Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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die Tiere doch (lebend) nach Rom gebracht werden. Der hohe Bedarf an Wildtieren hatte letztlich aber deren gebietsweise Ausrottung zur Folge. Der Berberlöwe Nordwestafrikas, dessen Heimat das heutige Algerien und Mauretanien war, wurde das erste Opfer dieses Massenbedarfes. Das gleiche Schicksal ereilte bald dem Nordafrikanischen Elefanten (Atlaselefant). Ab ca. 58 v. Chr. wurden in Rom schließlich auch Flusspferde bei Kampfspielen eingesetzt.

      Für das Fangen der Tiere bediente man sich überwiegend der Fallgrube, die – soweit es um den Fang von Raubkatzen ging – mit Ziegen oder Schafen als lebende Kirrung versehen wurde. Daneben gab es verschiedene Fangmethoden mit Netzen und Tüchern. Die Kenntnisse der Wildtierhaltung waren damals sehr ausgeprägt; die Tiere wurden mit schnellen Ruderschiffen transportiert. Nach Plinius war es ein Römer namens Lupinus, der als Erster eine transportgerechte Wildtierfütterung eingeführt hat.

      Für die Fütterung der Wildtiere und deren Haltung in den Zwingern des Kolosseums war erfahrenes Jagdpersonal erforderlich; es bestand sowohl in Rom als auch in Griechenland aus Berufsjägern (venatores), die in einem eigenen Berufsverband organisiert waren.

      Erst im 6. Jahrhundert wurden die Kampfjagden durch Kaiser Anastasius (491–518) unter Androhung von Strafen verboten. Das Einfangen und Töten von Löwen wurde schon in der späteren Kaiserzeit untersagt. Im Folgenden einige Beispiele zu Anlass, Ausmaß sowie Zahl und Art der eingesetzten Tiere:

      • Circensische Spiele der Aedilen Scipio Nasica und Publius Lentulus, 168 v. Chr.: 63 Panther, 40 Bären und (die Zahl ist unbekannt) Elefanten;

      • Circus des Censors Gnaeus D. Ahenobarbus: 100 Bären gegen 100 Jäger;

      • Kampfspiele im Circus des Consuls Pompejus (106–48 v. Chr.): über 600 Löwen. Besonderheit: Kampf eines Nashornes gegen einen Elefanten;

      • Sieg über die Thraker (106 n. Chr.) durch Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.): 10.000 als Gladiatoren eingesetzte Gefangene töten über 11.000 wilde Tiere;

      • Kaiser Philippus Arabs (244–249 n. Chr.) bringt aus dem Feldzug gegen die Perser 32 Elefanten, 10 Elche, 10 Tiger, 30 Leoparden, 60 Löwen und 40 Wildpferde für eine Kampfjagd nach Rom mit.

      Den sozialen und geistesgeschichtlichen Nährboden, auf dem diese Metzeleien gedeihen konnten, beschreibt Theodor Mommsen folgendermaßen: „Wie bei den furchtbaren ökonomischen Zuständen die sozialen Verhältnisse sich gestalten mussten, ist im Allgemeinen leicht zu ermessen. Die Steigerung des Raffinements, der Preise, des Ekels und der Leere im besonderen zu verfolgen“, ist

      weder erfreulich noch lehrreich. Verschwendung und sinnlicher Genuss war die Losung überall bei den Parvenüs so gut wie bei den Liciniern und Metellern; nicht der feine Luxus gedieh, der die Blüte der Zivilisation ist, sondern derjenige, der in der verkommenden hellenischen Zivilisation Kleinasiens und Alexandrias sich entwickelt hatte, der alles Schöne und Bedeutende zur Dekoration entadelte und auf den Genuss studierte, mit einer mühseligen Pedanterie, einer zopfigen Tüftelei, die ihm den sinnlich wie dem geistig frischen Menschen gleich ekelhaft macht. Was die Volksfeste anlangt, so wurde, durch einen von Gnacus Aufidius beantragten Bürgerschluss, die in der catonischen Zeit untersagte Einfuhr überseeischer Bestien wieder gestattet, wodurch denn die Tierhetzen in schwunghaften Betrieb kamen und ein Hauptstück der Bürgerfeste wurden.23

      Diese Schilderung eines Großen der europäischen Geschichtsschreibung ist von bleibender Aktualität.

      Für den Hundehalter und somit auch den Jäger erwähnenswert ist die Tatsache, dass auch Hunde für das Gemetzel in der Arena eingesetzt wurden. Dabei handelte es sich um mächtige Kampfhunde, die für den Einsatz gegen Mensch und Tier systematisch gezüchtet wurden24, nicht verwunderlich war es doch Xenophon (430–350 v. Chr.), der berühmte Schüler des Sokrates und Zeitgenosse Platons, der erstmals ein Buch über Zucht und Dressur des Hundes verfasste und nach dem heutigen Stand der Wissenschaft als „Stammvater“ aller Kynologen gilt. Sein Leitfaden für den Hundefreund erlebte noch im Mittelalter unter dem Titel „Kynagiticus“ eine Neuauflage.25

      Bei den Haustieren im Allgemeinen wurden im Römischen Reich schon die ersten Nutzrassen gezielt herangezüchtet. Der Hund als Jagdgehilfe hatte bei den Römern wohl nicht die Bedeutung wie dies heutzutage der Fall ist; in den ländlichen Bereichen aber wurden bei Hetzjagden Wind-, Stöber- und in der Meute jagende Hunde eingesetzt (Ziemen).

       Exkurs: Das Tier als göttlicher Begleiter

      Das Tier als Begleiter der Götter spielte in der Antike sowohl in Symbolik und Heraldik als auch in der Mythologie und Religion eine exponierte Rolle: In Griechenland gehörten der Adler zu Zeus, die Biene zu Demeter, die Bärin zu Artemis – und bei den Germanen gehörte das Pferd zu Thor und zu Wotan. Man denke auch an die Wölfe Roms und den Adler Deutschlands als Wappentier. Romulus, der sagenhafte Gründer Roms, und sein Bruder Remus wurden von einer Wölfin gesäugt. Die Schlange, das den Menschen fremdeste Tier, das am wenigsten begreifliche, zählt zugleich auch zu den gefürchtetsten; ihr Gift tötet. In der Genesis wird sie verflucht „unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes und dazu verdammt, Staub zu fressen“ (Gen 3,14). Andererseits aber wird sie als Heilszeichen hoch verehrt; die Gnostik sah in ihr ein Christussymbol. Ihr ehernes Nachbild heilte die vom tödlichen Schlangenbiss Verwundeten (Num 21,8 f.). Die gekrönte Schlange und auch der kaiserliche Drache Chinas vermitteln die gleiche Heilssymbolik. Auch im alten Indien hatte das Schlangensymbol große Bedeutung.

      Drei ineinandergewundene Fische wiederum waren schon während des Mittelalters das Symbol für die Dreieinigkeit. Tieren mit übermenschlichen Kräften, wie etwa Stiere, Löwen, Elefanten, wurden und werden im asiatischen Raum göttliche Ehren zuteil; sie treten auch als kosmische Symbole in Erscheinung.

      Weitverbreitet ist auch die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren und diese Unterscheidung ist vielfach identisch mit der Unterscheidung von Haustieren und Tieren der (unreinen) Wildnis (Alfons Kirchgässner).

      Am Grundsätzlichen dieser in Bild und Stein sichtbar gewordenen Beziehung zwischen Mensch und Tier hat sich wenig geändert, „denn das Tier ist uns immer noch zu nahe, als dass wir nicht geheimnisvolle Gemeinsamkeiten mit ihm verspürten“, und deshalb gehört nach Ortega y Gasset

      zum guten Jäger eine Unruhe im Gewissen angesichts des Todes, den er dem bezaubernden Tier bringt. Damit ist nichts gegen die Jagd gesagt, sondern in diesem Gefühl der Unsicherheit leuchtet der allgemeine, problematische, zweideutige Charakter unserer Beziehung zu den Tieren durch.26

      Die Existenz wissenschaftlicher Disziplinen wie der Tierpsychologie und der Tiersoziologie sind einmal mehr der – unserer Gegenwart gemäße – Versuch, das Tier zu begreifen, zu definieren und ihm gerecht zu werden. Schon das Magische in den Tierbildern der primitiven (Altsteinzeit) wie auch der Kunst neuzeitlicher Naturvölker zeugen von der Vielfalt der Verständnis- und Deutungsversuche, die der Mensch dem Tier angedeihen ließ; ganz zu schweigen von den Hochkulturen des Altertums. Der jüdische Gott Jahwe soll in Nordisrael als Stier dargestellt und verehrt worden sein (Alfons Kirchgässner); man denke auch an das goldene Kalb, ein israelisches Kultsymbol, das nach der Sage erstmals von Aaron am Sinai hergestellt wurde (Ex 32).

      Das hier angesprochene Thema ist also ebenso alt wie global; wir finden es rund um den Erdball „in primitiven Gesellschaften“ wie auch in „Gesellschaftsordnungen zivilisierter Völker“ und in den verschiedensten Zeitabschnitten.

      Eine besondere Wertschätzung in diesem Reigen wurde dem Bären zuteil. Er galt als das stärkste und damit königlichste Tier des Nordens, ein Sinnbild der Kraft und der Wildheit. Auch die indischen Mythen und Volksmärchen erzählen, so wie von Affenstämmen auch, von ganzen mächtigen „Bärenvölkern und Bärenkönigen“. Indische Gelehrte erklären diese sagenhaften Bären ganz ähnlich den „wilden Leuten“ und Waldmenschen unserer heimischen Überlieferung, als eine Erinnerung an „Barbarenstämme“, die noch lange außerhalb der vedischen27 Kultur lebten. Wir finden den Bären in unseren Heiligengeschichten als Helfer frommer Einsiedler – gleich wie in Sibirien und im europäischen Teil


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