Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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Zeichen für die nahende Überschwemmung und damit die Anlieferung des fruchtbaren Nilschlammes. Der Ibis war der zentrale Gegenstand beim Fest der Wasserweihe. Der Priesterschaft des Alten Ägypten war es zu verdanken, dass die Ibisse als heilige Vögel im ganzen Land absoluten Schutz genossen. Wo Ibisse schöpften, galt das Wasser als absolut rein. Mit diesem Wasser pflegten sich die ägyptischen Priester denn auch mit Vorliebe zu waschen.

      Unvereinbar mit der Behandlung, die man diesem Vogel angedeihen ließ, sowie den mit seiner Gegenwart verbundenen Vorstellungen war allerdings die Ansicht, dass das Fleisch des Vogels giftig sei; lediglich die Leber wurde bei seinem Hinscheiden als Opfergabe verwendet.

      Der religiöse Machtkampf der Priesterschaft, der den Sturz der alten Götterbilder zum Ziel hatte, führte zur völligen Ausrottung des Vogels. Als eine neue Priesterschaft die Macht errungen hatte, beseitigte sie auch den alten Mythos der Ibis-Priester (Mittleres Reich), was zur gezielten Vernichtung der Ibis-Bestände führte. Die Bevölkerung wurde mit dem Hinweis darauf, dass die Eier des Ibisses todbringendes Gift enthielten, aufgefordert, sämtliche Gelege zu zerstören. Man verbreitete das Gerücht, dass aus den Ibis-Eiern Basilisken kämen, deren Blick tödlich sei. Diese Kampagne machte sich eine, damals in weiten Teilen Ägyptens grassierende und gefürchtete Augenkrankheit, eine chronische Bindehautentzündung, zunutze. Tatsächlich war diese Krankheit nach den Rekonstruktionen der ärztlichen Wissenschaft unserer Tage auf eine kleine Mücke, die „Kriebelmücke“, zurückzuführen. Sie war die Überträgerin von kleinen, parasitären Fadenwürmern. Die Krankheit führte beim Betroffenen über kurz oder lang zur Erblindung.

      Geistesgeschichtlich interessant ist die Art und Weise, wie die Priesterschaft es zuwege brachte, die Bevölkerung ohne Beeinträchtigung ihres Ansehens zur systematischen Vernichtung dieses Vogels zu verleiten; man hielt nach wie vor an dem radikalen Verbot, den Ibis zu töten, fest, propagierte aber, wie erwähnt, die Zerstörung sämtlicher Gelege, was notgedrungen die Ausrottung des Vogels zur Folge hatte. Man denkt hier unwillkürlich an mediale zeitgenössische Manipulationen.

      Die Verehrung des Ibisses in Ägypten ist keine bloße Reminiszenz. Heilige Tiere sind auch in unserer Gegenwart, besonders in den ostasiatischen Ländern, besonders im Buddhismus und ebenso im Hinduismus, präsent. Mythische Legenden bestimmen hier die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Besonders die 2.500 Jahre alte Lehre Buddhas fordert – allerdings aus ethischen Gründen – die Verehrung heiliger Tiere, wie etwa von Rindern und Gazellen.

      Während Jagd und Krieg im mesopotamischen Raum eine letzten Endes religiös überhöhte, staatsdoktrinäre Symbiose eingegangen sind, mit dem Leitgedanken, die Feinde des Reiches – dazu zählten eben auch bestimmte Tiergattungen – zu bekämpfen, fehlt Ähnliches in der altägyptischen Kultur. Eine als Feind klassifizierte Wildart, die es unter Einsatz militärischer Mittel zu bekämpfen galt, wie dies im mesopotamischen Raum der Fall war (Löwe u. a.), kannten die Ägypter nicht.

       Die Jagd im griechisch-römischen Kulturbereich

      Nicht nur in Mesopotamien oder in Asien, sondern auch im Europa der alten Griechen und Römer ist die seit den Uranfängen bestehende Symbiose zwischen Jagdkult und Religion – als prototypisches Momentum jeder Kultur – zu finden. Die Urbauten der Menschen waren Tempel, keine Wohnbauten. Artemis und Diana, die antiken Göttinnen der Jagd, sind als solche nicht nur dem ausübenden Waidmann, sondern weitesten Bevölkerungskreisen bekannt. Der Artemiskult der alten Griechen wurde nach und nach von den Römern übernommen, worauf noch zurückzukommen sein wird.

      Apollo und Artemis mit Jagdhund. Tondo (Rundbild), ca. 470 v. Chr.

      Die jungfräuliche Artemis, Tochter des Zeus und der schönen Leto, stand bei den Griechen in hohem Ansehen. Als Zwillingsschwester des griechischen Sonnengottes Apollon war sie nicht nur Göttin der Jagd, sondern auch Herrin aller Tiere, Göttin der Keuschheit und der Fruchtbarkeit. Sie wird mit Köcher und Bogen, häufig auch mit einer Fackel und in Begleitung von Nymphen und Rehen dargestellt. Herodot, der Begründer griechischer Geschichtsschreibung, berichtet, dass der sprichwörtlich reiche Lydier König Kroisos (560–546 v. Chr.) an der Westküste Kleinasiens, in Ephesos, zu Ehren der Göttin ein gigantisches Bauwerk, den Artemistempel, eines der sieben Weltwunder der Antike, errichten ließ. Die Baumeister Chersiphron aus Knossos und sein Sohn Metagenes, ob dieses Werkes in die altgriechische Baugeschichte eingegangen, ummantelten das Heiligtum der Jagdgöttin mit einem von 127 Säulen getragenen Tempel.

      Homer (7. Jh. v. Chr.) besingt die Göttin der Jagd in seinen Götterhymnen:

      Artemis sing ich, mit goldenen Pfeilen, die lärmende, wilde, reine Jungfrau, die Bogen erfreute, den Schrecken der Hirsche, die auf schattigen Höhen und windigen Felsgebirgen froh der Jagd ergeben, gespannt den goldenen Bogen, schmerzliche Pfeile entsendet.19

      Die griechische Göttin der Jagd hatte eine weit über die Grenzen Griechenlands hinausreichende Strahlkraft. Bei den Persern wurde sie Anahid genannt und war Herrin der Tiere, wurde oft geflügelt dargestellt und ist ein in der archaischen Kunst häufiger Typus. Auch mehrere kleinasiatische Göttinnen wurden Artemis genannt, beispielsweise die vielbrüstige ephesische Artemis. Aufgrund überkommener finnischer Mythen und Erzählungen über die schöne Gattin des Waldgottes Tapio, Beschützerin der Waldtiere, wird angenommen, dass zwischen den antiken Mythen über die Jagdgöttin Artemis und den nordischen Waldgöttern eine wesentlich engere Beziehung besteht, als in der Forschung bisher vermutet wurde.

      In ihrer Eigenschaft als Beschützerin und Herrin der Tiere wurde sie ob ihrer unverletzbaren Natur häufig auch mit Löwen, darüber hinaus auch mit Rindern, Böcken und Hirschen dargestellt; das heilige Tier der Göttin selbst war aber die Biene.

      Die strahlende Gestalt der Artemis lebt auch in der Homerischen Sagenwelt weiter, im Besonderen in der Legende vom Schicksal des Aktaion, eines Jünglings, der leidenschaftlich jagte und demgemäß eine gewaltige Menge von Wildtieren erlegt hat. Die Sage berichtet, dass Artemis den mit seinem jagdlichen Erfolgen prahlenden Jüngling in einen Hirsch verwandelte, der letztlich von seiner eigenen Meute überwältigt und zur Strecke gebracht wurde. Diese auf den römischen Dichter Ovid (43–17 v. Chr.) zurückgehende Sage wurde in den berühmten Hrabanus-Maurus-Codex aus dem 11. Jahrhundert aufgenommen, der von Alexandru Mitru20 übersetzt und damit überliefert wurde.

      Der Tempel der Artemis, das ephesische Wunderwerk des Krösus, wurde im Jahre 356 v. Chr. infolge einer Brandlegung durch einen Verrückten, der durch diese Tat in die Geschichte eingehen wollte, vollständig vernichtet. Der Wunsch des Missetäters ging in Erfüllung, sein Name – Herostratos – ist bis heute bekannt geblieben. Unter Alexander dem Großen wurde das Heiligtum in seiner ursprünglichen Form an gleicher Stelle wieder errichtet, aber schon 263 n. Chr. von den einfallenden Goten neuerlich devastiert. Die Reste des Artemis-Tempels liegen versunken, unweit des Ägäischen Meeres, in einer verlandeten Bucht, und wurden erst 1863 durch den englischen Ingenieur John T. Wood entdeckt und durch das Österreichische Ärchäologische Institut (ÖAI) ausgegraben. Es bestehen Pläne zur Wiedererrichtung in alter Konzeption, die aber bis dato nicht verwirklicht wurden.

      Aus Berichten Homers wissen wir, dass die alten Griechen großen Wert auf das Waidwerk legten, zumal sie sich – wie die altorientalischen Völker auch – vor Raubwild schützen mussten und die Jagd einen erheblichen Beitrag zum Speisezettel der alten Griechen leistete.

      Davon abgesehen war die Jagd ein Born der Freude. Nach der Jagd – so berichtet uns Homer – wurde stets von der jungfräulichen Göttin Artemis erzählt; auch hat man Hymnen gesungen, Opfer und Gaben dargebracht, um so der Jagd zu dienen und das Wohlgefallen der Göttin zu erlangen. Im Vergleich zu anderen Völkern allerdings sind die alten Griechen nicht ob ihrer Jagd, vielmehr als Philosophen, Dichter und Künstler in die Geschichte eingegangen.

      Der römische Diana-Kult

      Der Artemis-Kult


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