Der Beute auf der Spur. Othmar Wokalik

Der Beute auf der Spur - Othmar Wokalik


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erweicht und biegsam gemacht wurden. Aus ihnen ließen sich Jagdspieße und Wurflanzen anfertigen, da sie im erkalteten Zustand wieder hart wurden.

      Die Felszeichnungen aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit), als wesentliche Grundlage der Forschung, finden sich in verschiedensten Teilen der Welt. In Afrika wurden innerhalb der letzten Jahrzehnte gut 2.000 Fundstellen mit rund 100.000 Felszeichnungen und Höhlenbildern diverser Jagdtiere entdeckt.

      Während die Höhlenzeichnungen der Altsteinzeit vorwiegend die zu bejagenden Tiere zum Gegenstand haben, sind die Felsbilder der Jungsteinzeit – nicht nur im europäischen, sondern auch im afrikanischen Bereich – überwiegend dem jagenden Menschen gewidmet; seine Darstellung in Ausübung der Jagd steht im Mittelpunkt. Die naturgetreuen Farben und scharfen Konturen der Vorzeit verblassen in diesen Darstellungen oder werden durch einfarbig rote oder schwarze Figuren ersetzt. Dafür besticht umso mehr die souveräne Wiedergabe der typischen Bewegungen und Merkmale des Jägers und der gejagten Tiere.

      Seit 50.000 Jahren malen und zeichnen die Jägervölker Eurasiens und Afrikas ihre Jagdbeute und die Techniken, mit denen sie erlegt wurden. Die überaus treffsicheren wie eindrucksvollen prähistorischen Felsritzungen und Höhlenzeichnungen aus Norwegen, Spanien, Westsibirien, Libyen und der Türkei sind die Dokumente in der Jagdgeschichte der Urgesellschaft.

      Der Übergang vom zwar nichtnomadisierenden, aber umherstreifenden Jäger zum sesshaften, viehzüchtenden Bauern, dem die Domestikation einzelner Wildarten gelang, war die Geburtsstunde der Produktionswirtschaft, die folgerichtig auch zum Pflanzenanbau führte. Mit diesem Paradigmenwechsel veränderten sich auch der Sinn und Zweck der Jagd grundlegend; eine neue Epoche in der Entwicklung der Menschen nahm ihren Anfang.

      Im Gegensatz zu dem hier Gesagten finden wir in der neueren Literatur und in diversen Abhandlungen die Forderung, gelegentlich auch den Versuch, die Jagd unter Einbeziehung der Waidgerechtigkeit, wie wir sie heute verstehen, zu definieren.

      Eine erkenntnistheoretischen Anforderungen entsprechende Untersuchung zeigt jedoch, dass die Einbeziehung dieser Waidgerechtigkeit in eine Definition der Jagd unweigerlich zu einem unzulässigen Methodensynkretismus, also zu einer Vermischung und Vermengung unterschiedlicher Kategorien führt. Die Antwort auf die Frage, was unter Waidgerechtigkeit zu verstehen ist, wurde zu verschiedenen Zeiten – mindestens partiell – verschieden beantwortet. Die Kampfjagden in den römischen Arenen ereigneten sich vor einem ganz anderen geistigmoralischen Hintergrund, wie die oft Tage währende Hetzjagd des fränkischen Jägers zur Zeit Karls des Großen. Das Wesen einer Definition, so sie Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, hat das Zeitenüberdauernde, das Grundsätzliche, das Unveränderliche aufzuzeigen und muss daher variable Größen vermeiden. Die Definition der Jagd hat den Ablauf eines die Zeiten überdauernden Geschehens aufzuzeigen, nicht dessen Bewertung. Die Forderung nach einer ethischen Ausrichtung der Jagd ist uralt. Wir finden sie, wie schon erwähnt, bereits bei den alten Donaukelten bei der Hasenhetze, bei der es hier nur erlaubt war, maximal zwei Hunde auf einen Hasen anzusetzen. Die Forderung nach einem der Zeit entsprechenden Verhaltenskodex des Jägers ist legitim; nicht jedoch seine Einbeziehung in eine allgemeingültige, die Zeiten überdauernde Definition dessen, was unter Jagd zu verstehen ist.

      Die „neolithische“ oder „agrarische Revolution“

       Von der Jagd zur Domestikation

      Während einer Zeitspanne von mehr als 1,5 Millionen Jahren durchstreiften die Horden und Sippen der Jäger und Sammler Bergtäler, Savannen und Wälder, um Wild zu erbeuten und damit ihren Nahrungsbedarf zu decken. Man geht heute davon aus, dass etwa 5 km2 Jagdgebiet erforderlich waren, um damals auch nur einen Menschen zu ernähren.

      Allmählich gingen die Jägergruppen – besonders jene der ältesten Hochkulturen des Alten Orients – dazu über, nicht alle bejagten Tiere zu töten; sie begannen mehr und mehr junge Tiere zu fangen, um diese erst in Notzeiten dem Verzehr zuzuführen.

      Ähnliche Methoden wurden noch im 19. Jahrhundert von den Beduinen Arabiens angewendet, um „lebende Fleischreserven“ vorrätig zu halten. In relativ kurzer Zeit schon hatten sich die gefangenen Jungtiere ihrer zugewiesenen Umgebung angepasst und suchten selbstständig ihr Futter. Auf diese Weise bildeten die Jägernomaden des Vorderen Orients die ersten halbzahmen Herden und wurden schließlich deren Hirten.

      Aufgrund von Sichelklingen und Reibsteinen aus einem oberägyptischen Jägerlager (Toshka), mit denen Wildgetreide bearbeitet wurde, sowie zahlreichen Knochenresten von Antilopen und Gazellen, die offensichtlich in Gefangenschaft gehalten worden waren, ist davon auszugehen, dass die „Jagdtierhaltung“, letztlich verbunden mit dem Anbau von Getreide, in der Zeit von 13.000 bis 14.000 Jahren v. Chr. begonnen hat.

      Das Alter der in Toshka gefundenen Arbeitsgeräte und Knochenreste rechtfertigt diese Annahme.

      Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine zielgerichtete Haustierhaltung nach heutigem Sprachgebrauch; diese begann erst, als Wildfänge in der Gefangenschaft durch zielgerichtete Züchtung vermehrt wurden. Gleichzeitig zu dieser neuen Produktionsform – sie wird als „neolithische“ (jungsteinzeitliche) oder „agrarische Revolution“ bezeichnet – entwickelte sich eine exklusive Form des Privatbesitzes. Die gezähmten Herden gingen in den Privatbesitz des Hirten, d. h. immer eines Mannes, über, nie in den Besitz einer Frau.

      Der Wechsel von der okkupatorischen Wirtschaft der Jäger und Sammler zur Produktionswirtschaft des Ackerbauern und Viehzüchters ist – wie erwähnt – nicht nur an sich, sondern auch in seinem zeitlichen Kontext durch das Fundmaterial aus Vorderasien belegt. In diese Zeit fallen auch die ersten bislang bekannten Wildparks der Welt. Archäologische Grabungen am Tigris legten eine Fläche von 50 km2 frei, die als Wildgehege diente. Das für die Tiere nötige Frischwasser wurde über künstliche Kanäle zugeführt. Diese Wildparks waren nicht allein Nahrungsreserve; sie bildeten gleichzeitig ein Jagdreservat, auf das assyrische wie babylonische Könige gerne zurückgriffen, wenn sie großangelegte Jagden veranstalteten.

      Die bildliche Darstellung einer solchen Jagd findet sich auf einem Relief aus Ninive; das Relief zeigt eine Rotwildjagd aus der Zeit des Königs Assurbanipal (669 bis ca. 627 v. Chr.). Jagdhistorisch interessant – man denke an die eingestellten Jagden des 18. und 19. Jahrhunderts im europäischen Raum – sind die auf dem Relief sichtbaren hohen Netze, die ein Ausbrechen des Wildes verhindern sollten.

      Die Domestikation des Wildes beschränkte sich nicht auf eine profane „Vorratshaltung“, sondern diente auch kultischen Zwecken. Darstellungen und Funde belegen, dass in den Tempeln Indiens und Sumers zahlreiche Antilopen, Gazellen, Elefanten, aber auch Tiger und diverse Vögel in heiligen Hainen gehalten und dortselbst auch verehrt wurden.

      1958 entdeckte der englische Archäologe James Mellaart (1925–2012) in Çatal Höyük (Anatolien) einen ausgedehnten Siedlungshügel mit Tempel. Die aus dem Tempel zutage geförderten Jagddarstellungen aus der Zeit um 5800 v. Chr. zeigen unter anderem einen Leopardenfries und eine Darstellung der „Göttin im Leopardenfell“, ein Indiz dafür, dass der Tempel den Jägern und Kriegern geweiht war.

      Aufgrund diverser Funde in jungpaläolithischen Jägerstationen der Ukraine und in Sibirien ist davon auszugehen, dass auch Wölfe domestiziert und als Begleiter des Jägers eingesetzt wurden. Allerdings war der „Wolfshund“, im Gegensatz zu bisher vertretenen Thesen, nicht das älteste Haustier des Menschen.

      Nicht nur Funde in der Türkei aus der Zeit um 9500 v. Chr. sowie in Idaho/USA mit Funden aus der Zeit um 9000 v. Chr., die auf Hundehaltung schließen lassen, weisen darauf hin, dass Jagdhunde in Höhlensiedlungen um 8000 v. Chr. als Spür- und Wachhunde eingesetzt wurden; es handelte sich hier um „Moorhunde“, die auch „Torfspitze“ genannt wurden.

      Diese Bezeichnung hat nicht die Bedeutung einer rassischen Zuordnung; Versuche, frühgeschichtliche Hundefossilien rassisch einzuordnen, sind relativ alt. Rütimeyer bezeichnete 1861 den in Schweizer Pfahlbausiedlungen des Neolithikums gefundenen „Torfspitz“ als canis palustris, was bei wörtlicher Übersetzung aus dem Lateinischen Pfahl- oder Sumpfhund bedeutet. Aus dem ägyptischen Theben am Oberen Nil sind Elfenbeinschnitzereien aus der


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