Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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diesem Thema in Europa verfasst wurde. Die Fachliteratur in Asien ist erheblich älter. Im japanischen Kriegsministerium unterhielt der Kaiser eine selbstständige Sektion für die Falkenjagd; schon damals gab es in Japan eine umfangreiche Literatur über die Beizjagd. Kaiser Mintoku selbst war literarisch tätig geworden und verfasste ein einundachtzigbändiges Werk über Falknerei. Bei den Mongolen, traditionell der Beizjagd verpflichtet, gab es zur Zeit Dschingis Khans (ca. 1155–1227) über 7.000 Falknerfamilien, die dem Herrscherhaus unterstellt waren. In alter asiatischer Tradition wurde die Jagd auch bei den Mongolen als „Schule des Krieges“ verstanden; die Falknerei war stets eine Agenda des Kriegsministeriums und die Falkner waren in Jägerregimente gegliedert. Marco Polo, weitgereist, berichtet über die Falkenjagd Asiens in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts:

      Sie haben Falken und Gerfalken in großer Zahl, tragen den Vogel auf der rechten Faust, binden ihm einen kleinen Wurfriemen an den Hals, der herabreicht, etwa bis zur Mitte des Leibes. Wenn sie die Vögel auf Raub loslassen, drücken sie Kopf und Körper etwas nach unten.33

      Seit ca. 1304 wurde die Beizjagd Persiens zum Vorbild für die abendländische Jagd; sie wurde am persischen Hof in geradezu vollendeter Art und Weise praktiziert. Auch über den Aufwand, der in Asien für die Beizjagd getätigt wurde, berichtet Marco Polo in seinen Reiseberichten. Danach bestand das Jagdlager des chinesischen Kaisers aus mehr als 10.000 Zelten, in denen 2.000 Falkner samt allem Zubehör untergebracht waren. Der Aufwand vor der Türe Europas aber konnte sich gleichfalls sehen lassen. Die osmanischen Sultane Murad I. (1359–1389) und Sultan Bayezid I. (1389–1402) beispielsweise beschäftigten eine Unzahl von Falknern, Falkenjägern und Hundewärtern.

      Die Beizjagd, „ein Import“ aus Asien, fiel in Europa auf fruchtbaren Boden. Ausgelöst durch die Handschrift Friedrichs II. wurden vom 15. bis zum 18. Jahrhundert eine Reihe weiterer, der Beizjagd gewidmeter Bücher veröffentlicht; diese verbreitete sich zunehmend und erreichte im Hochmittelalter ihren Höhepunkt. Sie wurde nicht allerorten gut geheißen. Schon die „Lex Ribuaria“ (um 630 oder später) verbot den Fang von zur Beizjagd geeigneten Vögeln.

      Das Original des Buches Kaiser Friedrichs II. mit seinen Hunderten von Miniaturen ist verloren gegangen. Lediglich eine Teilabschrift aus der Mitte des 13. Jahrhunderts gelangte über Umwege in die Hände des Herzogs Maximilian I. von Bayern (1573–1651), der sie 1623 dem Vatikan als Geschenk überließ, wo sie heute noch aufbewahrt wird. Die erste gedruckte Ausgabe des Werkes stammt aus dem Jahre 1596.

      1968 erschien sie als vollständige Faksimileausgabe. Das älteste der zahlreichen Lehr- und Jagdbücher, das sowohl die Beiz- wie auch die herkömmliche Jagd behandelt, erschien 1531 in Augsburg und trägt den Titel „Mejsterliche stuck von Bayssen und Jagen“. Von der Originalausgabe ist lediglich ein Exemplar vorhanden.

      Unter den Autoren von Büchern über die Beizjagd finden sich außer Friedrich II. noch andere berühmte Namen; unter anderem Albertus Magnus (Albert der Große), Graf von Bollstädt, Dominikaner, scholastischer Gelehrter an der Universität Paris und Lehrer des Thomas von Aquin, der als der vielseitigste und produktivste Gelehrte des 13. Jahrhunderts gilt.

      Albertus Magnus’ Buch über die Beizjagd trägt den Titel „Von den Falken und Habichten“. Zu nennen wären im deutschen Sprachraum noch Johann Wolf, in Frankreich Charles d’Arcussia, Jean de Franchieres oder Artelouche de Alagona. Die umfangreiche französische Literatur über die Beizjagd wurde großteils auch ins Deutsche übersetzt.

      Die jagdhistorische Überlieferung zeigt, dass das Jagdgeschehen im ausgehenden Mittelalter vorwiegend von der Beizjagd bestimmt war. Selbst die Damen frönten dieser Jagd mit großer Leidenschaft; so auch Königin Elisabeth I. von England, Gegenspielerin von Maria Stuart. Ihr „Oberfalkenmeister“ war tatsächlich eine Meisterin, nämlich Mary von Canterbury.

      Das Leit- und Idealbild vom Falkner, wie es damals gesehen wurde, finden wir unter anderem im „Neuw Jagd- und Weydwerk“ aus dem Jahre 1582; es heißt dort, dass der Falkner

      gerade, freundlich, sanftmütig, holdselig und von vielen anderen guten, lieblichen Gebärden und Sitten sein muss. Er hat mutig, freundlich und zum Falkenweidwerk und Beizen überaus trefflich gute Lust haben.

      Angemahnt wird überdies, dass dann, wenn der Falke untätig sei, der Falkner nicht zornig werden, und ihn (den Falken) darob übel anschreien, schelten, ihn etwa zucken, stoßen oder schlagen dürfe, sondern fein, sanftmütig und geduldig sein möge, den Fehler des Falken aber mithilfe von sittsamer und bescheidener Behandlung wieder gutmachen und ihn fein ordentlich und meisterlich abrichten müsse. Der Falkner soll arbeitsam sein, keine Mühe und Arbeit bei Tag und Nacht scheuen, immerdar an seine Falken denken; weder Wind noch Wetter, Hitze oder Kälte dürften seine Arbeitsfreudigkeit beeinflussen.

      Der Wanderfalke (Falco peregrinus) war der häufigste Begleiter des Beizjägers; am meisten geschätzt wurden aber die Island-, Grönland- und Gerfalken. Es entwickelte sich ein schwunghafter Handel, besonders mit dem weißen Jagdfalken aus Grönland, der zur beliebtesten Handelsware, vorwiegend der dänischen Falkenjäger, wurde. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der Handel mit diesem Vogel zur bedeutendsten Einnahmequelle Grönlands. Ein Zentrum des Falkenhandels war der Sitz des Johanniterordens auf der Insel Malta. Wie bei vielen zügellosen Eingriffen in die Natur kam es auch hier zu einem rapiden Schwund dieser Spezies im ausgehenden Mittelalter.

      Der damalige Hauptlieferant von Jagdfalken war die 1396 gegründete Falkenschule des Deutschen Ritterordens in Marienburg; allein für das Jahr 1401 sind folgende Abnehmer überliefert: der König von Böhmen, der König von Polen, der Kurfürst vom Rhein, der Markgraf von Meißen, der Burggraf von Nürnberg, der Graf von Württemberg und der Herzog und die Herzogin von Österreich. Hierzu kamen 1402 der Bischof von Freising, der Herzog Luitpold, der Herzog von Sachsen, der Erzbischof von Mainz und der Herzog Wilhelm von Österreich sowie 1405 im Weiteren die Herzöge von Cleve (Holland), Sachsen, Geldern, Köln und Trier, die allesamt Jagdfalken als Staatsgeschenke erhielten. Im Jahre 1408 ging eine Lieferung von 80 Falken an den päpstlichen Hof, eine weitere an den König von Portugal, deren Ausmaß aber nicht bekannt ist. An den kaiserlichen Hof in Wien wurden 14 Vögel geliefert; im Jahre 1509 waren es 12 Beizvögel; 8 erhielt der päpstliche Stuhl; an die Könige von Frankreich, England und Portugal kamen je 6, an den Herzog von Sachsen 4 Falken. Während der Jahre 1533–1569 wurden allein vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1818 Jagdfalken an diverse Fürsten und Herren verschenkt. Der Kurfürst von Brandenburg lieferte im Jahr 1650 dem König von Frankreich 12, dem kaiserlichen Hof in Wien 18, dem König von England einen, dem Prinzen von England 18 und dem Herzog Moritz von Sachsen 12 Falken.

      Der personelle Aufwand für die Pflege und Haltung von Falken war beträchtlich. Am Hofe des französischen Königs Franz I. (1494–1547) wurden an die 300 Beizvögel gehalten, für deren Betreuung der „Grand Fauconnier de France“, René de Cossé de Brissac, verantwortlich war. Unter der Fuchtel dieses Oberfalkenmeisters standen 15 Edelleute und 50 Falkenmeister, neben zahllosen anderen Bediensteten. Der Oberfalkenmeister war aber nicht nur für die Falken des französischen Hofes zuständig, er war im Zusammenhang mit dem Falkenhandel auch fiskalischen Aufgaben betraut, hatte das alleinige Recht des Falkenverkaufes in Frankreich und musste dafür Sorge tragen, dass für jeden eingeführten Falken auch ein entsprechender Zoll eingehoben wurde.

      Man kann sagen, dass die Jagd mit dem Falken im Laufe des Mittelalters die gleiche Bedeutung erlangte wie die Jagd mit der Waffe. Sie wurde den jahreszeitlichen Bedingungen entsprechend ausgeübt und erreichte im Monat März ihren Höhepunkt. Erst mit dem Aufkommen der Feuerwaffen und des Schrotes ging das Interesse an dieser Jagd nahezu vollkommen verloren, zumal die Beizjagd ein sehr kostspieliges Vergnügen war. Unserer Zeit blieb es vorbehalten, sich ihrer wieder zu besinnen und den überlieferten Jagdgebräuchen entsprechend auszuüben. Aufzeichnungen des Markgrafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Anzbach-Bayreuth aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vermitteln eine Vorstellung von der Effizienz dieser Jagdart; er brachte mit seinen Beizvögeln innerhalb von 25 Jahren insgesamt 37.238 Stück Wild zur Strecke, davon insgesamt 14.087 Rebhühner, 5.059 Hasen, 6.563 Krähen, 4.174 Reiher und 1.763 Milane. Der Stellenwert, den die Beize im Mittelalter erreicht hatte, führte zu „Konfrontationen“ an den europäischen Höfen. Im Frühjahr rückte die konservative Jägerschaft,


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