 Dazu sei noch angemerkt, dass die slowenischen Translatoren entweder über eine philologische oder eine juristische Ausbildung verfügten. Eine universitäre translatorische Ausbildung konnte damals hingegen nicht erworben werden. Zweifelsohne kann somit behauptet werden, dass diese historische Periode nicht nur für den Ausbau der slowenischen Standard- und Fachsprache, sondern auch für die Entwicklung des slowenischen translatorischen Handlungsfeldes von großer Bedeutung war. Dies stellen sowohl die umfangreichen Untersuchungen von Nuč (2017) im Bereich der slowenischen Übersetzungen des Reichsgesetzblattes als auch von Žigon/Almasy/Lovšin anhand der Übersetzungen von Lehrbüchern als „osrednji vir informacij […] celih generacij“4 (Žigon/Almasy/Lovšin 2017: 143) zweifelsohne fest.

      3 Korrespondenzen, Zeitungen und Fachzeitschriften

      Um die Ausprägungen der Translationskultur untersuchen zu können, wurden Korrespondenzen der Redakteure und Translatoren des RGBl. sowie Beiträge in zwei Zeitungen und zwei Fachzeitschriften analysiert, die die slowenischen Übersetzungen des RGBl. thematisieren.

      Von den Korrespondenzen als primäre Quellen wurden in der vorliegenden Untersuchung einerseits bereits veröffentlichte Briefe der slowenischen Übersetzer des RGBl., andererseits die anhand eigener Recherchen in der Handschriftenabteilung der National- und Universitätsbibliothek (NUK) in Ljubljana ermittelten 88 Briefe herangezogen.

      Von den Printmedien wurden zunächst zwei Zeitungen aus dem Zeitraum der Märzrevolution ausgewählt, die eine wichtige Rolle für die Entwicklung des slowenischen Nationalbewusstseins spielten. Die Zeitung Kmetijske in rokodelske novice (KRN) (vgl. Narodna in univerzitetna knjižnica 2016) erschien von 1843 bis 1902.1 Neben populärwissenschaftlichen und politischen Themen war eines der Hauptanliegen von KRN die Schaffung einer einheitlichen slowenischen Standardsprache. Das erste slowenische politische Blatt Slovenija (Habe 2005: 23) erschien in den Jahren 1848 bis 1850 als ein Mitteilungsblatt des Vereines Slovensko društvo (Slowenischer Verein). Die erörterten Themen waren sowohl politischer als auch literarischer Natur. Des Weiteren wurden die Fachzeitschriften Pravnik slovenski (PS) und Slovenski pravnik (SP) herangezogen. PS (Jemec Tomazin 2010: 112f.) erschien in drei Jahrgängen in der Zeit von 1870 bis 1872. Die Zeitschrift SP (Pravna fakulteta Univerze v Ljubljani 2010) wurde mit einigen Unterbrechungen von 1881 bis 1944 herausgegeben. Sowohl PS als auch SP diskutierten die Terminologie der Gesetzestexte und prägten zugleich selbst neues Fachvokabular für Bereiche, wie z.B. öffentliche Verwaltung und Gerichtswesen (vgl. ibid.: 113).

      Maßgeblich für diese Analyse sind je Redakteur die ersten drei Jahre der Redaktionszeit. Teilweise weichen die Perioden, abhängig von der Erscheinungszeit der Zeitungen und Zeitschriften, voneinander ab (siehe Tabelle 1):

Redaktionszeit KRN Slovenija PS SP
Franc Miklošič 1849 1849 1849
Matej Cigale 1849–1889 1850–1852 1850 1870–1872
Karel Štrekelj 1890–1898 1890–1892 1890–1892
Fran Vidic 1898–1918 1898–1900 1898–1900

      Tabelle 1: Analysierte Zeitungen und Zeitschriften nach Redakteuren des RGBl.

      Im Folgenden sollen jene Dimensionen der Translationskultur erörtert werden, die in den oben untersuchten primären Quellen, Zeitungen und Zeitschriften erschlossen wurden.

      4 Dimensionen der Translationskultur

      Aus den Beiträgen in den Zeitungen KRN und Slovenija sowie den Fachzeitschriften PS und SP gehen vier Dimensionen der slowenischen Translationskultur hervor: Diskurs über Sprachformen, Kooperativität bzw. translatorische Netzwerke, Sensibilisierung der Öffentlichkeit für translatorische Arbeit und Qualifikationskriterien für Redakteure.

      4.1 Diskurs über Sprachformen

      Wie bereits dargestellt wurde, war die slowenische Sprache im Jahr 1849 weder standardsprachlich normiert noch lexikalisch ausreichend differenziert. Somit stellten die Übersetzungen des RGBl. ein sprachlich und fachlich äußerst anspruchsvolles Projekt dar, durch welches allerdings eine Entwicklungsplattform für die slowenische Sprache geschaffen wurde (vgl. Prunč 2005: 28). Die linguistischen Aspekte standen somit bei der Beurteilung der Qualität der Übersetzungen im Vordergrund. Ausgehend davon soll im Folgenden der Diskurs über die sprachliche Form rekonstruiert werden, mit dem der Konsens und Dissens einzelner Zielgruppen in den beiden Zeitungen KRN und Slovenija sowie den Fachzeitschriften PS und SP zum Ausdruck gebracht wurde.

      Vor allem zu Beginn des Erscheinens des RGBl. können den beiden Zeitungen und Zeitschriften translationskulturelle Ausprägungen auf linguistischer Ebene entnommen werden. Eine detaillierte Analyse der Übersetzungsarbeit der ersten slowenischen Ausgabe des RGBl. wurde in Slovenija am 16. und 27. November veröffentlicht (vgl. Svečan 1849a: 365f.; 1849b: 377f.), in der Zeitung KRN hingegen erst am 19. und 26. Dezember 18491 (vgl. Vredništvo 1849a: 223f.; 1849b: 227f.). Svečan merkt an, dass die Übersetzungen grundsätzlich gut sind, es gibt aber zu bemängelnde Punkte (Svečan 1849a: 365).2 Seine Kritikpunkte beziehen sich insbesondere auf die Grammatik, Orthografie, Morphologie, Terminologie, Fremdwörter und die zahlreichen Druckfehler (vgl. ibid. 1849a: 366; 1849b: 377f.). Die Übersetzer sollen seiner Meinung nach darauf achten, dass in den Translaten keine morphologischen und terminologischen Besonderheiten vorkommen, die nur in einer Region des slowenischsprachigen Gebietes verwendet oder verständlich sind (vgl. ibid. 1849a: 365; 1849b: 377):

      Zatorej še enkrat: gospodi provoditeli! ne po krajnsko, ne po štajersko, ne po koroško, goriško ali primorsko – temuč vselej in povsod po občeslovensko!!3 (Svečan 1849b: 378)

      Eine bessere Übersetzung könnte seiner Meinung


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